VwGH 99/16/0179

VwGH99/16/017924.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der R AG in W, vertreten durch Dr. Sieglinde Schubert, Rechtsanwalt in Wien XIX, Gatterburggase 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III der Region Wien) vom 16. April 1999, GZ ZRV/29-W3/98, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

31992R2913 ZK 1992 Art20;
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2 litb;
31994R3355 Wareneinfuhrregelung Balkanstaaten;
31994R3357 Wareneinfuhrüberwachung Balkanstaaten;
31995R1959 Wareneinfuhrzoll Balkanstaaten;
ZollRDV 1994 §10 Z1;
31992R2913 ZK 1992 Art20;
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2 litb;
31994R3355 Wareneinfuhrregelung Balkanstaaten;
31994R3357 Wareneinfuhrüberwachung Balkanstaaten;
31995R1959 Wareneinfuhrzoll Balkanstaaten;
ZollRDV 1994 §10 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 3. April 1995 wurden für die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin als Warenempfängerin durch die Spedition S als Anmelder beim Hauptzollamt Klagenfurt fünf Bund Tauchrohre mit einem Warenwert von S 157.200,-- zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Der Anmelder gab im Feld 36 der Anmeldung den Präferenzcode 300 an und legte eine Warenverkehrsbescheinigung vor. Die Anmeldung wurde angenommen und die Ware mit Mitteilung einer Eingangsabgabenschuld in der Höhe von S 31.440,-- (nur) an Einfuhrumsatzsteuer in den zollrechtlich freien Verkehr überführt.

Bei einer am 28. November 1995 vorgenommenen Überprüfung der Verzollungsunterlagen wurde von der Zollbehörde die Auffassung vertreten, dass die Zollfreiheit zu Unrecht gewährt worden sei, weil diese nicht im Rahmen eines Präferenzabkommens mit Slowenien vorgesehen gewesen sei und die Gewährung des präferenziellen Plafondzollsatzes nicht beantragt gewesen und der Plafond zwischenzeitlich erschöpft sei.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Klagenfurt vom 11. Dezember 1995 wurde für die in Rede stehende Ware die Zollschuld in der Höhe von S 16.708,-- (Zoll S 13.923,-- und Einfuhrumsatzsteuer S 2.785,--) nachträglich buchmäßig erfasst und an die Beschwerdeführerin mitgeteilt.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde geltend gemacht, dass das Kontingent des Zollplafonds "zum Zeitpunkt der Verzollung" noch nicht erschöpft gewesen sei. In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 12. Jänner 1996 wurde insbesondere vorgebracht, die anmeldende Spedition sei im Einvernehmen mit dem Abfertigungsbeamten davon ausgegangen, dass die Abgabenbegünstigung im Rahmen des zu diesem Zeitpunkt noch offenen Zollplafonds erfolgen solle. Dem mündlich gestellten Antrag auf Ausnutzung des Zollplafonds sei vom Abfertigungszollamt durch Anschluss des Präferenznachweises an das Einheitspapier und durch Bestätigung im Zollpapier durch "konform" stattgegeben worden. Für die Inanspruchnahme eines Zollkontingents bedürfe es nach EG-Recht keines förmlichen Antrages.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. April 1998 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Abgabenbehörde führte in der Begründung im Wesentlichen aus, dass die Gewährung des begünstigten Präferenzzollsatzes im Rahmen eines Zollplafonds eines ausdrücklichen Antrages in der schriftlichen Anmeldung bedürfe. Auf Grund der vorliegenden Unterlagen und der Aussage des Abfertigungsbeamten sei davon auszugehen, dass der Anmelder durch die Wahl des Präferenzcodes die Zollfreiheit im Rahmen des Präferenzabkommens mit Slowenien beantragt habe, weil er der Meinung gewesen sei, die gegenständliche Ware sei im Rahmen des Präferenzabkommen zollfrei. Der Vertreter des Warenempfängers habe daher keinen Antrag iSd § 10 ZollR-DV gestellt bzw die Möglichkeit der Beanspruchung des Plafondzollsatzes überhaupt nicht in Betracht gezogen.

