VwGH AW 2011/05/0070

VwGHAW 2011/05/007019.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Dr. E, vertreten durch S Rechtsanwalts KG, der gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Mai 2011, Zl. BOB - 432 bis 435/10, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: P-GesmbH, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt), erhobenen und zur hg. Zl. 2011/05/0112 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §30 Abs2;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung eines unterkellerten Mehrfamilienhauses, für Geländeveränderungen und die Herstellung eines Nebengebäudes erteilt. Die Berufung des Beschwerdeführers wurde abgewiesen.

In seiner Begründung für den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung legt der Beschwerdeführer dar, zwingende öffentliche Interessen stünden dieser nicht entgegen. Die Bauwerberin sei weniger schutzwürdig als der Beschwerdeführer, weil sie sich bewusst sei, dass ihre Planung der Bauordnung widerspreche. Es lägen überwiegende Interessen des beschwerdeführenden Nachbarn an der Verhinderung möglicher Gefahren und Belästigungen vor. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seines Alters nicht mehr in der Lage, seine Liegenschaft entsprechend zu betreuen und versorgen, er habe daher konkrete Verkaufsverhandlungen hinsichtlich dieser Liegenschaft laufen. Diese würden empfindlich durch die Bautätigkeit beeinträchtigt, wenn nicht zunichte gemacht. Das zu verkaufende Objekt stelle im Wesentlichen das einzige Vermögen des Beschwerdeführers dar, und er könne im Hinblick auf sein Alter mit dem Verkauf nicht so lange zuwarten, bis auf dem Nachbargrundstück wieder Ruhe eingekehrt sei. Jede Störung der laufenden Verkaufsverhandlungen durch die beginnende Bautätigkeit würde sich auf die Erzielung eines angemessenen, dem Verkehrswert entsprechenden Verkaufspreises grob nachteilig auswirken, was für den Beschwerdeführer existenzvernichtend wäre. Bedingt durch die Beschaffenheit des ansteigenden Geländes auf dem Baugrundstück werde durch den Aushub an der südlichen Stirnfront auf eine Höhe von ca. 15 m ein Eingriff in die Natur stattfinden, der nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Würde der Bescheid aufgehoben und das Gebäude wieder entfernt, würde durch das naturbedingte Nachrutschen des Hanges die Gefahr einer Hangrutschung mit unabsehbaren Folgen entstehen. Die Tiefe des abzutragenden Geländes betrage am südlichen Ende des Bauvorhabens nahezu 15 m. Das Anschneiden des Hanggeländes mit einer so hohen Stirnfront stelle eine hohe technische Herausforderung dar und sei überhaupt nur mit besonderen sicherheitstechnischen Vorkehrungen, wie z.B. mit starken Bohrpfählen und zusätzlicher ausreichender Verankerung mit Erdankern in mehreren Höhenlagen, möglich. Im Fall der Aufhebung des Baubewilligungsbescheides sei eine Wiederherstellung des ursprünglichen Hanggeländes bei einem derart hohen Geländeanschnitt technisch praktisch nicht möglich. Ein alleiniges Wiederauffüllen eines derart tiefen Aushubes könne auch bei noch so guter Verdichtung des Schuttmaterials dem dann auf Dauer wirksam werdenden aktiven Erddruck des Hanges nicht widerstehen. Eine zeitlich gebundene, langsame, aber ständige Bewegung des gesamten Hanges bis hin zu einem Hangbruch wäre kaum hintanzuhalten.

Die belangte Behörde hat in einer Stellungnahme vom 20. September 2011 ausgeführt, dass zwingende, von ihr wahrzunehmende öffentliche Interessen durch die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht berührt würden.

