VwGH 99/18/0226

VwGH99/18/02267.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des R R, (geboren am 21. Juni 1958), in Innsbruck, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 19. Mai 1999, Zl. III 89/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
StGB §32;
StGB §43;
VwRallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
StGB §32;
StGB §43;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 19. Mai 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 1, §§ 37 bis 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei Fremder, weil er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze. Er sei vom Landesgericht Innsbruck mit Urteil vom 23. September 1998 wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig belegt worden, weil er am 13. Juni 1998 in Bad Häring der Milena V. dadurch, dass er mit einem ca. 26 cm langen Messer wiederholt auf diese in Brust und Bauchbereich sowie im Bereich des rechten Oberschenkels eingestochen habe, eine mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit verbundene schwere Körperverletzung, nämlich eine Stichwunde in der linken Brust, im Bereich der unteren Herzgegend mit ausgedehnter sekundärer Einblutung, eine Schnittverletzung im Bereich der Oberbauchmitte, zwei kombinierte Stich-Schnittverletzungen in der Unterbauchmitte über dem Schambogen und eine kombinierte Stich-Schnittverletzung im Bereich der rechten Oberschenkelvorderseite innen im körpernahen Drittel, absichtlich zugefügt habe.

Das Landesgericht Innsbruck sei von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Der Beschwerdeführer wäre ca. vier Jahre mit Milena V. befreundet gewesen. Im Laufe dieser Freundschaft hätte es mehrfach Auseinandersetzungen gegeben. Hiebei wäre er auch tätlich gegen seine Freundin vorgegangen und hätte zuletzt wenige Tage vor dem gegenständlichen Vorfall ein Coca Cola-Glas gegen sie geworfen. Auf Grund einer weiteren Auseinandersetzung hätte Milena V. am 10. Juni 1998 erklärt, die Beziehung zu beenden. Am darauf folgenden Tag wäre der Beschwerdeführer in ihrer Wohnung erschienen und hätte sie aufgefordert, ihre Filmkamera herauszugeben. Am Abend des nächsten Tages wäre er in einem Lokal auf Ljupko K. getroffen, mit dem er eine wörtliche Auseinandersetzung gehabt hätte, weil er der Meinung gewesen wäre, dass K. der neue Freund von V. wäre. In der Früh des 13. Juni 1998 hätte der Beschwerdeführer zwei Nylontaschen mit Kleidungsstücken der Milena V. genommen, ein 26 cm langes Messer mit einer 15,5 cm langen, scharf geschliffenen Klinge eingesteckt und sich von einem Arbeitskollegen zum Haus der Milena V. bringen lassen. Er hätte deren Zimmer betreten, wäre auf sie zugestürmt, hätte sie dann an den Haaren und am Halse erfasst und gegen einen offen stehenden Kleiderschrank gedrückt sowie ihr dann mehrere Messerstiche versetzt. Danach hätte er das Haus verlassen und wäre mit einem Arbeitskollegen an die Arbeitsstelle gefahren. Dabei hätte der Beschwerdeführer erwähnt, dass er jetzt fertig wäre und das Seine gemacht hätte. Er hätte die Arbeit mit Milena getan und würde jetzt noch die Arbeit mit Ljupko machen.

Die belangte Behörde führte weiter aus, dass das schwere Fehlverhalten des Beschwerdeführers deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung zeige, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich wiederum die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Seine rechtskräftige Verurteilung vom 23. September 1998 zu einer zweijähriger Freiheitsstrafe erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FrG.

Ein relevanter Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege zwar vor, dieser mache das Aufenthaltsverbot im Grunde dieser Gesetzesbestimmung jedoch nicht unzulässig. Die sich aus dem schweren Fehlverhalten des Beschwerdeführers manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer (z.B. auf körperliche Unversehrtheit) dringend geboten. Seine privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. seinen Aufenthalt seit 1989, behördlich erlaubt seit 1990, sein erlaubtes Arbeiten als Hilfsarbeiter und seine dementsprechende, gute Integration und intensive private Bindung;

an Angehörigen seien im Bundesgebiet ein Bruder, ein Neffe und dessen Gattin in Kufstein aufhältig, mit denen er vor seiner Verhaftung jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe;

nach seiner Haftentlassung könnte er bei seinem Bruder in Kufstein wohnen; die Familie des Beschwerdeführers - Ehegattin, Kinder - seien nicht im Bundesgebiet aufhältig) wögen im Hinblick auf seine Neigung zu schweren Straftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots, weshalb diese Maßnahme auch im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der Rechte anderer (z.B. auf körperliche Unversehrtheit) habe einen sehr großen "öffentlichen Stellenwert" und ein sehr großes "öffentliches Gewicht".

Die Bestimmungen der §§ 38 und 35 FrG stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen. Dessen Dauer entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für dessen Erlassung maßgeblichen Umständen. Auf Grund der überlegten und brutalen Vorgangsweise des Beschwerdeführers vom 13. Juni 1998 (er sei leicht- bis mittelgradig alkoholisiert gewesen) in Verbindung mit seinem Tatmotiv (blinde Eifersucht) bzw. auf Grund seines daraus hervorleuchtenden negativen Charakterbildes sei nicht vorhersehbar, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbots, nämlich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, weggefallen sein werde, weshalb ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde.

