VwGH 99/15/0265

VwGH99/15/02653.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, in der Beschwerdesache der Stadtgemeinde Schwechat, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 24, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. November 1999, IVW3-BE-533-80/9-99, betreffend Kommunalsteuer Jänner bis Mai 1994 (mitbeteiligte Partei: Deutsche Lufthansa AG, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10),

Normen

DBAbk BRD 1955 Art1 Abs1;
DBAbk BRD 1955 Art14 Abs1 litc;
DBAbk BRD 1955 Art2 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art2;
DBAbk BRD 1955 Art6 Abs1;
GewStG §25;
GewStG Art2 Abs1;
GewStG;
KommStG 1993 §1;
KommStG 1993 §16 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art1 Abs1;
DBAbk BRD 1955 Art14 Abs1 litc;
DBAbk BRD 1955 Art2 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art2;
DBAbk BRD 1955 Art6 Abs1;
GewStG §25;
GewStG Art2 Abs1;
GewStG;
KommStG 1993 §1;
KommStG 1993 §16 Abs2;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von S 12.680,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Die mitbeteiligte Partei ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland. Sie unterhält in Österreich im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin am Flughafen Wien eine Betriebsstätte. Mit Kommunalsteuerbescheid vom 11. Juli 1994 setzte die beschwerdeführende Gemeinde die Kommunalsteuer gegenüber der Mitbeteiligten für die Beschäftigten dieser Betriebsstätte für den Zeitraum Jänner bis Mai 1994 mit S 472.412,11 fest. In der Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, dass Befreiungsgründe iSd § 16 Abs 2 KommStG 1993 nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954, BGBl 221/1955, geändert durch das Änderungsabkommen vom 8. Juli 1992, BGBl 361/1994 (im Folgenden: DBA) nicht vorlägen.

Gegen den Kommunalsteuerbescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung mit der Begründung, als ausländisches Unternehmen sei sie auf Grund des DBA nicht der Gewerbesteuer unterworfen und daher von der bis Ende 1993 in Österreich erhobenen Lohnsummensteuer befreit gewesen. Da die ab 1994 erhobene Kommunalsteuer die Lohnsummensteuer abgelöst habe, sei sie auch von der Entrichtung der Kommunalsteuer befreit.

Mit Berufungsbescheid vom 29. September 1994 wies die Beschwerdeführerin die Berufung als unbegründet ab. Zwar sei in Art. 2 Abs 1 Z 2 lit f DBA die Gewerbesteuer genannt und in Art. 2 Abs 2 DBA eine Anpassungsklausel enthalten. Da aber das DBA im Gegensatz zu anderen Doppelbesteuerungsabkommen die Lohnsummensteuer nicht ausdrücklich neben der Gewerbesteuer aufzähle, sei die Mitbeteiligte nicht von der Lohnsummensteuer befreit gewesen. Die Kommunalsteuer könne zudem nicht als gleichartige Nachfolgesteuer der Gewerbesteuer bzw der Lohnsummensteuer angesehen werden. Die Kommunalsteuer sei daher nicht vom DBA erfasst.

Gegen den Berufungsbescheid erhob die Mitbeteiligte Vorstellung.

Der Verwaltungsgerichtshof hob die Vorstellungsentscheidung mit Erkenntnis vom 22. April 1999, 97/15/0202, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf, weil nicht der Landeshauptmann von Niederösterreich, sondern die Niederösterreichische Landesregierung zur Entscheidung zuständig sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die Landesregierung über die Vorstellung entschieden. Sie hat der Vorstellung Folge gegeben, den Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin verwiesen. Es sei unstrittig, dass die Mitbeteiligte als Luftfahrtunternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 6 DBA in der Vergangenheit für die unmittelbar mit dem Betrieb der Luftfahrt zusammenhängenden Einkünfte in Österreich nicht der Gewerbeertragsbesteuerung unterlegen sei. Gemäß Art. 14 Abs 1 lit c DBA sei sie mit dem Vermögen, soweit es aus gewerblichen Unternehmen der Luftfahrt bestehe, auch der Gewerbekapitalbesteuerung nicht unterworfen gewesen. Die in Art. 2 Abs 1 Z 2 lit f DBA genannte Gewerbesteuer umfasse als "akzessorisch-unselbstständige Spielart" auch die Lohnsummensteuer. Kommunalsteuer und Lohnsummensteuer seien ihrem Wesen nach ähnliche Steuern iSd Art. 2 Abs 2 DBA mit der Folge, dass die Mitbeteiligte von der Kommunalsteuer in gleicher Weise befreit sei, wie dies für die Lohnsummensteuer gegolten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet eine Verletzung ihres Rechts auf Bemessung, Festsetzung und Einhebung der Kommunalsteuer gegenüber der Mitbeteiligten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Mitbeteiligte auf dem Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin am Flughafen Wien eine Betriebsstätte sowohl iSd § 29 BAO als auch iSd § 4 Abs 1 KommStG und Art. 4 Abs 3 DBA unterhält.

