Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, beantragte am 28. April 1999 Asyl. Nach dem Inhalt der Beschwerde und der mit dieser vorgelegten Ausfertigung des bekämpften Bescheides hat das Bundesasylamt diesen Asylantrag mit Bescheid vom 18. Juni 1999 gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz als offensichtlich unbegründet abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in den nicht näher bezeichneten "Herkunftsstaat" zulässig sei. Dagegen erhob der Mitbeteiligte fristgerecht Berufung.
Mit dem nunmehr vom Bundesminister für Inneres bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 23. September 1999 wurde dieser Berufung gemäß § 32 Abs. 2 AsylG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass das Bundesasylamt die Abweisung des Asylantrages darauf gestützt habe, der Beschwerdeführer wäre entgegen seinen Angaben nicht Staatsangehöriger von Sierra Leone. Der Beschwerdeführer wäre - nach der Begründung der Behörde erster Instanz - in der Lage gewesen, über Sierra Leone "einzelne Details zu nennen, die ohne weiteres auswendig gelernt werden könnten und von Asylwerber zu Asylwerber weitergegeben würden". Nach Auffassung des Bundesasylamtes hätte der Asylwerber keine ausreichenden Angaben über die Dinge des täglichen Lebens machen können. Er hätte die Stadt Freetown nicht so beschreiben können, wie es eine Person nach 17-jährigem Aufenthalt hätte können müssen. Betreffend die Regenzeit, die tatsächliche geographische Lage von Freetown und hinsichtlich etwaiger Landesspeisen bzw. Getränke hätte der Asylwerber "absolut keine Angaben" machen können. Das tatsächliche Heimatland des Mitbeteiligten hätte das Bundesasylamt deshalb nicht feststellen können, weshalb der Beschwerdeführer in seinem tatsächlichen Herkunftsstaat, welcher dies auch immer sei, keiner Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgesetzt wäre.
Der Mitbeteiligte sei vom Bundesasylamt zwar in Englisch, allerdings nicht in der für "Sierra Leone typischen Art" dieser Sprache, nämlich "Krio", einvernommen und auch nicht zu seinen Fluchtgründen befragt worden.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Mitbeteiligte geltend gemacht, der Dolmetscher hätte sehr schnell und undeutlich in einem Englisch gesprochen, welches in Sierra Leone nicht gebräuchlich wäre. Er selbst spräche "Krio", welches "eine Art von Englisch" wäre, wie es in Sierra Leone gesprochen würde. Das Bundesasylamt hätte sich in seiner Begründung darauf gestützt, er habe die geographische Lage einiger Orte bzw. Gebäude nicht beschreiben können. Es wäre aber nicht berücksichtigt worden, dass er nur die Grundschule vier Jahre lang besucht und nur in unmittelbarer Umgebung seines Wohnhauses gelebt hätte, welches er "praktisch nie verlassen" hätte.
Die belangte Behörde gelangte nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, in der der Mitbeteiligte "in der Sprache Krio" einvernommen worden sei, sowie nach Beischaffung von Berichten des U.S. Department of State vom 26.2.1999 "über die Menschenrechtssituation in Sierra Leone im Jahr 1998 (Beilage I)" und der "Österreichischen Botschaft in Abidjan vom 30.4.1999 über die Situation in Sierra Leone (Beilage II)" zu der Feststellung, dass "der Asylwerber Staatsangehöriger von Sierra Leone ist und zuletzt in Freetown war". Seine Muttersprache sei "Krio". Der Mitbeteiligte sei im Jänner 1999 von Rebellen der "RUF" aus seiner Heimatstadt Freetown nach Waterloo verschleppt und dort 2 1/2 Monate lang festgehalten" worden. Bei einem Gegenangriff der ECOMOC-Truppen und der "regierungstreuen Kämpfer (sog. Kamajors)" sei dem Mitbeteiligten die Flucht gelungen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimatstadt Freetown fürchte der Asylwerber Verfolgung durch die Regierung und in der Nachbarschaft lebende Personen, dies im Hinblick darauf, dass den örtlichen Behörden die - unrichtige - Information zugetragen worden sei, der Asylwerber hätte sich freiwillig den Rebellen angeschlossen. Der Mitbeteiligte fürchte aber auch die Verfolgung durch die Rebellen der RUF, da er aus deren Lager in Waterloo geflohen sei.
