VwGH 99/16/0113

VwGH99/16/011316.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. Februar 1999, Zl. RV 166-7/06/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung (in einer Grunderwerbsteuerangelegenheit), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §22;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
BAO §102;
BAO §245;
BAO §273 Abs1 litb;
VwRallg;
ZustG §22;
AVG §22;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
BAO §102;
BAO §245;
BAO §273 Abs1 litb;
VwRallg;
ZustG §22;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den Verwaltungsakten findet sich eine Ausfertigung des mit 28. Mai 1996 datierten, an den Beschwerdeführer gerichteten "Solidarschuldbescheides" GZ. 127/1208 des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Graz, wobei weder ein Vermerk über die Abfertigung zur Post ersichtlich noch ein Rückschein (Zustellnachweis) auffindbar ist.

Am 5. Juli 1996 langte beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz eine mit 2. Juli 1996 datierte Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 28. Mai 1996 ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als verspätet zurück, wobei sie davon ausging, der Solidarschuldbescheid sei "nach den allgemeinen Erfahrungen des Postlaufes" spätestens am Freitag, den 31. Mai 1996 dem Beschwerdeführer zugestellt worden. Der letzte Tag der Berufungsfrist wäre Sonntag, der 30. Juni 1996 gewesen, weshalb Montag, der 1. Juli 1996 als Ende der Berufungsfrist anzusehen wäre. Die Berufung sei laut Poststempel erst am 4. Juli 1996 zur Post gegeben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass seine Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 102 BAO bestimmt:

"Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, hat die Abgabenbehörde die schriftlichen Ausfertigungen mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken."

Stellt die Abgabenbehörde ein Schriftstück ohne Zustellnachweis zu, dann trifft sie die Beweislast (Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 4 zu § 102 BAO).

Nach der hg. Judikatur kann ohne aktenmäßigen Nachweis über die Zustellung eines Schriftstückes die Behörde den Lauf der Berufungsfrist nicht mit irgendeinem bestimmten Tag als "feststehend" betrachten. So wie es Sache der Behörde ist, darüber zu wachen, dass die gesetzliche Berufungsfrist seitens der Partei eingehalten wird, so obliegt es der Behörde auch, die aktenmäßigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass der Beginn des Fristenlaufes kalendermäßig festgestellt werden kann (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 unter AVG E 1 zu § 22 ZustG referierte hg. Judikatur). Hat die Behörde den Zustellnachweis für entbehrlich gefunden, so muß sie die Folgen auf sich nehmen, wenn sie späterhin der Behauptung der Partei, sie hätte den Bescheid nicht empfangen, nicht wirksam entgegenzutreten vermag (siehe dazu die bei Hauer/Leukauf a.a.O. unter E 3 referierte hg. Rechtsprechung). Dasselbe hat für den Fall zu gelten, dass die Partei (wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer) behauptet, den Bescheid erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (im Beschwerdefall nach dem 4. Juni 1996) erhalten zu haben.

Da es die Behörde im vorliegenden Fall verabsäumt hat, aktenmäßig die Grundlage für eine verläßliche Beurteilung der Frage zu schaffen, wann der in Rede stehende erstinstanzliche Bescheid zur Post gegeben bzw. zugestellt wurde, durfte sie die Berufung nicht als verspätet zurückweisen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm die VO BGBl. 416/1994.

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Wien, am 16. Dezember 1999

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