Gemäß § 16 Abs 2 KommStG bleiben die auf völkerrechtlichen Verträgen beruhenden Begünstigungen auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens hinsichtlich der Kommunalsteuer unberührt. Die Mitbeteiligte ist von der Verpflichtung zur Entrichtung der Kommunalsteuer ausgenommen, wenn nach den Bestimmungen des DBA Österreich kein Besteuerungsrecht für die Lohnsummensteuer zukäme (die Lohnsummensteuer ist durch Art. VII des Bundesgesetzes BGBl 818/1993, ab 1. Jänner 1994 aufgehoben worden) und sich die Kommunalsteuer zur Lohnsummensteuer als "gleiche oder ähnliche Steuer" iSd Art. 2 Abs 2 DBA darstellt.

Art. 2 Abs 1 DBA zählt taxativ jene Steuern auf, die im Zeitpunkt des Abschlusses von den Vertragsstaaten erhoben wurden und in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Gemäß Art. 2 Abs 1 Z 2 lit f DBA fällt die Gewerbesteuer darunter. Die Gewerbesteuer umfasste die Gewerbeertragssteuer, die Gewerbekapitalsteuer und die Lohnsummensteuer. Gewerbeertrag, Gewerbekapital und die Lohnsumme bildeten die Besteuerungsgegenstände der Gewerbesteuer. Als Lohnsummensteuer wurde die Gewerbesteuer von der Lohnsumme bezeichnet (vgl Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts I6, S 475). Während Gewerbeertrag und Gewerbekapital als Stammelemente der Gewerbesteuer anzusehen waren, diente die Lohnsummensteuer als deren Ergänzungselement (vgl Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 2-10). Aus diesem Ergänzungscharakter folgt, dass die Lohnsummensteuer als Teil der Gewerbesteuer auch ohne ausdrückliche Anordnung ebenfalls in den sachlichen Anwendungsbereich einbezogen ist (vgl Loukota, Internationale Aspekte der Steuerreform 1994, SWI 1993, 351; derselbe, Internationale Steuerfälle, Rz 495; Firlinger, Kommunalsteuer vom sachlichen Anwendungsbereich der DBA erfasst?, SWI 1994, 65).

Dem steht nicht entgegen, dass die Lohnsummensteuer in anderen Doppelbesteuerungsabkommen ausdrücklich mitaufgeführt wird. Die dort verwendete Formulierung "die Gewerbesteuer einschließlich der Lohnsummensteuer" deutet im Übrigen darauf hin, dass der Zusatz lediglich der Klarstellung dient.

Die Mitbeteiligte ist ein Luftfahrtunternehmen, deren Ort der Geschäftsleitung sich in Deutschland befindet. Gemäß Art. 6 Abs 1 DBA steht das Besteuerungsrecht für die unmittelbar mit dem Luftfahrtbetrieb zusammenhängenden Einkünfte Österreich nicht zu, auch wenn die Mitbeteiligte in Österreich eine Betriebsstätte unterhält. Gleiches gilt gemäß Art. 14 Abs 1 lit c DBA für das Gewerbekapital. Eine gesonderte Regelung für die Lohnsummensteuer enthält das Abkommen nicht. Die für die Gewinnbesteuerung vorgesehenen Zuteilungsregeln gelten jedoch sinngemäß für die Besteuerung der Lohnsumme (vgl Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 2-7). Das Recht zur Besteuerung der Lohnsumme folgt dem Recht zur Erhebung der Gewerbeertragssteuer und der Gewerbekapitalsteuer.

