VwGH 99/20/0069

VwGH99/20/006920.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über den Antrag des BB in Wien, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zwecks Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. November 1998, Zl. 200.005/0-V/14/98, betreffend Asylgewährung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §17 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §17 Abs3;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. November 1998 an den Verwaltungsgerichtshof macht der Antragsteller geltend, er sei seit 30. Juni 1998 an einer näher bezeichneten Adresse im 17. Wiener Gemeindebezirk gemeldet und wohnhaft. Er habe am 29. Jänner 1999 beim Bundesasylamt in Wien vorgesprochen, um seine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung verlängern zu lassen. Diese sei ihm jedoch abgenommen worden, ohne dass ihm dafür ein Grund genannt worden sei. Er habe daraufhin am 2. Februar 1999 seinen nunmehrigen Rechtsvertreter aufgesucht, welcher über telefonische Anfrage beim Bundesasylamt in Graz sowie beim unabhängigen Bundesasylsenat in Wien erfahren habe, dass eine Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers (gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 1997) ergangen und der Berufungsbescheid am 12. November 1998 bei der Behörde hinterlegt worden sei.

Er habe im fraglichen Zeitraum, nämlich

November/Dezember 1998, an der genannten Adresse gewohnt und sei postalisch erreichbar gewesen. Es treffe somit nicht zu, dass er an der genannten Adresse unbekannt sei. Die Vorgangsweise der Behörde sei ungesetzlich, weil sich der Beschwerdeführer tatsächlich an der angegebenen Anschrift aufgehalten habe. Es sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, ob möglicherweise ein Zusteller nur vertretungsweise tätig geworden sei, dem der Beschwerdeführer nicht persönlich bekannt gewesen sei oder ob der Zusteller etwa im Haus eine unrichtige Auskunft über die Existenz des Beschwerdeführers bekommen habe. Fest stehe jedoch, dass überhaupt kein Versuch unternommen worden sei, dem Beschwerdeführer den RSa-Brief persönlich zuzustellen. Eine Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde sei nur zulässig, wenn eine andere Form der Zustellung nicht möglich sei, insbesondere weil die vom Adressaten angegebenen Anschrift nicht richtig sei. Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu; es sei seitens der Post offensichtlich gar kein Versuch unternommen worden, eine gesetzmäßige Zustellung vorzunehmen. Für den Fall, dass ohne Wissen des Beschwerdeführers doch ein Zustellversuch unternommen worden und eine Hinterlegungsanzeige in das Postfach der Wohnung des Beschwerdeführers eingelegt worden sein sollte, verweise der Beschwerdeführer darauf, dass im Zeitraum November/Dezember 1998 das Postfach aufgebrochen worden sei und auf der Unterseite ein Loch aufgewiesen habe, das zum Hineingreifen und Herausnehmen von Papieren groß genug gewesen sei. Es sei daher anzunehmen, dass eine Hinterlegungsanzeige von Unbefugten entnommen worden sei.

Sowohl der Umstand, dass der Beschwerdeführer vom Zustellorgan für "unbekannt" gehalten worden sei als auch jener, dass das Postfach auf Grund seiner Beschädigung auch von Unbefugten geleert habe werden können, seien unvorhergesehene bzw. unabwendbare Ereignisse, welche den Beschwerdeführer daran gehindert hätten, rechtzeitig einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde gegen den Berufungsbescheid an den Verwaltungsgerichtshof zu stellen. Diese Hindernisse seien erst am 3. Februar 1999 weggefallen, weil der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter erst zu diesem Zeitpunkt von der Zustellung des angefochtenen Bescheides erfahren hätten. An der Versäumung der Frist treffe den Beschwerdeführer kein Verschulden, allenfalls nur ein solcher geringen Grades.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren über einen weiteren Verfahrenshilfeantrag des Antragstellers (hg. Zl. VH 99/20/0050) legte der unabhängige Bundesasylsenat die Akten des Berufungsverfahrens vor. Daraus ergibt sich, dass der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 3. November 1998 die Berufung des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 1997 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 abgewiesen hat. Die für den Beschwerdeführer bestimmte Ausfertigung des Bescheides sollte diesem zu eigenen Handen zugestellt werden. Die Sendung wurde mit dem Vermerk "retour an Absender" sowie "Empfänger unbekannt" bereits am 4. November 1998 wieder vom Zustellpostamt (1170 Wien) an den unabhängigen Bundesasylsenat retourniert. Der unabhängige Bundesasylsenat hinterlegte daraufhin am 10. November 1998 den Berufungsbescheid gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG). Auf Aufforderung des Vertreters des Antragstellers wurde diesem der Bescheid vom 3. November 1998 mit Schreiben vom 12. März 1999 (zugestellt am 15. März 1999) übermittelt.

