VwGH 99/12/0017

VwGH99/12/001724.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des Dr. S in W, gegen die Erledigung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten vom 14. Mai 1998, Zl. 0.24.47/0041e.IV.2/98, betreffend Widerruf von Formulierungen in einer Gegenschrift, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art18;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art18;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen (einschließlich seiner Verfassungsgerichtshof - Beschwerde) sowie seiner Akten zu Zl. 94/18/0738, geht der Verwaltungsgerichtshof von Folgendem aus:

In dem unter hg. Zahl 94/18/0738 protokollierten Verfahren betreffend eine Beschwerde von M.R, des Bruders des Beschwerdeführers, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Moskau vom 18. Juli 1994 in Angelegenheit Versagung eines Sichtvermerkes zur Einreise nach Österreich nach § 10 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1992 wurde in der Gegenschrift der damals belangten Behörde vom 13. Jänner 1995 ua ausgeführt, der Einladung von M.R. durch den Beschwerdeführer sei zu entnehmen, daß dieser selbst (Anmerkung: zum damaligen Zeitpunkt) staatenlos sei und "sich daher in Österreich selbst nicht in einer sozial abgesicherten Position befindet, um die von ihm angesprochene Kostenzahlung im Unglücksfall tatsächlich zu garantieren". Das Einladungsschreiben habe über die persönlichen Umstände des Einladenden bei objektiver Betrachtung "die Indikation einer ungefestigten Existenz für sich". Damit sei der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FremdenG 1992 gegeben. Zur Ermessensübung nach § 7 FremdenG 1992 wurde in der Gegenschrift darauf hingewiesen, die belangte Behörde in Moskau habe unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten über die verschiedentliche Nutzung des Aufenthaltes im Inland "im Zusammenhang mit der Besonderheit der persönlichen Verhältnisse des Einladenden" entschieden. Die ergangene Entscheidung "ist Ausfluß der langjährigen Erfahrung der belangten Behörde mit der im konkreten Fall typischen Signifikanz für das Verhalten russischer Staatsangehöriger". In der Folge wies die damals belangte Behörde darauf hin, die drei kurz vor der vorliegenden Antragstellung liegenden und zeitlich knapp aufeinanderfolgenden Aufenthalte des M.R. in Österreich seien ihr bekannt. Sie seien "auch signifikant für die Entscheidung (gewesen), da anzunehmen war, daß andere Motive als bloßer Verwandtschaftsbesuch innerhalb kurzem Intervall zum nochmaligen Besuch mit längerdauerndem Aufenthaltsziel der Reisezweck gewesen wäre."

In der Folge wandte sich der Beschwerdeführer an die Österreichische Botschaft in M. und begehrte zu den seine Person betreffenden Aussagen in dieser Gegenschrift verschiedene Auskünfte, darunter auch, wer die konkreten Indizien (Erfahrungswerte), auf denen diese Behauptungen fußten, festgestellt habe, in welchem Dokument sie wann festgehalten und wie sie übermittelt worden seien, sofern sie nicht von der belangten Behörde selbst festgestellt worden seien. Sein Auskunftsbegehren begründete der Beschwerdeführer damit, es sei erforderlich, um seine rechtlichen Interessen zum Schutze seiner Ehre in wirksamer Weise wahrzunehmen.

In der Folge entwickelte sich ein Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer, der Österreichischen Botschaft in M. sowie dem Bundesministerium für Inneres.

Mit Schreiben vom 1. August 1997 forderte der Beschwerdeführer die Österreichische Botschaft in M. auf , folgende in der oberwähnten Gegenschrift vom 13. Jänner 1995 enthaltene Behauptungen,

"daß 'die Leistungsfähigkeit des S.R. (= Beschwerdeführer) stark begrenzt ist',

daß ich mich 'nicht in einer sozial abgesicherten Position befinde',

daß 'nach Vernehmung des S.R. Indizien dafür sprechen, daß die Wiederausreise ( eines Dritten) nicht gesichert ist'

sowie

daß die 'Erfahrungswerte über die verschiedentliche Nutzung des Aufenthaltes im Inland im Zusammenhang mit der Besonderheit der persönlichen Verhältnisse (meiner Person)' vorliegen und daß es sich um 'im konkreten Fall typische Signifikanz für das Verhalten russischer Staatsangehöriger' handelt"

binnen vier Wochen ab Erhalt dieses Briefes schriftlich zu widerrufen und ihm diesen Widerruf zuzustellen. Er behalte sich vor, die Veröffentlichung des Widerrufes auf "Ihre Kosten ergänzend zu begehren".

In der Folge kam es zu einem ausgedehnten Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer, der Österreichischen Botschaft in M., der Volksanwaltschaft, an die sich der Beschwerdeführer gleichfalls gewandt hatte, und dem Landeshauptmann von Steiermark (wegen des damaligen Aufenthaltsortes in G.). Es kam jedoch nicht zu dem von ihm beantragten Widerruf.

Mit Schreiben vom 12. April 1998 stellte der Beschwerdeführer bei der nunmehr belangten Behörde einen "Devolutionsantrag". Er wies darauf hin, daß in der Gegenschrift der Österreichischen Botschaft in M. vom 13. Jänner 1995 Behauptungen und Äußerungen gemacht worden seien, die seine Ehre kränkten, seinem guten Ruf und seiner Kreditwürdigkeit schadeten, ihn in wahrnehmbarer Weise eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigten und ihn verächtlich machten (wird unter Hinweis auf die inkriminierten Äußerungen in der Gegenschrift näher ausgeführt). Mit Brief vom 1. August 1997 habe er bei der Botschaft den Antrag gestellt, die zitierten Behauptungen schriftlich zu widerrufen und ihm den Widerruf zuzustellen. Es sei ihm bis dato kein die Sache bzw. seinen Antrag erledigender Bescheid der Botschaft zugegangen, obwohl mehr als 6 Monate seit seinem Antrag verstrichen seien. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer "den Übergang der Zuständigkeit über meinen Antrag vom 01.08.1997 auf den Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten......und ersuche Sie, meinen Antrag zu erledigen bzw. die im o.g. Schriftsatz Ihnen unterstehender Botschaft gemachten oben zitierten Behauptungen schriftlich zu widerrufen und den Widerruf mir zuzustellen."