Daraus, dass er vor der Straftat vom 13. Juni 1998 ein "korrekter, fleißiger und gesetzestreuer" Mensch gewesen sei und auch nach seiner Entlassung aus der Justizanstalt in einem Unternehmen in Oberperfuß arbeiten könnte, sei für ihn nichts zu gewinnen, weil das nichts an seiner schweren Straftat und seiner daraus hervorleuchtenden Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit ändere. In eine persönliche Krisensituation werde er - wie jeder Mensch - auch in Zukunft wieder geraten. Charaktereigenschaften wie Eifersucht lege man nicht so ohne weiteres ab. Davon, dass das Aufenthaltsverbot ein schwerer Eingriff in sein Privatleben sei, gehe die belangte Behörde ohnehin aus. Die Zehnjahresfrist des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz sei noch nicht erreicht, wie der Beschwerdeführer selbst zugestehe.

Es sei eine Erfahrungstatsache, dass Fremde angesichts konkret drohender fremdenpolizeilicher Maßnahmen der Fremdenpolizeibehörde gegenüber kundtun, ihr strafbares Verhalten zu bereuen, und versprechen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden. Die Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers sei noch viel zu kurz bzw. seine Bewährung in Freiheit habe noch nicht einmal begonnen. Sein Kredit von S 200.000,--, den er nach seinen Möglichkeiten auch vom Ausland aus zurückzahlen könne, sei jedenfalls kein Grund, das Aufenthaltsverbot nicht zu erlassen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ihn eventu in der Weise abzuändern, dass lediglich ein befristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen werde.

II.

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung vom 23. September 1998 bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

1.2. Gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei die in § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass er - abgesehen vom Vorfall am 13. Juni 1998 - während seines Aufenthaltes in Österreich ein tadelloses Leben geführt, auf Grund der Strafhaft das Unrecht seiner Tat eingesehen und wiederholt versichert habe, künftig von strafbaren Handlungen Abstand zu nehmen, woran zu zweifeln kein Grund bestehe. Darüber hinaus sei er auf Grund der Prognose der Justizbehörden, dass es der weiteren Strafvollstreckung nicht mehr bedürfe, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, aus der Strafhaft gemäß § 46 Abs. 1 StGB bedingt entlassen worden.

1.3. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte (vgl. zum gleich gelagerten Fall einer bedingten Strafnachsicht etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033). Dass auch eine bedingt nachgesehene, das heißt nicht (oder nicht zur Gänze) vollstreckte Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann und somit die allein aus strafrechtlicher Sicht und unabhängig von fremdenrechtlichen Erwägungen getroffene Annahme des Gerichtes über ein zukünftiges Wohlverhalten eines Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht, ergibt sich im Übrigen schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG.

Nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid verübte der Beschwerdeführer das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung, indem er sich unter Mitnahme eines 26 cm langen Messers mit einer 15,5 cm langen, scharf geschliffenen Klinge zu seiner früheren Freundin bringen ließ, diese in ihrem Zimmer an den Haaren und am Hals erfasste, gegen ein Kleiderschrank drückte und ihr sodann mehrere Messerstiche gegen die Brust, den Bauch und den Oberschenkel versetzte. Schon bei früheren Auseinandersetzungen war er wiederholt tätlich gegen sein Opfer vorgegangen. Wenn auch diese Handlungen jeweils aus Eifersucht geschehen sein mögen, so zeigt das Verhalten des Beschwerdeführers doch deutlich seine Gewaltbereitschaft und seine Einstellung, Konflikte in völlig unangemessener Weise mit brutaler Körpergewalt lösen zu wollen. Zutreffend hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass ein Mensch Charaktereigenschaften wie Eifersucht nicht ohne weiteres ablegt.

1.4. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet die Beurteilung im angefochtenen Bescheid, dass die in § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2.1. Ebenso begegnet die Beurteilung der belangten Behörde im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG keinem Einwand. Diese hat auf Grund des nahezu zehnjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers, seiner Berufstätigkeit und seiner intensiven verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber auch - unter Hintanstellen dieser persönlichen Interessen des Beschwerdeführers - zu Recht den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, so zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter, dringend geboten sei, manifestieren sich doch in der vom Beschwerdeführer verübten Straftat, deretwegen er gerichtlich verurteilt wurde, die von ihm ausgehende massive Gefahr für die körperliche Sicherheit und Unversehrtheit anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten.

2.2. Im Lichte dessen kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den - wenn auch im Hinblick auf den nahezu zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine Berufstätigkeit und seine intensiven verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich erheblichen - gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. An dieser Beurteilung vermag auch die von der Beschwerde ins Treffen geführte Behauptung nichts zu ändern, dass er im Kosovo, seinem Heimatland, auf Grund der dort gegebenen fatalen wirtschaftlichen Situation vor dem Nichts stünde.

Abgesehen davon, dass von § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben geschützt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0231), wird mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 98/18/0099). Im Übrigen muss die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Situation vom Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

3. Schließlich wendet sich die Beschwerde noch gegen die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbotes.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der in der Verübung der schweren Straftat zutage getretenen Charaktereigenschaften des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, nämlich seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, nicht vorhergesehen werden könne, weshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werde.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 7. Juli 1999

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