Diese Feststellungen begründete die belangte Behörde damit, dass sich während der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung mit einem Dolmetscher für die Sprache "Krio" gezeigt habe, der Mitbeteiligte beherrsche diese Sprache; er habe sich mit dem Dolmetscher einwandfrei verständigen können. Daraus sei der Schluss zu ziehen, die Angaben des Mitbeteiligten zu seiner Muttersprache und zu seiner Herkunft aus Sierra Leone seien zutreffend. Im Übrigen habe der Mitbeteiligte auch Fragen nach bestimmten örtlichen Gegebenheiten in Freetown, und zwar nach der Lage des Stadions und nach dem Stadtzentrum von Freetown ohne zu zögern richtig beantworten können. Des Weiteren stünden die von ihm geschilderten Ereignisse (Überfall der Rebellen auf die Stadt Freetown im Jänner 1999, Verschleppung von Zivilisten und anschließende Rückeroberung durch ECOMOC-Truppen bzw. "sog. Kamajors" völlig im Einklang mit den der erkennenden Behörde vorliegenden Berichten (Beilage I und II). Diesbezüglich sei insbesondere auf die Ausführungen auf Seite 13 der Beilage II zu verweisen. An dieser Stelle würden die Ereignisse im Kampf um die Stadt Freetown völlig in Übereinstimmung mit den Angaben des Asylwerbers geschildert.
In rechtlicher Hinsicht sei daraus zu folgern, dass die vom Bundesasylamt auf § 6 Z 3 AsylG gestützte Annahme, der Asylantrag sei offensichtlich unbegründet, nicht zutreffe.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.
Den Antrag in der Beschwerde, den Bescheid der belangten Behörde als rechtswidrig aufzuheben, begründete der beschwerdeführende Bundesminister zunächst damit, dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid auf zwei Beilagen verweise, diese der Bescheidausfertigung jedoch nicht angeschlossen habe, weshalb schon aus diesem Grund der Bescheid mangelhaft begründet sei. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei aber auch unschlüssig, weil aus dem Umstand, dass jemand eine Sprache beherrsche, nicht ohne weiteres geschlossen werden könne, dies sei seine Muttersprache. Er könne sich die Kenntnisse "ja auch anderweitig angeeignet haben". Deshalb, weil jemand "Krio" beherrsche, sei nicht zwingend zu schließen, dass er aus Sierra Leone komme. Auch das weitere Argument, der Beschwerdeführer habe bei der mündlichen Verhandlung korrekte Angaben zu den örtlichen Gegebenheiten in Sierra Leone machen können, sei nicht überzeugend. Der Mitbeteiligte habe sich in der Zeit nach seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt bis zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde die entsprechenden Kenntnisse (etwa mit Hilfe von Plänen und/oder Ratschlägen von Personen) verschaffen können. Die belangte Behörde habe sich zur Beurteilung der Frage, ob die Beschreibungen des Mitbeteiligten den Gegebenheiten entsprechen, des in der Verhandlung anwesenden "Krio-Dolmetschers" bedient. Dies sei unzulässig. Die belangte Behörde hätte sich zur Beurteilung der geographischen Kenntnisse des Mitbeteiligten eines Amtssachverständigen bedienen bzw. darlegen müssen, dass ein solcher nicht zur Verfügung gestanden sei oder die Besonderheit des Falles die Heranziehung eines nicht amtlichen Sachverständigen geboten habe. Die belangte Behörde habe sich in ihrer Beweiswürdigung im Übrigen mit der Aussage des Dolmetschers nicht auseinander gesetzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:
