VwGH AW 2001/10/0030

VwGHAW 2001/10/003021.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Umweltanwaltes des Landes Steiermark, der gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. April 2001, Zl. 6- 54 R 4/36-2001, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs6;
NatSchV Riesachtal 1987;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs6;
NatSchV Riesachtal 1987;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 5 Abs. 6 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65, idF LGBl. Nr. 35/2000, in Verbindung mit der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Dezember 1987 über die Erklärung des Riesachtales in den Schladminger Tauern zum Naturschutzgebiet die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung für die Errichtung eines Almweges von der K-Alm bis zur W-Alm in der KG U, Gemeinde R, Naturschutzgebiet XIV "Riesachtal", entsprechend einem mit Sichtvermerk versehenen Plansatz unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Begründend wird dargelegt, dem Ansuchen der Mitbeteiligten seien "zahlreiche Begehungen und Lokalaugenscheine vorausgegangen, in denen eine neue, noch naturverträglichere und umweltschonendere Trasse erarbeitet" worden sei. Dies sei deshalb notwendig gewesen, da "die früheren Trassenführungen den qualitativen Anforderungen eines Naturschutzgebietes nicht entsprochen hatten und daher aus fachlicher Sicht immer abgelehnt wurden". Im Gegensatz zu den früher projektierten Trassenführungen habe die neue Trasse wesentlich weniger Kehren, verlaufe länger im Wald (wodurch ein besserer Sichtschutz gegeben sei) und kreuze außerdem den Wanderweg erst knapp vor der Hütte (gemeint: P-Hütte), wodurch der alte Touristensteig weitgehend erhalten und für die Wanderer weiterhin benützbar bleibe. Die belangte Behörde habe "aufgrund der neuen Tatsachen sodann ein Privatgutachten von der Firma K. & Partner Consulting eingeholt, was seinen Grund im Wesentlichen darin hatte, dass sich die im Haus zuständigen Amtssachverständigen für befangen erklären mussten". Nach wörtlicher Wiedergabe von Darlegungen, die von der belangten Behörde als "Befund und Gutachten von Herrn Dipl.Ing. K., Privatgutachter" bezeichnet werden, schließt die Begründung mit dem Satz, es sei gemäß § 5 Abs. 6 von der Behörde eine Ausnahme vom Verbot des § 5 Abs. 5 zu bewilligen, weil der Eingriff keine die Natur schädigende, das Landschaftsbild verunstaltende oder den Naturgenuss beeinträchtigende Eingriffe enthalte und somit auch nicht dem Verschlechterungsverbot der EU-Richtlinien widerspreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Umweltanwaltes des Landes Steiermark, die mit einem Antrag verbunden ist, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. In der Begründung des Aufschiebungsantrages legt der Beschwerdeführer unter anderem dar, die vom Wegebauvorhaben der Mitbeteiligten unmittelbar in Anspruch genommenen Naturschutzgebiete XIV (Riesachtal) und XI (Klafferkessel) zählten zu den bedeutendsten Schutzgebieten in der alpinen Landschaft Österreichs. Sie seien von bemerkenswerter Ursprünglichkeit, einzigartiger Schönheit und großem Erholungswert. Dem mit der Beschwerde vorgelgten Gutachten sei zu entnehmen, dass durch die geplante Wegtrasse infolge der Eingriffsbreiten bis zu 18 m eine nachhaltige Störung des Landschaftsbildes und des Naturgenusses erfolge. Das Wegprojekt könne darüber hinaus das Verschwinden von störungsempfindlichen Brutvögeln wie Steinadler, Wanderfalke und Birkhuhn aus dem Schutzgebiet bewirken. Mit der Gebrauchnahme von der erteilten Ausnahmebewilligung, mit der unmittelbar nach der Schneeschmelze zu rechnen sei, würde die landschaftliche Schönheit und die besondere, weitestgehende ursprünglich gebliebene Charakteristik des Riesachtales und des Klafferkessels schwerstens geschädigt und deren Erholungswert entscheidend vermindert.

Die belangte Behörde hat in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass dem vom Umweltanwalt gestellten Antrag keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden. Die mitbeteiligte Partei legte dar, der Wegebau sei für die betroffenen Landwirte von existentieller Bedeutung. Eine Verzögerung des Baues würde ihren Betrieb wirtschaftlich gefährden. Es liege im öffentlichen Interesse, den Fortbestand jener Betriebe zu sichern, denen bei der Pflege und Erhaltung der Almen und Kulturlandschaft sowie der ökologischen Landwirtschaft maßgebliche Bedeutung zukäme. Der Weg würde keinen die Natur schädigenden, das Landschaftsbild verunstaltenden oder den Naturgenuss beeinträchtigenden Eingriff darstellen. Zum einen werde auf das Gutachten der K & Partner Consulting hingewiesen, zum anderen in Erinnerung gerufen, dass zum typischen Landschaftsbild des Riesachtales auch jenes der Almbewirtschaftung gehöre. Inwiefern ein in der Natur eingebetteter kaum sichtbarer Almweg störend wirken solle, sei nicht nachvollziehbar. Zudem übersehe der Beschwerdeführer, dass es im Zuge der Wegführung zu einer zusätzlichen Begrünung und somit sogar zu einer optischen Verbesserung kommen werde. Es werde nicht erwähnt, dass schon jetzt ein bereits seit langem bestehender Weg bis ca. 700 m direkte Linie vor die Preintalerhütte verlaufe, der kaum sichtbar sei und optisch in keiner Weise störend wirke. Es sei auch nicht richtig, dass "ein Weg als solcher" das Verschwinden von störungsempfindlichen Brutvögeln bewirken solle. Das Riesachtal werde täglich von hunderten Touristen frequentiert. Der Steinadler brüte nicht im Bereich der Wegführung. Für Birk- und Auerhahn würde sich eine zusätzliche Begründung eher positiv auswirken.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Zwingende öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, sind nicht zu sehen. Es ist daher in die gemäß § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehene Interessenabwägung einzutreten. Dabei ist unter dem "für den Beschwerdeführer verbundenen Nachteil" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG ein Nachteil für die vom Landesumweltanwalt wahrzunehmenden öffentlichen Interessen des Umweltschutzes zu verstehen (vgl. den Beschluss vom 23. Oktober 1997, Zl. AW 97/10/0037).

Ein ins Gewicht fallendes Interesse an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre insbesondere dann zu bejahen, wenn das Vorhaben als Maßnahme anzusehen wäre, durch die die Natur geschädigt, das Landschaftsbild verunstaltet oder der Naturgenuss gestört werde (vgl. § 2 Abs. 1 NSchG). Der Beschwerdeführer versucht die in der Bescheidbegründung vertretene Auffassung, dass dies nicht der Fall wäre, unter anderem mit Hilfe von Befund und Gutachten eines Sachverständigen zu widerlegen. Ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG liegt vor, wenn zumindest die Möglichkeit nachteiliger Einwirkungen durch den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes, die die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, besteht. Im vorliegenden Fall kann ohne Vorgriff auf die Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass mit der Verwirklichung des Vorhabens der Mitbeteiligten eine die Erheblichkeitsschwelle überschreitende Schädigung der Natur, Verunstaltung des Landschaftsbildes oder Störung des Naturgenusses verbunden wäre, die nicht mehr leicht beseitigt werden könnte. Der Beschwerde war daher gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. Mai 2001

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