Darauf erhielt er folgendes nicht als Bescheid bezeichnetes

Schreiben vom 14. Mai 1998:

"Sehr geehrter Herr Dr.R.!

Mit Bezug auf Ihr an Bundesminister Dr. Schüssel gerichtetes Schreiben vom 12. April 1998 möchte ich als Leiter der Rechts- und Konsularsektion im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten in seinem Auftrag zunächst auf das Schreiben des Herrn Bundesministers vom Jänner 1998 an Frau Volksanwältin Dr. Messner verweisen, von dem ich annehme, daß Ihnen dessen wesentlicher Inhalt betreffend die relevante Rechtslage bereits durch die Volksanwaltschaft zur Kenntnis gebracht worden ist.

Da die in Ihrem Schreiben erneut angesprochenen Formulierungen in der Gegenschrift der Österreichischen Botschaft in M. vom 13. Jänner 1995, die im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffend die im Jahr 1994 erfolgte Ablehnung der Erteilung eines Sichtvermerkes an Ihren Bruder, Herrn M.R., erstattet worden ist, nicht für die Öffentlichkeit, sondern ausschließlich für die Zwecke dieses behördlichen bzw. höchstgerichtlichen Verfahrens, in dem Ihnen keine Parteistellung zukam, bestimmt waren, kann Ihrem Anliegen bedauerlicherweise nicht entsprochen werden.

(Unterschrift eines Organwalters)"

Gegen diese vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete Erledigung erhob er zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in der er sich in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Datenschutz , auf Achtung der Privatsphäre sowie im absoluten Persönlichkeitsrecht auf Ehre verletzt erachtete. Mit Beschluß vom 28. September 1998, B 1167/98, lehnte der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung ab, trat sie jedoch antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seinem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schreiben vom 20. März 1999 hat der Beschwerdeführer näher dargelegt, weshalb seiner Meinung nach die angefochtene Erledigung als Bescheid anzusehen ist.

Vorab ist zu prüfen, ob der angefochtenen, nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung, die unter ausdrücklicher Berufung im Auftrag des Bundesministers ergangen ist und daher der belangten Behörde zuzurechnen ist, Bescheidcharakter zukommt.

Die Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid ist, daß es im Willen des Organes liegt, einen Akt der hoheitlichen Gewalt zu setzen (vgl. VfSlg. Nr. 4856/1964) und daß es diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VfSlg. Nr. 5464/1967).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (ständige Rechtsprechung beginnend mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. NF Nr. 9458/A).

Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" oder der Verwendung " teilt Ihnen mit". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist zu schließen, daß kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1996, 96/12/0094, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Im Beschwerdefall ist entscheidend, daß die auf ihre Bescheidqualität zu prüfende Erledigung der belangten Behörde vom 14. Mai 1998 weder als Bescheid bezeichnet ist noch sonst den Aufbau eines Bescheides (Begründung, Rechtsmittelbelehrung) aufweist. Sie beginnt und endet jeweils mit einer im (allgemeinen) Schriftverkehr üblichen Höflichkeitsfloskel.

Der erste Absatz enthält überhaupt bloß einen Verweis auf die Beantwortung einer Anfrage der Volksanwaltschaft durch die belangte Behörde "zur relevanten Rechtslage". Ihm kommt auf Grund seines Inhaltes kein Bescheidcharakter zu.

Auch dem 2. Absatz dieses Schreibens ist nicht zwingend ein normativer Charakter beizumessen. Dazu kommt, daß der Inhalt einer Erledigung allein dann nicht notwendig zur Deutung als Bescheid zu führen hat, wenn die Erledigung nach den jeweils als Beurteilungsmaßstab in Betracht kommenden Rechtsvorschriften nicht in Bescheidform zu ergehen hat, weil im Zweifel von einer gesetzeskonformen Vorgangsweise der Behörde auszugehen ist. Im

2. Absatz der bekämpften Erledigung begründet die belangte Behörde näher, warum ihrer Auffassung nach der Widerruf von (vom Beschwerdeführer in Bezug auf seine Person als inkriminierend angesehenen) Äußerungen, die in der Gegenschrift in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren eines Dritten verwendet wurden, nicht vorzunehmen ist. Es gibt kein (nach Art. 18 B-VG erforderliches) Gesetz, das einen Bundesminister (oder eine sonstige Behörde) ermächtigt bzw. verpflichtet, in Bescheidform eine (positive oder negative) Sachentscheidung über den Widerruf einer in seinem Ressortbereich (in ihrem Bereich) in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof getätigten Äußerung vorzunehmen. Auch deshalb kommt dem 2. Absatz der bekämpften Erledigung, in dem der vom Beschwerdeführer begehrte Widerruf abgelehnt wird, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Bescheidqualität zu.

An dieser Einordnung können auch die vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 20. März 1999 gemachten Äußerungen nichts ändern.

Da es damit an einer Prozeßvoraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde fehlt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren und ohne weitere Kosten für den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages konnte wegen des Fehlens einer Prozeßvoraussetzung (hier: kein Bescheid) unterbleiben.

Wien, am 24. März 1999

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