In der gegen die Berufungsvorentscheidung erhobenen Beschwerde wurde insbesondere geltend gemacht, der im vorliegenden Fall anerkennenswerte Irrtum sei von der Zollbehörde ausgegangen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass eine Nichterhebung von Abgaben auf einen Irrtum der zuständigen Zollbehörde zurückzuführen sein müsse. Dabei müsse es sich um einen "aktiven" Irrtum handeln, der ein aktives Verhalten der Zollbehörde voraussetze. Da im Zeitpunkt des entsprechenden Antrages das Zollkontigent bereits erschöpft gewesen, ein aktiver Irrtum der Zollbehörde aber nicht vorgelegen sei, seien die Voraussetzungen für die Erstattung oder den Erlass der Abgaben nicht gegeben.

Nach dem Inhalt der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Eingangsabgaben in ihren Rechten verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In den Fällen, in denen ein einer Zollschuld entsprechender Abgabenbetrag nach den Artikeln 218 und 219 ZK buchmäßig nicht oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag erfasst worden ist, hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Betrags gemäß Artikel 220 Abs 1 ZK innerhalb der dort vorgesehenen Fristen zu erfolgen. Keine nachträgliche buchmäßige Erfassung hat nach Abs 2 Buchstabe b dieses Artikels zu erfolgen, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Nach Artikel 869 Buchtstabe a ZK-DVO treffen die Zollbehörden selbst die Entscheidung, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der nicht erhobenen Abgaben in Fällen abzusehen, in denen eine Zollpräferenzbehandlung im Rahmen eines Zollkontingents, eines Zollplafonds oder einer anderen Regelung gewährt wurde, obwohl die Berechtigung hierzu zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung bereits entfallen war, ohne dass dies bis zum Zeitpunkt der Überlassung der Waren durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften oder, wenn eine solche nicht erfolgt, durch eine geeignete Mitteilung im betreffenden Mitgliedstaat bekanntgegeben worden ist, sofern der Zollschuldner gutgläubig gehandelt und alle im Zollrecht vorgesehenen Vorschriften über die Zollanmeldung beachtet hat.

Nach Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe e ZK umfasst der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften die Zollpräferenzmaßnahmen, die von der Gemeinschaft einseitig zu Gunsten bestimmter Länder, Ländergruppen oder Gebiete erlassen worden sind. Nach Absatz 4 dieser Verordnungsstelle sind die im Absatz 3 Buchstabe e ZK aufgeführten Maßnahmen auf Antrag des Anmelders anwendbar, wenn die betreffenden Waren die Voraussetzungen für die Anwendung der erstgenannten Maßnahmen erfüllen. Der Antrag kann solange nachträglich gestellt werden, wie die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ist eine solche Maßnahme auf ein bestimmtes Einfuhrvolumen beschränkt, so wird sie nach Absatz 5 dieses Artikels im Fall von Zollkontingenten bei Erreichen des festgelegten Einfuhrvolumens und im Fall von Zollplafonds durch Verordnung der Kommission beendet.

Nach Artikel 27 ZK werden durch die Präferenzursprungsregeln die Voraussetzungen für den Erwerb des Warenursprungs im Hinblick auf die Anwendung der Maßnahmen nach Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe

d) oder e) festgelegt.

Nach § 10 Z 1 ZollR-DV kann der Antrag auf Gewährung eines ermäßigten Abgabensatzes im Rahmen von Zollkontingenten (Kontingentzollsatz) oder von Zollplafonds (Plafondzollsatz) nur bei Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gestellt werden, und zwar in der schriftlichen Zollanmeldung. Nach Z 3 dieser Verordnungsstelle kann der Antrag bei Zollplafonds auch in einer mündlichen Zollanmeldung gestellt werden.

Nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 3355/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 gelten für die Einfuhr von Waren näher bezeichneter Anhänge - zu denen auch die streitgegenständlichen Waren unbestrittenermaßen zählen - mit Ursprung in den Republiken Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien und der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1995 die für jede Ware angegebenen jährlichen Plafonds, bei deren Überschreiten die gegenüber Drittländern tatsächlich angewandten Zollsätze wiedereingeführt werden können. Sobald ein Plafond für die Einfuhr einer Ware ausgeschöpft ist, kann die Kommission durch Verordnung diese Zollsätze bis zum Ende des Kalenderjahres wiedereinführen.

Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3357/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 unterliegen die Einfuhren der in den oben genannten Anhängen bestimmten Waren mit Ursprung in den Republiken Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien sowie der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien Plafonds sowie einer gemeinschaftlichen Überwachung. Nach Abs 3 dieses Artikels erfolgt die Anrechnung auf die Plafonds oder Unterplafonds jeweils bei Gestellung der mit einer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr versehenen Waren, für die eine Warenverkehrsbescheinigung vorliegt, die den nach dem Verfahren des Artikels 27 ZK festgelegten Ursprungsregeln entspricht.

Nach Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 1959/95 der Kommission vom 9. August 1995 wurden ab 13. August 1995 die 1995 mit der Verordnung (EG) Nr. 3357/94 ausgesetzten Zölle bei der Einfuhr der im Anhang aufgeführten Waren mit Ursprung in den Republiken Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien und dem Gebiet der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien in die Gemeinschaft wieder erhoben.

Aus Artikel 20 ZK, insbesondere dessen Absatz 4, ist mit aller gebotenen Deutlichkeit ersichtlich, dass Präferenzmaßnahmen im Fall von Zollplafonds eines entsprechenden Antrages bedürfen. Auch in der Ausführungsbestimmung des § 10 Ziffer 1 ZollR-DV ist eindeutig festgelegt, dass die Gewährung des ermäßigten Abgabensatzes einen entsprechenden Antrag voraussetzt. Nach der auf den Beschwerdefall anzuwendenden speziellen Bestimmung des Artikel 1 Abs 3 der Verordnung (EG) Nr. 3357/94 erfolgt die Anrechnung auf die Plafonds oder Unterplafonds jeweils bei Gestellung der mit einer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr versehenen Waren. Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen und ihrem deutlich erkennbaren Zweck folgt aber, dass in der Zollanmeldung ein ausdrücklicher, auf die Inanspruchnahme des Plafonds gerichteter Antrag gestellt werden muss, damit die entsprechende Abgabenbegünstigung gewährt werden kann. Dass dieser Antrag im Zeitpunkt der Abfertigung zu stellen war, ergibt sich aus dem Erfordernis, dass die Inanspruchnahme der Begünstigung entsprechend der zitierten Verordnungen für Waren mit Ursprung in den genannten Ländern und Gebieten entsprechend zu überwachen war und von der Kommission bei Erschöpfung des Plafonds diesbezügliche Vorschriften zu erlassen waren.

In der beschwerdegegenständlichen Anmeldung wurde im Feld 36 (Bezeichnung "Präferenz") der Präferenzcode 300 (= Andere Zollpräferenz, keiner der nachstehenden Fälle) angegeben; entsprechend Anhang 37 f ZK-DVO hätte jedoch der Code 320 (Andere Zollpräferenzen, Zollkontingent) angegeben werden müssen. Das für Kontingente vorgesehene Feld 39 blieb unausgefüllt. Ein Antrag auf Anwendung des Plafondzollsatzes unterblieb somit. In der schriftlichen Zollanmeldung wäre der Antrag schriftlich und nicht mündlich zu stellen gewesen. Im Übrigen ist ein mündlich gestellter Antrag nicht aktenkundig. Wenn der Anmelder im Zeitpunkt der Abfertigung im behaupteten Einvernehmen mit dem Abfertigungsbeamten davon ausgegangen ist, die Abgabenbegünstigung sollte "frei" im Rahmen des zu diesem Zeitpunkt noch offenen Zollplafonds erfolgen, dann unterlag er einem Irrtum.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich vorbringt, es lasse sich dem "Gesetz" nicht entnehmen, was ein "aktiver" Irrtum sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des iSd Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b ZK maßgeblichen Irrtums der Zollbehörden ein Handeln der Zollbehörden und die Ursächlichkeit dieses Handelns für ihren Irrtum verlangt. Ein solcher Irrtum ist jeder Irrtum bei der Auslegung oder Anwendung der Vorschriften über Eingangs- oder Ausgangsabgaben, falls er auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen ist (vgl Witte/Alexander, Zollkodex Art 220 Rz 12 ff und die dort angeführte Rechtsprechung). Von einem solchen Irrtum kann aber im Beschwerdefall keine Rede sein, weil die Abgabenbegünstigung wie ausgeführt auf Grund des Umstandes, dass sie in der Zollanmeldung nicht beantragt worden ist, nicht zu gewähren war.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr 501/2001.

Wien, am 24. April 2002

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