VwGH 99/21/0266

VwGH99/21/026624.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des am 1. Juni 1978 geborenen E in Wien, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1999, Zl. Fr 366/99, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z12;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z17;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §6;
FrG 1997 §33 Abs1;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z12;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z17;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §6;
FrG 1997 §33 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 21. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Sierra Leone, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG 1997, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 21. November 1998 illegal, versteckt in einem LKW, unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist sei. Er sei weder im Besitz eines Sichtvermerkes noch eines Reisepasses gewesen. Am 22. November 1998 habe der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, einen Asylantrag gestellt. Dieser Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Jänner 1999 als unbegründet abgewiesen worden; dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, welche beim Unabhängigen Bundesasylsenat noch anhängig sei. (Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass die auf § 6 Z. 3 Asylgesetz 1997 gegründete Entscheidung des Bundesasylamtes mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Februar 1999 aufgehoben worden ist, sodass das Asylverfahren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder beim Bundesasylamt anhängig war.) Betreffend den Fluchtweg habe der Beschwerdeführer keine näheren Angaben gemacht.

Trotz des anhängigen Asylverfahrens sei dem Beschwerdeführer keine Bescheinigung gemäß § 19 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden. Im Zuge der asylbehördlichen Ersteinvernahme habe der Beschwerdeführer unglaubwürdige und zum Teil widersprüchliche Angaben gemacht. Da ihm nach asylbehördlichen Bestimmungen ein Aufenthaltsrecht nicht zukomme und er keinen aufenthaltsrechtlichen Titel nach dem Fremdengesetz nachweisen könne, halte sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle einen schwer wiegenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung, insbesondere gegen die fremdenrechtlichen Bestimmungen über den Aufenthalt Fremder in Österreich dar. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Dies umso mehr in einer Zeit, in der, wie in jüngster Vergangenheit unübersehbar geworden, der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunehme. Um den mit diesem Phänomen verbundenen, zum Teil gänzlich neuen Problemstellungen in ausgewogener Weise Rechnung tragen zu können, gewönnen die für Fremde vorgesehenen Rechtsvorschriften zunehmend an Bedeutung, zumal den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Für die belangte Behörde sei nicht erkennbar, wie der Beschwerdeführer in Österreich ohne aufenthaltsrechtlichen Titel und arbeitsmarktrechtliche Bewilligung sein Dasein fristen möchte. Personen mit derartigen Zukunftsperspektiven stellten eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit des Landes dar. Der Beschwerdeführer könne seinen Aufenthalt in Österreich vom Inland her nicht legalisieren. Er zeige sich in keiner Weise ausreisewillig, weshalb die Ausweisung das gelindeste taugliche Mittel zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes darstelle. Eine allfällige Aufforderung zum freiwilligen Verlassen des Landes erscheine in seinem Fall nicht zielführend. Diesen wichtigen öffentlichen Interessen könnten keine Umstände gegenüber gestellt werden, die für eine "positive Anwendung" der Kann-Bestimmung des § 33 Abs. 1 FrG zu seinen Gunsten sprächen. Es lägen keinerlei längere rechtmäßige Aufenthalte und kein besonderer Österreichbezug vor. Würde man im Fall des Beschwerdeführers von einer Ausweisung absehen, so würde er durch kontinuierlichen weiterfolgenden unrechtmäßigen Aufenthalt den bestehenden rechtswidrigen Zustand aufrechterhalten. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verhältnisse in seinem Heimatstaat seien in einem Ausweisungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Insofern sehe sich die belangte Behörde außer Stande, unter Berücksichtigung der "Kann-Bestimmung" des § 33 Abs. 1 FrG von der Verhängung einer Ausweisung Abstand zu nehmen. Es sei kein maßgebliches Familien- und Privatinteresse des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG feststellbar gewesen; daher sei auch nicht das Dringend-Geboten-Sein der Ausweisung zu prüfen gewesen.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wird dessen Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil ihm im Hinblick auf § 19 des Asylgesetzes 1997 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme. Eine Abweisung seines Asylantrages als "offensichtlich unbegründet" im Sinn des § 19 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 liege nicht vor. Über die Frage der Zuerkennung und Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 des Asylgesetzes 1997 sei noch nicht entschieden. Es handle sich hier um eine Vorfrage, welche die Hauptfrage in einem anderen Verfahren, nämlich im Asylverfahren, sei. Die belangte Behörde hätte die Entscheidung der Asylbehörde über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung abwarten oder selbst die vorläufige Aufenthaltsberechtigung bejahen müssen. Das Vorliegen einer Bescheinigung gemäß § 19 Abs. 2 AsylG sei dafür nicht Voraussetzung.