Gemäß der Anpassungsklausel des Art. 2 Abs 2 DBA gilt das Abkommen auch für jede gleiche oder ähnliche Steuer, die nach seiner Unterzeichnung von einem der Vertragsstaaten eingeführt wird. Die Kommunalsteuer ist gegenüber der Gewerbesteuer in Form der Lohnsummensteuer als "gleiche oder ähnliche Steuer" iSd Art. 2 Abs 2 anzusehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1999, 98/13/0021, ausgesprochen hat, sei bereits den Materialien zum KommStG zu entnehmen, dass die Kommunalsteuer in Zweck und Wirkungsweise der Lohnsummensteuer entspreche. Entscheidend sei aber, dass der Besteuerungsgegenstand der Kommunalsteuer (§ 1 KommStG) und jener der Lohnsummensteuer (§ 25 GewStG) deckungsgleich seien. Beide Abgaben hätten den gleichartigen Steuergegenstand, nämlich die Lohnsumme. Der Umstand, dass der Kreis der Abgabepflichtigen durch die Einführung der Kommunalsteuer erweitert worden sei, stehe der Gleichartigkeit der beiden Steuern nicht entgegen. Für den gegenständlichen Fall ist zudem darauf zu verweisen, dass nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs 2 DBA nicht nur eine gleiche, sondern bereits eine nur ähnliche Nachfolgesteuer in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fällt.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Ähnlichkeit iSd Art. 2 Abs 2 DBA sei nicht zwischen der Kommunalsteuer und der Lohnsummensteuer, sondern zwischen der Kommunalsteuer einerseits und der Gewerbeertragssteuer und der Gewerbekapitalsteuer andererseits festzustellen gewesen, weil nur diese den Zuweisungsnormen des DBA subsumiert werden könnten. Nach den obigen Ausführungen lässt sich die Lohnsummensteuer der Zuweisungsnorm für die Gewerbeertragssteuer bzw die Gewerbekapitalsteuer subsumieren, sodass ein Grund für die Beschränkung des Vergleiches auf die Gewerbeertragssteuer und die Gewerbekapitalsteuer nicht besteht.

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin führe die Auslegung des DBA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge und die Berücksichtigung von Ziel und Zweck des DBA, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, nicht zu einer Befreiung der Mitbeteiligten von der Entrichtung der Kommunalsteuer.

Gemäß Art. 31 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl 40/1980, ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Gemäß Art. 1 Abs 1 DBA soll durch das Abkommen vermieden werden, dass Personen, die in einem der beiden oder in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz haben, doppelt zu Steuern herangezogen werden, die nach der Gesetzgebung jedes der beiden Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Gemeinden oder Gemeindeverbände erhoben werden. Danach gehört die Gewerbesteuer zu den genannten Steuern, für die eine Doppelbesteuerung nach dem Zweck des DBA vermieden werden soll. Da die Lohnsummensteuer sowohl in Österreich als auch in Deutschland als Teil der Gewerbesteuer anzusehen gewesen ist, bezieht sich der Zweck des DBA gleichermaßen auf sie. Für die Kommunalsteuer als Nachfolgesteuer der Lohnsummensteuer gilt dies entsprechend. Damit steht der Zweck des DBA einer Befreiung der Mitbeteiligten von der Kommunalsteuer nicht entgegen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer. II. Die am 22. Dezember 1999 und damit rechtzeitig eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, über die unter I abgesprochen worden ist, führt im Rubrum als belangte Behörde den Landeshauptmann von Niederösterreich an. Aus den Ausführungen in der Beschwerde, insbesondere der Darstellung des Sachverhaltes, ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass sich die Beschwerdeführerin - in Kenntnis des obzitierten Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 97/15/0202 - im Rubrum im Ausdruck vergriffen hat und als belangte Behörde die Niederösterreichische Landesregierung bezeichnen wollte. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde in diesem Sinne ausgelegt.

Nach Ablauf der Beschwerdefrist hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist gestellt und zugleich eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingereicht, die sich von der am 22. Dezember 1999 eingereichten Beschwerde nur dadurch unterscheidet, dass im Rubrum ausdrücklich die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde bezeichnet ist.

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Da im gegenständlichen Fall die im Wiedereinsetzungsantrag behauptete Fristversäumnis nicht vorliegt, wird der Antrag zurückgewiesen. Wien, am 3. August 2000

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