VwGH 99/15/0251

VwGH99/15/025124.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über den Antrag des R L, vertreten durch Dr. Alexander Grohmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 2, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die teilweise Unterlassung der Mängelbehebung im hg. Beschwerdeverfahren 99/15/0140, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg Verfügung vom 22. Juli 1999 wurde der Antragsteller im Verfahren Zl. 99/15/0140 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG unter Zurückstellung der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides sowie einer der Beschwerde beigelegten Darstellung der Geschäftsverteilung der Berufungssenate aufgefordert, in einem dreifach zu erstattenden Schriftsatz das Recht bestimmt zu bezeichnen, in welchem er verletzt zu sein behauptet, die Gründe anzuführen, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, ein der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGG entsprechendes Begehren zu stellen und eine weitere Ausfertigung der Beschwerde beizubringen. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene und dem Beschwerdeführer zurückgestellte Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof wieder vorzulegen sei. Die Verfügung enthält auch den Hinweis, dass die Versäumung der gesetzten Frist als Zurückziehung der Beschwerde gilt.

Da der Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist zwar den ergänzenden Schriftsatz vom 25. August 1999 (in dreifacher Ausfertigung) und die weitere Ausfertigung der Beschwerde sowie den angefochtenen Bescheid und die Darstellung der Geschäftsverteilung der Berufungssenate, nicht aber die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Originalbeschwerde vorlegte, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG ein.

Der genannte Mängelbehebungschriftsatz des Beschwerdeführers vom 25. August 1999 enthält auf der ersten Seite folgende Ausführungen zur Beschreibung der Beilagen:

"4 Beilagen: Weitere Ausfertigung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom 28.01.1999 zu B 142/99 des Verfassungsgerichtshofes (einfach)

Bescheid (Berufungsentscheidung) des Berufungssenates IX als Organ der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1.12.1998, GZ RV/106-06/09/98 (einfach) Geschäftsverteilung der Berufungssenate der Berufungskommissionen in Abgabensachen für die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland (einfach)

Zahlschein hinsichtlich der Überweisung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VerwGG im Original"

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, am 25. August 1999 habe die Sekretärin dem Beschwerdevertreter die in der gegenständlichen Angelegenheit dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegenden Schriftsätze und Beilagen zur Kontrolle und Unterfertigung in einer eigenen Unterschriftenmappe übergeben. In der Mappe seien nacheinander gelegen:

Im Punkt 6 des Wiedereinsetzungsantrages heißt es, der Beschwerdevertreter habe auf der letzten Seite der Originalbeschwerde handschriftlich den Vermerk: "Nach Mängelbehebung dem Verwaltungsgerichtshof neuerlich samt Beilagen vorgelegt." angebracht. Er habe sodann die drei Ausfertigungen des Mängelbehebungsschriftsatzes und die weitere Ausfertigung der Beschwerde unterfertigt. Die Unterschriftenmappe habe wieder die oben stehend angeführten Schriftstücke enthalten.

Auf dem Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof habe der Beschwerdevertreter die Originalbeschwerde samt den angeschlossenen Beilagen nicht angeführt. "Dies deshalb, weil nach seiner Sicht als Schriftsatzverfasser diese Originalbeschwerde mit dem unter Punkt 6 angeführten angeführten handschriftlichen Beisatz dem Verwaltungsgerichtshof samt Beilagen neuerlich vorgelegt wurde. Der Originalbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof ... wurde als Beilage der jetzt erstellten Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof samt der auf diesem Schriftsatz angeführten Beilagen (darunter eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom 28. Jänner 1999) angeschlossen. Dieser Schriftsatz, der somit Beilage der neuerlich vorgelegten Originalbeschwerde war, konnte selbst nicht wiederum auf diese Originalbeschwerde als Beilage zurückverweisen."

Der Beschwerdevertreter habe die Unterschriftenmappe sodann zur Postabfertigung an seine verlässliche, in den Agenden einer Rechtsanwaltskanzlei versierte Chefsekretärin, Frau IL, übergeben. Er habe Frau IL ausdrücklich angewiesen, die Originalbeschwerde samt deren Beilagen, den Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof (dreifache Ausfertigung) und dessen Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof abzufertigen, und dann die Kopien der abgesandten Schriftstücke sowie die zum Akt gehörigen Unterlagen im Akt abzulegen. Frau IL sei sodann mit der Unterschriftenmappe zum Kopiergerät gegangen, um Kopien der unterschriebenen, abzusendenden Schriftsätze (des Schriftsatzes an den Verwaltungsgerichtshof, mit dem dem Mängelbehebungsauftrag entsprochen wurde, und der weiteren Ausfertigung der Originalbeschwerde) anzufertigen, zumal in der Kanzlei des Beschwerdevertreters Kopien von solchen Schriftstücken, die zu unterfertigen seien, stets erst nach der Unterschriftsleistung erstellt würden, damit sichergestellt sei, dass die jeweils letzte Fassung dieser Schriftstücke in den Handakten abgelegt werde. In der Folge habe Frau IL den Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof in dreifacher Ausfertigung samt den darauf angeführten Beilagen (darunter eine weitere Ausfertigung der Originalbeschwerde) in ein Kuvert verschlossen und dem kanzleiinternen Postexpedit übergeben. Auf Grund eines unvorhergesehenen Versehens habe Frau IL dem für den Verwaltungsgerichtshof vorgesehenen Kuvert die Originalbeschwerde nicht angeschlossen. Frau IL habe die dem Verwaltungsgerichtshof neuerlich vorzulegende Originalbeschwerde mit der ebenfalls unterfertigten weiteren Ausfertigung dieser Beschwerde verwechselt. Frau IL habe die Originalbeschwerde samt Beilagen mit der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juli 1999 und Kopien der Schriftsätze und Beilagen im Handakt abgelegt.