Die Ausweisung des Beschwerdeführers sei auch angesichts des in § 33 Abs. 1 FrG vorgesehenen Ermessens nicht rechtmäßig. Der Beschwerdeführer sei ohne sein Verschulden nicht im Besitz eines Reisedokumentes und habe keine Möglichkeit, diesen Zustand zu ändern. Die bekämpfte Ausweisung stehe im Widerspruch zu den Pflichten, die den Beschwerdeführer als Asylwerber nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 träfen. Demnach sei er von Gesetzes wegen verpflichtet, sich stets zur Verfügung der Asylbehörde zu halten, Ladungen Folge zu leisten, alle erforderlichen Angaben zu machen, sich nötigenfalls einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, etc. Das Asylgesetz räume ihm darüber hinaus auch Rechte ein, beispielsweise jenes, Anträge und Rechtsmittel an die Asylbehörde zu richten oder mit der Behörde oder einem (Rechts-)Vertreter Kontakt zu pflegen. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, dass er diese Rechte und Pflichten dadurch entwertet hätte wissen wollen, dass Asylwerber noch während des anhängigen Asylverfahrens ausgewiesen oder gar abgeschoben würden. Gerade in seinem Fall seien die Aussichten auf Asylgewährung als sehr günstig zu beurteilen, zumal der Unabhängige Bundesasylsenat seiner Berufung bereits einmal Folge gegeben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen habe.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid schließlich auch im Hinblick auf § 37 FrG für rechtswidrig, weil seine Ausweisung im Sinn dieser Bestimmung nicht dringend geboten sei.

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 und des Asylgesetzes 1997 haben folgenden Wortlaut:

FremdenG 1997

"Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel

§ 33. (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

...

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 37. (1) Würde durch eine Ausweisung gemäß den §§ 33 Abs. 1 oder 34 Abs. 1 und 3 oder durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist."

Asylgesetz 1997

"Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit

§ 4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

...

Offensichtlich unbegründete Asylanträge

§ 6. Asylanträge gemäß § 3 sind als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat

1. sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht oder

2. die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist oder

3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder

4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken oder

5. im Herkunftsstaat auf Grund der allgemeinen politischen Verhältnisse, der Rechtslage und der Rechtsanwendung in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe besteht.

...

Vorläufige Aufenthaltsberechtigung

§ 19. (1) Asylwerber, die sich - sei es auch im Rahmen einer Vorführung nach Anreise über einen Flugplatz oder nach direkter Anreise aus dem Herkunftsstaat (§ 17 Abs. 1) - im Bundesgebiet befinden, sind vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, es sei denn, ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Vorgeführte Asylwerber dürfen jedoch dazu verhalten werden, sich zur Sicherung einer Zurückweisung während der der Grenzkontrolle folgenden Woche an einen bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich oder im Bereich des Bundesasylamtes aufzuhalten; solche Asylwerber dürfen jedoch jederzeit ausreisen.

(2) Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, haben die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erst, wenn sie von der Behörde zuerkannt wird. Die Behörde hat solchen Asylwerbern, deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist, unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen.

(3) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist Asylwerbern, denen die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt, von Amts wegen zu bescheinigen. Der Bundesminister für Inneres hat mit Verordnung das Aussehen der Bescheinigung festzulegen. Die Bescheinigung ist mit einer Gültigkeitsdauer von höchstens drei Monaten zu versehen, die jeweils um höchstens drei Monate verlängert werden darf.

(4) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung endet, wenn das Asylverfahren eingestellt oder rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Bescheinigung ist dann vom Bundesasylamt oder von der Fremdenpolizeibehörde einzuziehen.

...

Schutz vor Aufenthaltsbeendigung

§ 21. (1) Auf Asylwerber findet - soweit im Folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie

1. den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;

2. den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben.

(2) Ein Asylwerber darf nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat, ist nicht zulässig; Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Antrag - wenn auch nicht rechtskräftig - abgewiesen oder zurückgewiesen worden ist und das Ergebnis der non-refoulement-Prüfung dem nicht entgegensteht und die Identität des Asylwerbers nicht geklärt ist.

(3) Fremde, deren Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde, dürfen in den Herkunftsstaat nur zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, wenn die Asylbehörde rechtskräftig festgestellt hat, dass dies nach § 57 FrG zulässig ist."

