VwGH 99/13/0065

VwGH99/13/006516.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des GN in W, vertreten durch Dr. Robert Briem, Rechtsanwalt in 1016 Wien, Volksgartenstraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. März 1999, Zl. RV/313 - 07/06/98, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212a Abs9;
BAO §212a;
BAO §236 Abs1;
BAO §212a Abs9;
BAO §212a;
BAO §236 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 27. April 1998 stellte der Beschwerdeführer, ein Steuerberater, den Antrag, die ihm gemäß § 212a BAO bescheidmäßig vorgeschriebenen Aussetzungszinsen von insgesamt 640.870 S nach § 236 BAO wegen Unbilligkeit nachzusehen. Der Beschwerdeführer sei bis Ende 1985 Komplementärgesellschafter der C. KG gewesen. Nach seinem Ausscheiden aus dieser Gesellschaft habe eine Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1981 bis 1985 stattgefunden. Da der für einen anteiligen Firmenwert bezahlte Kaufpreis als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet worden sei, seien die in den Jahren 1981 bis 1985 bei der C. KG abgesetzten Abschreibungen steuerlich nicht mehr anerkannt worden. Auf Grund der geänderten Grundlagenbescheide der C. KG sei es zu Einkommensteuernachzahlungen für den Beschwerdeführer für die Jahre 1981 bis 1985 in der Höhe von insgesamt 914.287 S gekommen. Der Beschwerdeführer habe gegen die Einkünftefeststellungsbescheide am 19. Dezember 1988 das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Auf Grund entsprechender Anträge sei auch die Aussetzung der Steuernachzahlungen nach § 212a BAO bewilligt worden. Am 15. Jänner 1998 habe in der Berufungsangelegenheit eine mündliche Berufungsverhandlung stattgefunden. In der daraufhin ergangenen Berufungsentscheidung im Feststellungsverfahren sei zwar mangels Übertragung eines Wirtschaftsgutes keine Abschreibung anerkannt, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes im Jahr 1985 jedoch ein Betrag von 2,5 Mio. S bei seinen Einkünften abgezogen worden. Unter Berücksichtigung einer Einkommensteuergutschrift für das Jahr 1985 in Höhe von 453.256 S habe sich in der Folge insgesamt eine Einkommensteuernachzahlung für den Beschwerdeführer betreffend die Jahre 1981 bis 1985 von 768.446 S ergeben. Durch die "Verschiebung der Steuerlast" seien für die gemäß § 212a BAO ausgesetzten Steuerbeträge Aussetzungszinsen von insgesamt 640.870 S festgesetzt worden. Das Rechtsmittelverfahren habe beinahe zehn Jahre gedauert. Die Länge des Verfahrens habe vom Beschwerdeführer weder beeinflusst noch vorhergesehen werden können. Insgesamt lägen die Voraussetzungen für eine Nachsichtsmaßnahme nach § 236 BAO vor.

Gegen die abweisende Erledigung des Nachsichtsansuchens erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er machte im Wesentlichen nochmals die lange Dauer des abgabenrechtlichen Rechtsmittelverfahrens betreffend die C. KG geltend. Außerdem sei der Beschwerdeführer dadurch beeinträchtigt, dass ihm Zinsen für die ausgesetzten Einkommensteuerbeträge in einer Höhe vorgeschrieben worden seien, die in keinem Verhältnis zum ausgesetzten Betrag stünden (Aussetzungszinsen von 640.870 S stehe eine Gesamtnachzahlung von 768.446 S gegenüber). Der Beschwerdeführer schlage daher vor, bei der Berechnung der Aussetzungszinsen den Gutschriftsbetrag 1985 von den Vorschreibungen der Jahre 1981 bis 1984 in Abzug zu bringen, wodurch sich im Ergebnis Aussetzungszinsen von 302.427 S errechneten. Gegenüber den bisher vorgeschriebenen Aussetzungszinsen in Höhe von 640.870 S verbleibe somit eine "nachzusehende Abgabenschuldigkeit" von 338.443 S.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO liege schon deshalb nicht vor, weil die vom Nachsichtsbegehren betroffenen Aussetzungszinsen eine Abgabenschuld darstellten, deren Entstehen vom Beschwerdeführer durch seinen Antrag auf Aussetzung der Einhebung ausgelöst worden sei. Die Antragstellung sei eine vom Beschwerdeführer selbst getroffene Entscheidung, deren gesetzliche Folgen er tragen müsse. Auf Grund seiner Stellung als Steuerberater habe er insbesondere auch wissen müssen, dass bei langer Dauer des dem Aussetzungsantrag zu Grunde liegenden Berufungsverfahrens die für diesen Zeitraum festzusetzenden Aussetzungszinsen eine beträchtliche Höhe erreichen könnten. Zum Vorschlag, bei der Berechnung der Aussetzungszinsen den Gutschriftsbetrag 1985 von den Vorschreibungen 1981 bis 1984 abzuziehen, sei darauf hinzuweisen, dass die Aussetzung der Einhebung abgabenbezogen zu betrachten sei und daher bei der Berechnung der Aussetzungszinsen eine Abgabengutschrift für eine andere Abgabenschuld nicht berücksichtigt werden könne.