Die mitbeteiligte Partei hat in einer Stellungnahme vom 29. September 2011 im Wesentlichen ausgeführt, es könne keine Rede davon sein, dass die Planung der Bauordnung widerspreche und sich die Bauwerberin dessen bewusst sei. Im Übrigen hätte der potentielle Käufer die gleiche Rechtsposition wie der Beschwerdeführer, sodass keine gesonderte Schutzwürdigkeit gegeben sei. Der Beschwerdeführer belege ferner nicht, dass die Liegenschaft tatsächlich sein einziges wesentliches Vermögen sei. Der Beschwerdeführer verfüge, soweit der mitbeteiligten Partei bekannt sei, über Zweit- und Drittwohnsitze. Als Wirtschafts- und Medienanwalt habe er seinerzeit auch große Wirtschaftstransaktionen juristisch betreut. Im Übrigen sei das von der mitbeteiligten Partei zu errichtende Gebäude bereits vollständig geplant und ein Baubeginn bereits erfolgt. Eine Stilllegung der Baustelle würde Pönalzahlungen in existenzbedrohendem Ausmaß nach sich ziehen. An Anlaufkosten für das Grundstück sowie vollständige Planungs- und Abrisskosten seien bisher EUR 2 Mio aufgelaufen. Die Finanzierung des Projektes sei auf der Grundlage einer günstigen Zinssituation vereinbart worden. Im Fall der Verzögerung sei mit einer wesentlichen Schlechterstellung der mitbeteiligten Partei zu rechnen. Eine verspätete Verwertung würde die mitbeteiligte Partei mit einem Zinsaufwand und Zinsentgang in der Höhe von zumindest EUR 400.000,-

- treffen. Außerdem würde es der mitbeteiligten Partei unmöglich gemacht, auf der Liegenschaft K-Gasse 89, die sich unmittelbar vor der gegenständlichen Liegenschaft K-Gasse 89a befinde, trotz rechtskräftiger Baubewilligung ein Gebäude zu errichten, da die Zufahrt für Baugeräte zum gegenständlichen Grundstück blockiert wäre. Somit würde sich der Schaden noch einmal verdoppeln, da auf der Liegenschaft K-Gasse 89a ein ähnliches Gebäude nur frühestens zum gleichen Zeitpunkt errichtet werden könne. Da die Bauführungen auf den Liegenschaften K-Gasse 89a und K-Gasse 89 als ein Projekt geplant und ausgeführt werden sollten, würde sich der gegenständliche Gesamtschaden auf mindestens EUR 700.000,-- Zinsaufwand und Zinsentgang sowie die vollständigen Grund- und Planungskosten auf über EUR 3 Mio erhöhen. Der mitbeteiligten Partei drohten daher Nachteile in beträchtlicher Höhe, die sie auch im Falle einer Abweisung der Beschwerde nicht ersetzt bekäme.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Soweit der Beschwerdeführer unverhältnismäßige wirtschaftliche Nachteile vorbringt, ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht ausreichend konkretisiert. Der Beschwerdeführer hätte nämlich eine nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers machen müssen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 6. Oktober 2006, Zl. AW 2006/05/0065, mwN).

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 19. Mai 2009, Zl. AW 2009/05/0020, mwN). Ausgehend davon, dass es in diesem Provisorialverfahren nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geht, sondern einzig um die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Bescheides, ist im Beschwerdefall davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Verfahren die vom Bauvorhaben ausgehenden Gefahren geprüft hat. Die für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung genannten Gründe des Beschwerdeführers stellen sich als nicht nachvollziehbare Behauptungen dar, die nicht durch entsprechende Bescheinigungsmittel vom Beschwerdeführer untermauert wurden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der Baubewilligung im Zuge der Bauführung zum Zweck der Baugrubensicherung mehrfach ausgesteifte Bohrpfahlwände hergestellt werden. Außerdem hat sich der Bauwerber gemäß § 124 Abs. 1 der Bauordnung für Wien zur Ausführung aller baubewilligungspflichtigen Bauarbeiten eines Bauführers zu bedienen, der nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist.

Die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Juni 2006, Zl. AW 2006/05/0052, mwN). Während die massiven Interessen der Bauwerberin an der Umsetzung der Baubewilligung auf der Hand liegen (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Juli 2006, Zl. AW 2006/05/0044), hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt, dass die geplante Bauführung irreversible Veränderungen mit sich bringen würde. Im Falle des Obsiegens des Beschwerdeführers hat allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit eines inzwischen ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen. Die Behörde wäre von Amts wegen verpflichtet, für die Beseitigung eines konsenslos errichteten Baues zu sorgen; Nachteile für den Beschwerdeführer sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, weshalb der durch die Ausübung der Berechtigung zu erwartende Nachteil unverhältnismäßig sein soll (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Juni 2006, Zl. AW 2006/05/0052).

Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Wien, am 19. Oktober 2011

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