Den Beschwerdeausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass der belangten Behörde ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre. Die belangte Behörde hat die in der Begründung ihres Bescheides angesprochenen "Beilagen" nicht zum integrierenden Bestandteil ihres Bescheides erklärt, sondern diese Berichte als von ihr berücksichtigte, im Akt aufliegende und in der mündlichen Verhandlung erörterte Informationsquellen angeführt, weshalb nicht nachvollziehbar ist, warum die belangte Behörde zur Vermeidung eines Verfahrensmangels Teile des Akteninhaltes ihrem Bescheid hätte anschließen müssen. Folgte man dem Standpunkt der beschwerdeführenden Partei, so hieße das, dass die Behörde jeder Bescheidausfertigung eine Kopie des Akteninhaltes anzuschließen hätte. Die belangte Behörde hat die als Beilagen I und II angeführten Berichte im Rahmen ihrer Beweiswürdigung als Beweisquellen verwertet und daraus Schlüsse für ihre Sachverhaltsfeststellungen gezogen. Allein deshalb, weil die belangte Behörde die im Akt aufliegenden Beweismittel ihrer Bescheidausfertigung nicht angeschlossen hatte, wird die Beweiswürdigung nicht unschlüssig. Der beschwerdeführende Bundesminister legt auch nicht konkret dar, welche Feststellungen die belangte Behörde seiner Auffassung nach hätte treffen sollen, weshalb nicht erkennbar ist, ob und inwieweit sich die in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel auf die Entscheidung ausgewirkt haben könnten. Diese fehlende Relevanzdarlegung betrifft insbesondere auch die weiteren Ausführungen im Zusammenhang mit der Heranziehung des "in der Verhandlung anwesenden 'Krio'-Dolmetschers". Die beschwerdeführende Partei wirft der belangten Behörde konkret lediglich vor, sie habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich der Mitbeteiligte nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens vor der mündlichen Berufungsverhandlung die erforderlichen geographischen Kenntnisse habe aneignen können, sie behauptet jedoch nicht, dass der Mitbeteiligte entgegen den Feststellungen der belangten Behörde keine detaillierten Kenntnisse über die geographischen Verhältnisse in Sierra Leone darlegen konnte. Demnach ist auch nicht erkennbar, warum sich bei Heranziehung eines Amtssachverständigen zur Beurteilung der Kenntnisse des Mitbeteiligten über die Verhältnisse in Sierra Leone ein anderes Ermittlungsergebnis hätte erweisen sollen.
Liegen aber nach den Ausführungen in der Beschwerde wesentliche Verfahrensmängel nicht vor, so ist entsprechend dem Inhalt des Bescheides davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vor der Berufungsbehörde erstmals in dem in Sierra Leone gesprochenen Englisch mit der Bezeichnung "Krio" einvernommen wurde. Dabei hat sich erwiesen, dass der Beschwerdeführer diese in Sierra Leone gebräuchliche Sprache perfekt beherrscht. Damit ist die Behauptung des Mitbeteiligten, es habe in erster Instanz mit dem dort zugezogenen Dolmetsch, der nicht "Krio" gesprochen habe, Verständigungsschwierigkeiten gegeben, nicht von der Hand zu weisen.
Nach den Ergebnissen der mündlichen Berufungsverhandlung ist weiters davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer entgegen der Annahme der Behörde erster Instanz detaillierte Kenntnisse über seinen angegebenen Heimatort besitzt.
Die belangte Behörde hat sich aber nicht - wie nach der vorgelegten Bescheidausfertigung die Behörde erster Instanz - auf die Beurteilung der Kenntnisse des Mitbeteiligten über die geographischen Verhältnisse und Lebensumstände beschränkt, sondern sie hat die Glaubwürdigkeit des Mitbeteiligten auch vor dem Hintergrund seiner konkreten Fluchtgeschichte beurteilt. Dabei ist sie zur Übereinstimmung seiner Angaben mit den in den angeführten Berichten kommentierten politischen Ereignissen gelangt. Wenn die belangte Behörde davon ausgehend - anders als die Behörde erster Instanz - die Behauptung des Mitbeteiligten, er sei Staatsangehöriger von Sierra Leone, nicht als offensichtlich den Tatsachen widersprechend ansah, so kann diese Schlussfolgerung - entgegen dem Standpunkt des beschwerdeführenden Bundesministers - selbst angesichts der nicht auszuschließenden Möglichkeit, der Mitbeteiligte habe mittlerweile genauere Informationen über Sierra Leone und die geographischen Gegebenheiten in Freetown eingeholt, nicht als den Denkgesetzen widersprechend angesehen werden.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Dezember 1999
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