Die Sachverhaltsdarstellung wird durch Erklärungen des Beschwerdevertreters und der Frau IL bescheinigt. In der Erklärung von Frau IL wird u.a. ausgeführt, sie habe, nachdem ihr die Unterschriftenmappe übergeben worden war, den Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof in dreifacher Ausfertigung samt den darauf angeführten Beilagen in ein Kuvert (gerichtet an den Verwaltungsgerichtshof) verschlossen. Auf Grund eines unvorhergesehenen Versehens habe sie dem für den Verwaltungsgerichtshof bestimmten Kuvert die Originalbeschwerde nicht angeschlossen. Sie habe die dem Verwaltungsgerichtshof neuerlich vorzulegende Originalbeschwerde mit der weiteren, ebenfalls unterfertigen Ausfertigung der Beschwerde verwechselt.

§ 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 564/1985 lautet:

"Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

Die Wiedereinsetzung ist zu bewilligen, wenn eine Frist durch ein Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten der Partei versäumt wurde, es sei denn, es läge ein Verschulden der Partei vor (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Dezember 1991, 91/10/0233). Dem Verschulden der Partei selbst ist das Verschulden ihres Vertreters gleichzustellen (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Juni 1992, 88/17/0207).

Ist der Mängelbehebungsschriftsatz vom 25. August 1999 der führende Schriftsatz, so ergibt sich aus dem auf seiner ersten Seite angeführten Beilagenverzeichnis, welche Beilagen der Beschwerdevertreter dem Verwaltungsgerichtshof vorlegen wollte (weitere Ausfertigung der Beschwerde, angefochtener Bescheid, Aufstellung über die Geschäftsverteilung der Berufungssenate und Zahlschein für die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG). Dann wäre aus dem Umstand, dass die Originalbeschwerde nicht als Beilage angeführt ist, zu schließen, dass der Beschwerdevertreter die Originalbeschwerde dem Verwaltungsgerichtshof nicht habe vorlegen wollen, worin grundsätzlich ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Beschwerdevertreters zu erblicken ist (vgl. den hg. Beschluss vom 10. Oktober 1996, 96/15/0191).

Der Beschwerdeführer behauptet nun, dass die Originalbeschwerde der führende Schriftsatz sein solle. Der Mängelbehebungsschriftsatz sei dessen Beilage. Die weiteren dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegenden Schriftstücke wären Beilagen des Mängelbehebungsschriftsatzes. Bei dieser Sachverhaltsdarstellung fällt auf, dass die - nunmehr mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegte - Originalbeschwerde zwar den Vermerk des Beschwerdevertreters trägt, wonach sie dem Verwaltungsgerichtshof neuerlich samt Beilagen vorgelegt werde, nach wie vor aber nur "2 Beilagen", nämlich 1. den angefochtenen Bescheid und 2. die Aufstellung der Geschäftsverteilung der Berufungssenats anführt. Andererseits sind dieselben Schriftstücke (angefochtener Bescheid und Aufstellung der Geschäftsverteilung der Berufungssenate) auch auf dem Mängelbehebungsschriftsatz vom 25. August 1999 als Beilagen angeführt. Der nach der Behauptung des Beschwerdeführers führende Schriftsatz nennt somit die - nach dieser Darstellung - wesentliche Beilage, nämlich den Mängelbehebungsschriftsatz nicht, führt aber andererseits zwei Beilagen an, die zugleich auch im Mängelbehbungsschriftsatz als Beilagen bezeichnet sind (und sohin doppelt hätten beigebracht werden sollen, was weder sinnvoll gewesen wäre noch tatsächlich erfolgt ist). Durch eine derartige Verflechtung der Beilagenverfügungen wird eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, bei der es für die Sekretärin auch dann nur schwer nachvollziehbar sein kann, welche Schriftstücke tatsächlich übersandt werden sollen, wenn ihr der Beschwerdevertreter mündlich alle mitzusendenden Schriftstücke aufzählt, zumal zu den Beilagen auch eine Ausfertigung der zu übermittelnden Originalbeschwerde gehört. Werden in der schriftlichen Beilagenverfügung bestimmte Schriftstücke doppelt, andere gar nicht erfasst, so kann sich der Beschwerdevertreter jedenfalls dann nicht auf eine von ihm mündlich erteilte Weisung verlassen, wenn sich diese mündliche Weisung auf zumindest sechs unterschiedliche Schriftstücke bezieht. In Anbetracht der verwirrenden schriftlichen Beilagenverfügung und der viele Schriftstücke umfassenden mündlichen Weisung hätte den Beschwerdevertreter im Rahmen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht die Verpflichtung getroffen zu prüfen, ob der Postsendung tatsächlich die von ihm intendierten Schriftstücke beigegeben worden sind.

Den Beschwerdevertreter trifft sohin ein eigenes Verschulden, das im Hinblick darauf, dass es sich bei dem fraglichen Schriftsatz bereits um einen zur Verbesserung von der Beschwerde anhaftenden Mängeln erstatteten Schriftsatz handelt, einen minderen Grad des Versehens übersteigt.

Dem Antrag konnte daher nicht stattgegeben werden.

Wien, am 24. Februar 2000

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