Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
B-VG Art8;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §61;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
B-VG Art8;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §61;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 19. Jänner 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesh, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch Übergabe zugestellt.
2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. März 1999 (zur Post gegeben am 26. März 1999) Berufung und verband damit den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen. Seinen Antrag begründete er damit, dass er sich bis zum 16. März 1998 in Schubhaft befunden habe. Zwar sei ihm der Bescheid bei seiner Vernehmung zur Kenntnis gebracht worden, ihm sei jedoch die Erhebung einer formgerechten Berufung nicht möglich gewesen, weil er nicht in der Lage gewesen sei, den gesamten Bescheidinhalt in so kurzer Zeit zu erfassen. Der gesamte Inhalt des Bescheides sei ihm von niemandem in eine ihm verständliche Sprache übersetzt worden, und es sei ihm nur eine ungefähre Übersetzung des Ergebnisses, nicht jedoch eine genaue Übersetzung des Inhaltes und der Begründung des Bescheides innerhalb der offenen Frist zugänglich gewesen, sodass ihm die Erhebung einer sinnvollen Berufung nicht möglich gewesen sei. Er sei vollkommen rechtsunkundig und spreche nicht Deutsch. Außerdem sei er nachweislich von keinem Vertreter einer rechtlichen Beratungsstelle besucht worden. Er sei daher durch ein unvorhergesehenes, unabwendbares und von ihm nicht verschuldetes Ereignis, nämlich die Schubhaftunterbringung, verhindert gewesen, fristgerecht Berufung zu erheben.
2.2. Dieser Wiedereinsetzungsantrag wurde von der Erstbehörde mit Bescheid vom 30. März 1999 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Begründend führte die Erstbehörde u.a. aus, dass dem Beschwerdeführer der Aufenthaltsverbotsbescheid, nachdem dieser ihm komplett übersetzt worden sei, am 19. Jänner 1999 zugestellt worden sei und er jederzeit, auch noch unmittelbar nach der Bescheidzustellung, wobei ihm auch die Rechtsmittelbelehrung übersetzt worden sei, Gelegenheit gehabt habe, mit dem Vertreter einer rechtlichen Beratungsstelle - entweder persönlich (Schubhaft-Sozialdienst) oder telefonisch - in Kontakt zu treten. Auch habe er während der Schubhaftunterbringung, und zwar am 26. Jänner 1999, trotz allem einen Asylantrag gestellt.
2.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin vor, dass es sich beim Schubhaft-Sozialdienst um eine soziale Betreuungseinrichtung handle, die keine Rechtsmittel einbringe. Ferner bedürfe eine formgerechte Berufung unzweifelhaft Rechtskenntnisse, die für die Einbringung eines Asylantrages keineswegs erforderlich seien, weshalb es unzulässig sei, die Tatsache der Asylantragstellung zum Nachteil des Beschwerdeführers auszulegen.
3. Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 11. Mai 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den vorgenannten Bescheid vom 30. März 1999 keine Folge gegeben und dieser gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides auch für ihre Entscheidung maßgebend gewesen seien. Mit Bescheid vom 14. Jänner 1999 sei über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt worden. Nach seiner Vernehmung am 19. Jänner 1999 sei ihm der Aufenthaltsverbotsbescheid am selben Tag zugestellt worden. Die Vernehmung sei in Gegenwart eines Dolmetschers für seine Muttersprache erfolgt, der auch den Aufenthaltsverbotsbescheid vollständig, d.h. einschließlich der Rechtsmittelbelehrung, übersetzt habe. Mangels fristgerecht eingebrachter Berufung sei der Aufenthaltsverbotsbescheid in Rechtskraft erwachsen.
Die mangelnde Rechtskenntnis (oder ein Rechtsirrtum) sei nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 AVG zu werten, und die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage könne den Wiedereinsetzungswerber niemals hindern, sich über die Wirkung eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren. Der Beschwerdeführer sei in Kenntnis der Rechtswirkungen des erlassenen Bescheides und der offen stehenden Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gewesen. Ebenso sei es ihm freigestanden, während seiner Haft einen Rechtsbeistand zu kontaktieren. Auch stellten mangelnde deutsche Sprachkenntnisse keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.
Da der Beschwerdeführer sohin nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels einzuhalten, sei der Berufung keine Folge zu geben gewesen.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom 19. Jänner 1999 versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (§ 71 Abs. 1 AVG).
2. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 95/18/0972, mwN).