In der Beschwerde sieht sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO, insbesondere "in meinem Recht darauf, dass mir Aussetzungszinsen im Betrag von S 338.443,--, welche für die Perioden 1981 bis 1984 vorgeschrieben wurden, gemäß § 236 BAO nachgesehen werden", verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1995, 94/13/0264, 0265).

Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst werden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 24. Februar 1998, 97/13/0237, und vom 17. Oktober 2001, 98/13/0073). Vor dem Hintergrund, dass es in der Ingerenz des Abgabepflichtigen liegt, das Entstehen der Aussetzungszinsen in gegebenenfalls beträchtlicher Höhe durch Entrichtung der ausgesetzten Abgaben zu verhindern, kann auch eine allfällig lange Dauer des Berufungsverfahrens keine sachliche Unbilligkeit in der Einhebung der dadurch aufgelaufenen Aussetzungszinsen (denen außerdem der Aspekt des Zinsengewinnes durch den Zahlungsaufschub beim Abgabepflichtigen gegenübersteht) begründen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 2000, 95/15/0031, vom 17. Oktober 2001, 98/13/0073, und vom 30. Juli 2002, 99/14/0315).

Auch im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer durch seinen gemäß § 212a BAO gestellten Antrag auf Aussetzung der Einhebung (die Beschwerde weist dazu auf die entsprechende Antragstellung vom 19. Dezember 1988 bzw. 16. August 1989 hin) das Entstehen der Aussetzungszinsen ausgelöst und in der Folge trotz des über längere Zeit laufenden Berufungsverfahrens von der Entrichtung der Abgabenschuld Abstand genommen. Damit lag aber in Bezug auf den Anfall der Aussetzungszinsen eine nach der Rechtslage zu erwartende Abgabenschuld vor. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde wiederum vorbringt, er sei im Feststellungsverfahren "bloß Nebenbeteiligter" gewesen bzw. habe er auf den Gang dieses Berufungsverfahrens nicht Einfluss nehmen können, ändert dies nichts an den auch vom Beschwerdeführer letztlich nicht bestrittenen, für die Verneinung der sachlichen Unbilligkeit wesentlichen Dispositionsmöglichkeiten in Bezug auf das Entstehen und Auflaufen der Aussetzungszinsen. Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer laut dem aktenkundigen Berufungsschriftsatz vom 19. Dezember 1988 selbst gemäß § 246 Abs. 2 BAO Berufung gegen die Einkünftefeststellungsbescheide erhoben hat, sodass ihm in diesem Berufungsverfahren ohnedies alle Rechte eines Berufungswerbers zustanden.

In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, die Unbilligkeit ergebe sich im vorliegenden Fall ferner daraus, dass der Gutschriftsbetrag, welcher sich für 1985 ergeben habe, bei der Ermittlung der Aussetzungszinsen betreffend die Jahre 1981 bis 1984 nicht berücksichtigt worden sei, wodurch es zu einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 810.954 S anstatt von 357.698 S gekommen sei.

Dieses vom Beschwerdeführer angesprochene Fehlen der Saldierung der Abgabenvorschreibungen verschiedener Kalenderjahre ist aber eine Folge der Abgabenbezogenheit der Aussetzung der Einhebung, die es nicht erlaubt, die infolge Herabsetzung einer Abgabenschuld entstehende Gutschrift rückwirkend bei der Berechnung der Aussetzungszinsen für eine andere Abgabenschuld zu berücksichtigen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1997, 94/15/0167, und vom 31. Juli 2002, 2002/13/0078). Die Vorschreibung der Aussetzungszinsen erfolgte demgemäß im Einklang mit der allgemeinen Rechtslage, sodass ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis nicht erkennbar ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Oktober 2002

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