VwGH 99/21/0301

VwGH99/21/030115.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des 1967 geborenen C, vertreten durch Dr. Hans Christian Nemetz, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Uchatiusgasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Juli 1999, Zl. UVS- 03/P/15/03176/98, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit wegen Bestrafung nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §41;
VwGG §46 Abs1 impl;
AVG §62 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §41;
VwGG §46 Abs1 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 27. Juli 1999 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist ab.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 29. September 1997 von der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, einer Übertretung des § 22 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (FrG), iVm § 82 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt worden sei. Weiters sei ihm gemäß § 64 VStG ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von S 100,-- (10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben worden.

Laut Strafverhandlungsschrift vom 29. September 1997 sei dieses Straferkenntnis samt Rechtsmittelbelehrung vom Leiter der Amtshandlung in Anwesenheit einer Schriftführerin und unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die englische Sprache dem Beschwerdeführer gegenüber an diesem Tag mündlich verkündet worden. Dieser habe dazu keine Erklärung abgegeben und die Unterschrift ohne Angabe von Gründen verweigert. Eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides habe er nicht verlangt. Da keine Berufung eingebracht worden sei, sei dieses Straferkenntnis mit Ablauf des 13. Oktober 1997 in Rechtskraft erwachsen.

Unter dem Datum 5. August 1998 sei an den Beschwerdeführer eine Mahnung zur Bezahlung der verhängten Geldstrafe ergangen.

Mit Schreiben vom 10. August 1998 habe der Beschwerdeführer "gemäß § 71 AVG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens" gestellt und gleichzeitig Berufung erhoben. Dazu habe er ausgeführt, er wäre durch ein unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen, fristgerecht Berufung zu erheben. Er hätte sich zu dieser Zeit in Schubhaft befunden und spräche kein Deutsch und wäre daher nicht in der Lage gewesen, den Inhalt des Straferkenntnisses zu verstehen bzw. er wäre sich nicht bewusst gewesen, dass jemals ein Straferkenntnis gegen ihn erlassen worden wäre. Durch die Mahnung wäre er das erste Mal über die Existenz eines Straferkenntnisses informiert worden und wolle dagegen "Einspruch und Berufung" erheben. Er hielte sich nicht unrechtmäßig in Österreich auf, ihm wäre vielmehr auf Grund der tatsächlichen Unmöglichkeit seiner Abschiebung ein Abschiebungsaufschub gewährt worden.

Mit Bescheid vom 18. August 1998 - so begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weiter - habe die Erstbehörde den Antrag vom 12. August 1998 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG abgewiesen.

Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers sei nicht nachvollziehbar, weil ihm gegenüber, der Strafverhandlungsschrift vom 29. September 1997 zu Folge, die gemäß § 15 AVG vollen Beweis liefere, an diesem Tag das Straferkenntnis samt Rechtsmittelbelehrung mündlich verkündet worden sei. Diese Strafverhandlungsschrift sei sowohl vom Leiter der Amtshandlung, als auch von der Schriftführerin und vor allem von der Dolmetscherin für die englische Sprache unterfertigt worden. Dass er seine Unterschrift ohne Angabe von Gründen verweigert habe, was entsprechend beurkundet worden sei, schade der Beweiskraft nicht.

Mit ihrer Unterschrift habe die Dolmetscherin bestätigt, die Strafverhandlungsschrift samt dem Straferkenntnis inklusive Rechtsmittelbelehrung übersetzt zu haben. Damit habe der Beschwerdeführer jedoch Kenntnis vom Inhalt des Straferkenntnisses und der Möglichkeit, dagegen rechtzeitig Berufung zu erheben, gehabt. Er habe nicht einmal behauptet, dass ihm das Straferkenntnis nicht übersetzt worden wäre. Er habe auch nicht vorgebracht, eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses bzw. eine Abschrift der mit ihm aufgenommenen Strafverhandlungsschrift überhaupt verlangt zu haben, um sich das behördliche Handeln allenfalls nochmals und genauer erklären zu lassen.

Es wäre somit an ihm gelegen, sich in der Schubhaft konsequent vor allem um die Erlangung einer entsprechenden Hilfestellung und um die fristgerechte Erhebung einer Berufung zu bemühen. Dass er derartige Bemühungen gesetzt hätte, sei seinem Wiedereinsetzungsantrag jedoch nicht zu entnehmen.

Von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis bzw. einem minderen Grad des Versehens habe daher im gegenständlichen Falle keinesfalls die Rede sein können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung hat im Fall der Versäumung einer Frist die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Tatsache der Verkündung des gegen ihn erlassenen Strafbescheides, er bringt aber vor, dass er die Tragweite des Straferkenntnisses nicht erkannt habe und auch intellektuell nicht erfassen hätte können, weshalb er während seiner Schubhaft nicht in der Lage gewesen wäre, sich um die Erlangung einer entsprechenden Hilfestellung und um die fristgerechte Erhebung einer Berufung zu bemühen.

Dem ist mit den Ausführungen der belangten Behörde zu entgegnen, dass bei der in Frage stehenden mündlichen Verhandlung eine Dolmetscherin für die englische Sprache anwesend war, die durch ihre Unterschrift bestätigt hat, die Strafverhandlungsschrift samt Rechtsmittelbelehrung übersetzt zu haben. Auch Letzteres wird im Übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Auch sonst ergeben sich keine Gründe anzunehmen, dass der Beschwerdeführer sich nicht über die Tragweite des Straferkenntnisses im Klaren hätte sein können, und der vom Beschwerdeführer behauptete Irrtum stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. die unter E 114 ff zu § 71 bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, 2. Auflage 1998, angeführte hg. Rechtsprechung).

Auch die verhängte Schubhaft ist kein Grund, der es zuließe, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als einen minderen Grad des Versehens zu werten. Auch das Zusammentreffen mit seinen mangelnden Sprachkenntnissen vermag ohne das Hinzutreten eines ihn konkret treffenden Hinderungsgrundes, der über die allgemeine Situation eines in Schubhaft befindlichen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Fremden hinausgeht, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0110).

Nachdem die mündliche Erlassung des Straferkenntnisses gemäß § 62 Abs. 2 AVG ordnungsgemäß beurkundet wurde, ist mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nicht über das Recht belehrt worden, binnen dreier Tage eine schriftliche Bescheidausfertigung zu verlangen, schon deshalb nichts gewonnen, weil die allfällige Unterlassung dieser Belehrung nicht die Unwirksamkeit eines mündlichen Bescheides zur Folge hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0004, und die bei Walter/Thienel, a.a.O. zu § 62 AVG angeführte Rechtsprechung).

Die Beschwerde war daher nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 15. Oktober 2002

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