Diese Bestimmungen wurden in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Asylgesetz 1997, 686 BlgNR 20. GP 24f, wie folgt erläutert:

"Zu § 19:

Das Rechtsinstitut der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung soll der Rolle einer Sicherungsmaßnahme für potenziell Verfolgte bis zur Entscheidung im Asylverfahren gerecht werden. Dies bedeutet, dass die vorläufige Aufenthaltsberechtigung - unabhängig von einer Einbringungsfrist - grundsätzlich immer entstehen soll, wenn eine Verfolgungsgefahr im Einzelfall nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist. Eine Verfolgungsgefahr ist insbesondere dann mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, wenn über einen Asylantrag bereits negativ entschieden wurde, ohne dass sich der maßgebliche Sachverhalt in der Zwischenzeit geändert hätte. ... Die vorgeschlagene Bestimmung entspricht Abschnitt IV Z 12 der Entschließung des Rates der Europäischen Union über Mindestgarantien für Asylverfahren. Nach dieser Regelung gilt der allgemeine Grundsatz, wonach der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates, in dem der Asylantrag gestellt worden ist oder geprüft wird, bleiben kann, solange noch keine Entscheidung über den Asylantrag ergangen ist. Eine vergleichbare Formulierung findet sich auch in Z 17 der Entschließung des Rates der Europäischen Union über die Mindestgarantien für Asylverfahren vom 20. Juni 1995."

Die Z. 12, 16 und 17 der Entschließung des Rates vom 20. Juni 1995 über Mindestgarantien für Asylverfahren, Amtsblatt Nr. C 274 vom 19. September 1996, S. 13 ff, lauten:

"12. Solange noch keine Entscheidung über den Asylantrag ergangen ist, gilt der allgemeine Grundsatz, wonach der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem der Asylantrag gestellt worden ist oder geprüft wird, bleiben kann.

...

16. Der Asylbewerber verfügt über eine hinreichende Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Vorbereitung seiner Argumentation, wenn er die Überprüfung der Entscheidung beantragt. Diese Fristen werden dem Asylbewerber rechtzeitig mitgeteilt.

17. Solange noch keine Entscheidung über das Rechtsmittel ergangen ist, gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Asylbewerber im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats bleiben kann. Wenn das nationale Recht eines Mitgliedstaats in bestimmten Fallen eine Ausnahme von diesem Grundsatz zulässt, sollte der Antragsteller zumindest die Möglichkeit haben, bei den in Grundsatz Nr. 8 genannten Stellen (Gericht bzw. unabhängige Überprüfungsinstanz) wegen der besonderen Umstände seines Falles die Erlaubnis zu beantragen, vorläufig wahrend des Verfahrens vor diesen Stellen im Hoheitsgebiet des Staates verbleiben zu können; bis zur Entscheidung über diesen Antrag darf keine Rückführung erfolgen."

Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 und dem aus den dargestellten Gesetzesmaterialien erkennbaren Zweck dieser Bestimmung ist der Schluss zu ziehen, dass auch unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereisten Asylwerbern eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gewährt werden soll, außer es liegt eine Entscheidung darüber vor, dass der Asylantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Dies geht aus dem in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 19 Asylgesetz 1997 zum Ausdruck gebrachten Grundsatz hervor, dass eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung immer dann bestehen soll, wenn eine Verfolgungsgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist. Von einer solchen hinreichenden Sicherheit kann aber erst dann gesprochen werden, wenn der Asylantrag von der zuständigen Behörde erster Instanz geprüft, sie eine Entscheidung nach den §§ 4, 5 oder 6 Asylgesetz 1997 getroffen hat und diese Entscheidung noch aufrecht ist. Aus den angeführten Erläuterungen geht auch hervor, dass sich der Gesetzgeber bei Erlassung des § 19 Asylgesetz 1997 an die Z. 12 und 17 der angeführten Entschließung des Rates über Mindestgarantien für Asylverfahren orientiert hat und diesen Bestimmungen entsprechen wollte. § 19 leg. cit. ist daher - ebenso wie die im vorliegenden Fall als Grundlage der Ausweisung eines Asylwerbers angewendete Vorschrift des § 33 Abs. 1 FrG - vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen auszulegen und anzuwenden. Von daher gesehen kann es nicht als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Fremdenbehörde, ohne dass eine Entscheidung darüber vorliegt, dass der Asylantrag des Fremden unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, von ihrer Ermächtigung zur Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch macht.

Im vorliegenden Fall war der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Jänner 1999 gemäß § 6 Z. 3 des Asylgesetzes 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden. Dieser Bescheid wurde jedoch mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Februar 1999 aufgehoben. Eine Entscheidung über die Frage, ob eine Verfolgungsgefahr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, lag damit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht (mehr) vor. Die belangte Behörde hat daher, indem sie gegen den Beschwerdeführer die Ausweisung zu einem Zeitpunkt verfügt hat, in dem keine Entscheidung der Asylbehörde erster Instanz vorlag, dass der Asylantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet war, die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 2000

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