Normen
11992E048 EGV Art48;
11997E039 EG Art39;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs2;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art5 Abs1;
61974CJ0067 Bonsignore VORAB;
61975CJ0048 Royer VORAB;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;
EURallg;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
11992E048 EGV Art48;
11997E039 EG Art39;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs2;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art5 Abs1;
61974CJ0067 Bonsignore VORAB;
61975CJ0048 Royer VORAB;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;
EURallg;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Der Beschwerdeführer, der am 9. April 1998 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet hatte, beantragte am 17. April 1998 die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 2. September 1999 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien diesen Antrag gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, Ermittlungen hätten ergeben, dass es dem Beschwerdeführer seit dem Jahre 1995 gelungen sei, sich in Österreich ohne Aufenthaltsberechtigung aufzuhalten, dies dadurch, dass er sich immer wieder nach etwa drei Monaten nach Jugoslawien abgemeldet habe; auf diese Weise sei er bis zum Jahre 1991 etwa sechs bis sieben Monate pro Jahr in Wien polizeilich gemeldet gewesen, womit er das Sichtvermerksabkommen betreffend den sichtvermerksfreien Aufenthalt habe umgehen können. Ab 1991 sei er nicht mehr polizeilich gemeldet gewesen, sein Aufenthalt sei gänzlich unbekannt gewesen. Seit dieser Zeit sei nach ihm wegen Verdachtes des Handtaschendiebstahles gefahndet worden. Im Dezember 1997 sei er wieder in Wien "zur Anmeldung gelangt" und sei wegen unerlaubten Aufenthaltes in der Dauer von fast drei Jahren seit seiner 1995 erfolgten Einreise nach dem Fremdengesetz mit S 3.000,-
- rechtkräftig bestraft worden. Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vorgebracht habe, seine Gattin schließe sich seinem Schreiben im Zusammenhang mit der Niederlassungsbewilligung mit der Bemerkung an, sie habe "einen sehr liebevollen und zuvorkommenden Gatten", habe sie drei Tage später eine Anzeige erstattet, dass er sie auf der Straße plötzlich zusammengeschlagen habe, wodurch sie zu Sturz gekommen sei; sie habe Angst, alleine in die Wohnung zu gehen. Es handle sich auch nur um eine "Scheinehe", um ihrem Gatten eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Das Vorliegen einer Scheinehe habe allerdings nicht verifiziert werden können; die Körperverletzung werde vom Beschwerdeführer bestritten. Dieser wolle eine Arbeit finden, um seine Frau, die nur eine kleine Pension von knapp S 5.000,-- habe, erhalten zu können.
Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen folgerte die belangte Behörde, in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer lange Zeit unrechtmäßig bzw. unangemeldet im Bundesgebiet aufgehalten habe, liege der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 vor. Der 35-jährige Beschwerdeführer habe "vor elf Monaten" eine 59-jährige österreichische Staatsbürgerin geheiratet, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe. Sie sei Pensionistin und erhalte S 5.000,-- monatlich. Der Beschwerdeführer selbst sei ohne Beschäftigung. Im Hinblick darauf, dass er mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebe, sei mit der Ablehnung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben gegeben. In Anbetracht des langjährigen illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Missachtung der fremdenpolizeilichen Vorschriften sei die Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens, als dringend geboten zu erachten. Der aus der bisherigen Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration des Beschwerdeführers könne kein entscheidendes Gewicht zukommen, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das aufgezeigte Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden jedoch die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen, insbesondere jenes zum Schutz eines geordneten Fremdenwesens, entgegen. Bei Abwägung dieser Interessen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der Ablehnung des Antrages auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin keinesfalls schwerer wögen als die gegenteiligen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Ablehnung dieses Antrages. Vor diesem Hintergrund habe die Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Betracht gezogen werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 2 Z. 3, § 47 Abs. 2 und 3 sowie § 49 Abs. 1 FrG
1997 lauten:
"§ 10. ...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
§ 47. ...
(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. ...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
1. Ehegatten;
...
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. ..."
Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß §§ 49 Abs. 1 und 47 Abs. 3 FrG 1997. Die Versagung der hier beantragten Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 49 Abs. 1 und 47 Abs. 2 FrG 1997 setzt voraus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die belangte Behörde hat, gestützt auf den langjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, eine derartige Gefährdungsprognose getroffen.
Diese Auffassung erweist sich jedoch aus folgenden Gründen als nicht zutreffend:
Durch § 49 Abs. 1 FrG 1997 sollte - von geringfügigen Modifikationen abgesehen - die Rechtsstellung von Angehörigen von Österreichern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, jener von Angehörigen von EWR-Bürgern, die ihrerseits ebenfalls Staatsangehörige eines Drittstaates sind, angeglichen werden. Offenbar wollte der Gesetzgeber des Fremdengesetzes 1997 damit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, Slg. Nr. 14.863, Rechnung tragen. Bei der Auslegung der Wendung "wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet" in dem in § 49 Abs. 1 FrG 1997 verwiesenen § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ist daher auf das Verständnis der Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Art. 39 EG (ex-Art. 48 EGV) Bedacht zu nehmen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG ist bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1997, Rs 30/77, Bouchereau, insbesondere folgenden Rechtssatz geprägt:
"Die Berufung einer nationalen Behörde auf den Begriff der öffentlichen Ordnung setzt, wenn er gewisse Beschränkungen der Freizügigkeit von dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen rechtfertigen soll, jedenfalls voraus, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt" (Rz 35 dieses Urteils).
Weiters hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 8. April 1976, Rs 48/75, Royer, Folgendes ausgesprochen (Rz 45):
"Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG darf 'bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ... ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein'. Diese Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten, bei ihrer Beurteilung der Belange der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auf die persönliche Situation der unter dem Schutz des Gemeinschaftsrechts stehenden Personen abzustellen und nicht auf pauschale Wertungen. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich jedoch, dass die bloße Nichterfüllung der für Einreise, Ortswechsel oder Aufenthalt von Ausländern geltenden gesetzlichen Formalitäten keine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des Vertrages darstellen kann. Ein solches Verhalten kann für sich allein nicht zur Anwendung der Maßnahmen führen, die Artikel 3 der genannten Richtlinie im Auge hat."
Wie im Urteil dieses Gerichthofes vom 26. Februar 1975, Rs 67/74, Bonsignore, (Rz 7), betont wurde (und im Urteil vom 10. Februar 2000, Rs C - 340/97 , Nazli (Rz 59) bestätigt wurde), dürfen solche Maßnahmen zudem nicht bloß auf generalpräventive Gründe gestützt werden:
"Artikel 3 Abs 1 und 2 der Richtlinie Nr. 64/221/EWG steht der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats entgegen, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, das heißt, wenn sie - in der Formulierung des innerstaatlichen Gerichts - auf 'generalpräventive' Gesichtspunkte gestützt wird."
Vorliegendenfalls hielt sich der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen einige Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht finden, dass dieser in der Vergangenheit liegenden Verletzung fremdenpolizeilicher Vorschriften in Ansehung der zu treffenden Gefährdungsprognose im Sinn des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG entscheidendes Gewicht zukommt, zumal der Beschwerdeführer als Angehöriger einer Österreicherin gemäß § 49 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen darf und darüber hinaus Angehörige von EWR-Bürgern, denen Angehörige von Österreichern durch § 49 Abs. 1 FrG 1997 weitgehend gleichgestellt werden sollten, nach Art. 5 Abs. 1 zweiter Satz der Richtlinie 64/221/EWG sich bis zur Entscheidung über die Erteilung oder die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis vorläufig im Bundesgebiet aufhalten dürfen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 99/19/0234). Dass durch das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorläge, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührte, hat die Behörde nicht festgestellt.
Dadurch, dass die belangte Behörde von der Annahme ausging, allein der in der Vergangenheit liegende unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers rechtfertige die Gefährdungsprognose nach § 47 Abs. 2 FrG 1997, hat sie die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. September 2001
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