VwGH 99/18/0228

VwGH99/18/022817.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde der Z G in Wien, geboren am 12. Juli 1960, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Mai 1999, Zl. SD 998/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Mai 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin habe sich erstmals im Jahr 1975 im Bundesgebiet aufgehalten, habe in der Zeit von 1975 bis 1979 kurz befristete Sichtvermerke erhalten, weil sich auch ihre Mutter im Bundesgebiet aufgehalten habe, und sei danach in ihre Heimat zurückgekehrt. Sieben Jahre später, im April 1986, habe sie die Erteilung eines Sichtvermerks beantragt, weil sie - ihren Angaben zufolge - ihren in Österreich lebenden Onkel habe besuchen wollen. Es sei ihr damals ein bis 15. Juli 1986 gültiger Sichtvermerk erteilt worden. Zuletzt sei sie im Frühjahr 1991 nach Österreich eingereist. Am 16. August 1991 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und kurz danach, nach Erhalt eines Befreiungsscheines, zu arbeiten begonnen. Ende September 1991 habe sie unter Vorlage ihres Befreiungsscheines und einer Gehaltsbestätigung einen Sichtvermerk beantragt, der ihr auf Grund der aufrechten Beschäftigung bis zum 15. Oktober 1994 erteilt worden sei. Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1996 wegen Vorliegens einer Scheinehe abgewiesen worden. Ihre Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 18. März 1998 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden.

Die Beschwerdeführerin, die sich somit seit Mai 1996 ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhalte, sei bisher, und zwar im Zeitraum von Oktober 1996 bis März 1998, insgesamt fünfmal wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthalts rechtskräftig bestraft worden. Diese Bestrafungen seien jedenfalls schwer wiegend, wozu noch komme, dass sie sich nach wie vor im Bundesgebiet aufhalte und den illegalen Zustand trotz der vorliegenden Bestrafungen nicht beendet habe. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass ihr Aufenthalt schon allein aus diesem Grund die öffentliche Ordnung im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG gefährde. In einem solchen Fall seien die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter dem Vorbehalt der §§ 37 und 38 leg. cit. gegeben.

Die Beschwerdeführerin lebe mit ihren zwei Söhnen im gemeinsamen Haushalt und sei bei einem Reinigungsunternehmen beschäftigt. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Der Eingriff werde allerdings dadurch relativiert, dass einer ihrer Söhne bereits volljährig sei und deren Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Bundesminister für Inneres ebenfalls abgewiesen worden seien. Die Beschwerdeführerin bringe auch nicht vor, dass ihre Kinder derzeit über einen Aufenthaltstitel verfügten. Abgesehen davon sei der Eingriff jedenfalls zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin verdeutliche sehr augenfällig, dass sie nicht willens und nicht imstande sei, die für sie maßgeblichen fremdenpolizeilichen Vorschriften zu beachten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens habe sie in zweierlei Hinsicht beeinträchtigt: Zum einen habe sie ihren Aufenthalt im Jahr 1991 und die Möglichkeit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur durch das Eingehen einer Scheinehe bewirkt, zum anderen habe sie sich trotz mehrerer rechtskräftiger Bestrafungen wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthalts ungeachtet der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht davon abhalten lassen, ihren unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet fortzusetzen. Die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes erweise sich daher zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als dringend geboten und zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des Aufenthalts ableitbare Integration der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass ihr rechtmäßiger Aufenthalt von 1991 bis 1996 lediglich durch die Scheinehe ermöglicht worden sei. Da auch keine sonstigen Umstände erkennbar seien, die ihrer Integration wesentliches Gewicht verleihen könnten, wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf ihre Lebenssituation und die ihrer Familie keinesfalls schwerer als die öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Das hier maßgebliche öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden könne.

In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Beschwerdeführerin zwar fünfmal wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft worden sei, sie jedoch in Österreich eine Beschäftigung habe und mit ihren beiden Söhnen lebe, in ihrem Heimatland weder eine Unterkunft noch eine Einkommensmöglichkeit zur Ernährung ihrer Familie gehabt habe und sich aus der Gefahr des unmittelbaren Elends und der Bedürftigkeit einzig und allein durch die strafbare Tat ihres Aufenthalts (im Bundesgebiet) ohne entsprechende Bewilligung der Behörde habe entziehen können, weshalb ihr strafbares Verhalten infolge Notstands im Sinn des § 6 VStG entschuldigt sei.

2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin in Österreich seit 1996 viermal gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 und einmal gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 FrG, und zwar wegen unrechtmäßigen Aufenthalts in den Zeiträumen vom 18. Mai 1996 bis 18. Juni 1996, 29. Oktober 1996 bis 3. April 1997, 10. Juni 1997 bis 4. Juli 1997, 19. August 1997 bis 12. November 1997 und 3. Februar 1998 bis 26. Februar 1998, rechtskräftig bestraft wurde, wobei die Beschwerde nicht in Abrede stellt, dass diese fünf Bestrafungen wegen unrechtmäßigen Aufenthalts in Rechtskraft erwachsen sind. Auf Grund dieser rechtskräftigen Bestrafungen steht in bindender Weise fest, dass der inländische Aufenthalt der Beschwerdeführerin in den genannten Zeiträumen nicht nur rechtswidrig war, sondern sie sich dabei auch schuldhaft verhalten hat. Eine - im Verwaltungsstrafverfahren geltend zu machende und gegebenenfalls zu berücksichtigende - Notstandssituation der Beschwerdeführerin im Sinn des § 6 VStG lag somit nicht vor.

Entgegen der Beschwerdeansicht handelt es sich bei den besagten Übertretungen um schwer wiegende Verwaltungsübertretungen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095), sodass die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht, keinem Einwand begegnet.

Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0272, mwN), ist es auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtete. Diese Annahme ist umso mehr berechtigt, als die Beschwerdeführerin, die sich jedenfalls seit Mai 1996 ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhält, den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge ihren davor liegenden Aufenthalt in Österreich seit ihrer Einreise im Jahr 1991 und die Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur durch das Eingehen einer Scheinehe bewirkt hatte.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den ununterbrochenen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit 1991, ihre berufliche Tätigkeit in einem Reinigungsunternehmen und den Umstand, dass sie hier mit ihren beiden Söhnen im gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, berücksichtigt. Ihren sich daraus ergebenden persönlichen Interessen steht jedoch gegenüber, dass sie sich seit dem Jahr 1996 ohne einen Aufenthaltstitel und ungeachtet der vorgenannten fünf rechtskräftigen Bestrafungen durch die Fremdenpolizeibehörde weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten hat und dass die ihr für den davor liegenden Aufenthalt seit ihrer Einreise im Jahr 1991 und für die Aufnahme einer Beschäftigung erteilten Berechtigungen nur auf das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zurückzuführen waren. Ferner verlieren ihre persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet in Bezug auf ihre beiden Söhne dadurch an Gewicht, dass diese - von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt - sich ebenfalls ohne einen Aufenthaltstitel hier aufhalten, wozu kommt, dass einer ihrer Söhne bereits volljährig ist. Auf Grund des beschriebenen, das öffentliche Interesse gefährdenden Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und die ihrer Söhne nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 2001

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