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. ewa das Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 97/21/0770, mwN) hat ein Fremder keinen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides nach dem Fremdengesetz in einer ihm verständlichen Sprache. Weiters stellt die Verhängung der Schubhaft über den Fremden (für sich allein) keine taugliche Begründung für einen Wiedereinsetzungsantrag dar. Einem in Schubhaft befindlichen Fremden fehlt nämlich die Dispositionsfähigkeit nicht soweit, dass er allein deswegen zur Wahrung der Rechtsmittelfrist außerstande wäre.
3. Die Beschwerde bringt vor, dass dem Beschwerdeführer zwar die Rechtsmittelbelehrung, nicht jedoch der übrige Inhalt des Aufenthaltsverbotsbescheides in seine Muttersprache übersetzt worden sei und es ihm dadurch auch nicht möglich gewesen sei, ein Rechtsmittel dagegen zu erheben. Ihm sei auf Grund seiner Schubhaft kein Kontakt zur Außenwelt möglich gewesen, und er habe erst nach seiner Entlassung die Hilfe einer Beratungsstelle erwirken können. Erst nach dem Besuch des Flughafen-Sozialdienstes habe er erstmals eine Übersetzung des Bescheidinhaltes und eine Aufklärung über seine rechtlichen Möglichkeiten erlangt. Der während der Schubhaft zur Seite stehende Sozialdienst sei nur eine soziale Betreuungseinrichtung, die jedoch keine juristische Beratung übernehme. Infolge seiner Sprach- und Rechtsunkenntnis und seiner Haft habe er keinen begründeten Berufungsantrag verfassen können. Wenn die belangte Behörde auf seine Asylantragstellung hinweise, so lasse sie unberücksichtigt, dass Asylanträge so formuliert und einfach gestaltet seien, dass auch sprach- und rechtsunkundige Ausländer diese verfassen könnten.
4. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, dass ihm (nur) eine ungefähre Übersetzung des Ergebnisses des Aufenthaltsverbotsbescheides zur Kenntnis gebracht worden sei. Selbst wenn entgegen der im angefochtenen wie auch im erstinstanzlichen Bescheid, auf dessen Begründung von der belangten Behörde verwiesen wurde, getroffenen Sachverhaltsfeststellung dem Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung der obgenannte Aufenthaltsverbotsbescheid nicht vollinhaltlich übersetzt worden sein sollte - die diesbezügliche gegenteilige, im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Feststellung wurde vom Beschwerdeführer in seiner dagegen erhobenen Berufung nicht bestritten - waren ihm laut seinem Antragsvorbringen zumindest die mit dem Aufenthaltsverbotsbescheid verbundenen Folgen für seinen inländischen Aufenthalt bekannt. Darüber hinaus gesteht die Beschwerde als richtig zu, dass dem Beschwerdeführer die in diesem Bescheid enthaltene Rechtsmittelbelehrung übersetzt worden ist. Dem Beschwerdeführer musste somit bewusst gewesen sein, dass ihm ein behördliches, rechtlich relevantes Schriftstück übergeben worden war, in Anbetracht dessen zur Wahrung seiner Rechte Veranlassungen durch ihn zu treffen waren.
Selbst wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine mangelnden Sprach- und Rechtskenntnisse nicht in der Lage gewesen sein sollte, einen begründeten Berufungsantrag zu formulieren, hätte er danach trachten müssen, innerhalb der offenen Berufungsfrist die Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid zu erheben. Ein Verhinderungsgrund im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG läge bei einem in Schubhaft befindlichen Fremden dann vor, wenn nicht sichergestellt wäre, dass er während der Einengung seiner Freiheit den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält (ohne ihm ständige Urgenzen zuzumuten) bzw. wenn ihm auch die Möglichkeit genommen wäre, trotz eines diesbezüglichen Wunsches eine Berufung verfassen und einbringen zu können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Z. 96/21/0430, mwN). Dass der Beschwerdeführer versucht habe, für die Einbringung einer Berufung Hilfestellung zu erhalten, und solche Bemühungen erfolglos geblieben seien, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht dargetan. Ebenso hat er im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, dass es ihm während seiner Schubhaft nicht möglich gewesen sei, mit einer anderen Person telefonisch oder zumindest brieflich in Kontakt zu treten. Gegen eine solche Annahme spricht im Übrigen der Umstand, dass - was unstrittig ist - der Beschwerdeführer während seiner Schubhaft in der Lage war, mit dem Schubhaft-Sozialdienst in Kontakt zu treten.
Darin, dass es der Beschwerdeführer sohin verabsäumt hat, zumutbare Maßnahmen zur Wahrung der ihm im Aufenthaltsverbotsverfahren offen stehenden Rechtsverfolgungsmöglichkeiten zu ergreifen, kann nicht bloß ein minderer Grad des Versehens im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG erblickt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0325, mwN).
5. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Jänner 2003
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