Der Beschwerdeführer, der im Laufe des Verfahrens über seinen Asylantrag stets seine Adressensänderungen bekannt gab (vgl. die Schriftsätze vom 4. November 1997, vom 30. Dezember 1997 und vom 4. März 1998), war nach der zuletzt am 1. Oktober 1998 vom unabhängigen Bundesasylsenat eingeholten Meldeauskunft an einer näher bezeichneten Adresse im 17. Wiener Gemeindebezirk gemeldet. Nach den Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war der Beschwerdeführer im "November/Dezember 1998", also auch im Zeitpunkt der am 4. November 1998 versuchten Zustellung, an dieser Adresse wohnhaft. Bei Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers erweist sich aber der Zustellvorgang vom 4. November 1998 als gesetzwidrig, weil es - nach Ausweis der Verwaltungsakten - verabsäumt wurde, das zuzustellende Schriftstück nach einem durchzuführenden zweiten Zustellversuch gemäß § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 17 ZustG zu hinterlegen.

Auch die in weiterer Folge gemäß § 8 Abs. 2 ZustG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 leg.cit. vorgenommene Hinterlegung des Bescheides bei der Berufungsbehörde war nicht geeignet, die Wirkung der Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer herbeizuführen, weil - folgt man dem Vorbringen des Beschwerdeführers - die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 ZustG (Änderung der Abgabestelle ohne Mitteilung an die Behörde) nicht vorlagen. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem Vertreter des Antragstellers eine Ausfertigung des Berufungsbescheides erst am 15. März 1999 zugestellt. Erst mit diesem Zeitpunkt wäre von einer Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer und vom Beginn des Laufes der Beschwerdefrist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof auszugehen.

Gemäß § 46 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt daher voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Mai 1981, Zlen. 81/03/0066, 0067, 0103, 0104). Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Bescheides nicht rechtswirksam, d.h. nicht unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Beschwerdefrist auch keine Frist versäumt werden kann (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1985, Zl. 85/02/0188 und 0189, vom 27. September 1989, Zl. 89/02/0112, sowie vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0864).

Verneint der Wiedereinsetzungswerber also selbst, dass eine Fristversäumung vorliegt, weil "überhaupt kein Versuch unternommen worden sei, dem Beschwerdeführer den RSa-Brief persönlich zuzustellen," obwohl er sich "tatsächlich an der angegebenen Anschrift aufgehalten" habe, kommt aus diesem Grunde eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Insoweit sich der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf eine nicht rechtmäßig erfolgte Zustellung des Berufungsbescheides durch die Zustellvorgänge im November 1998 bezieht, fehlt es an einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründenden Tatbestand, zumal gar keine Frist versäumt worden war.

Der Antragsteller hat allerdings eventualiter geltend gemacht, die Hinterlegungsanzeige sei infolge einer Beschädigung der Hausbriefanlage entfernt worden und dies stelle für ihn ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 46 VwGG dar. Ein solches, die Rechtmäßigkeit der Zustellung gemäß § 17 Abs. 4 ZustG nicht beeinträchtigendes Ereignis könnte zwar einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen. Im vorliegenden Fall wurde aber nach dem Ausweis der Verwaltungsakten gar keine Hinterlegungsanzeige im Postfach zurückgelassen, sondern die Sendung - ohne dass es zu einer Hinterlegung derselben beim Postamt gekommen wäre - umgehend mit den vorhin genannten Vermerken an den unabhängigen Bundesasylsenat retourniert.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 VwGG nicht stattzugeben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 20. Mai 1999

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