VwGH 99/09/0032

VwGH99/09/003228.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerden des S in Bohol, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen die Bescheide jeweils vom 14. Dezember 1998 der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien, gemeinsame Zl. Ob 113-277920-008, betreffend Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage (protokolliert zur hg. Zl. 99/09/0032) bzw. Erhöhung der Pflegezulage (protokolliert zur hg. Zl. 99/09/0033), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §18 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §18 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1935 geborene Beschwerdeführer erlitt am 12. März 1945 durch die Explosion einer Panzergranate multiple Verletzungen, welche zuletzt mit Bescheid vom 24. Oktober 1981 wie folgt als Dienstbeschädigungen anerkannt worden waren:

  1. 1. Verlust des rechten Unterarmes mit Durchblutungsstörungen des Stumpfes,
  2. 2. Verlust des linken Daumens und des ersten Mittelhandknochens,
  3. 3. Reizlose Splitternarbe über dem rechten Auge,
  4. 4. Reizlose Splitternarbe an der linken Schulter, am rechten Knie und am rechten Unterschenkel ohne Funktionsstörung,
  5. 5. Reizlos eingeheilte Stecksplitter hinter dem linken Ohr, am linken Unterschenkel sowie in den Weichteilen der rechten Schulter,
  6. 6. Geringgradige Bewegungsbehinderung der linken Schulter nach Splitterverletzung,
  7. 7. Schwerhörigkeit beidseits,
  8. 8. Chronische Ohreiterung rechts.

Mit Bescheid vom 5. November 1981 wurde dem Beschwerdeführer auf Grund dieser Dienstbeschädigungen die Schwerstbeschädigtenzulage und mit Bescheid vom 23. April 1990 die Pflegezulage in Höhe der Stufe I zuerkannt.

Mit Eingabe vom 3. Oktober 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage sowie die Erhöhung der Pflegezulage nach § 18 KOVG, weil sich im Zustand der anerkannten Dienstbeschädigungen eine wesentliche Verschlechterung ergeben habe, insbesondere habe die Bewegungsbehinderung der linken Schulter (Pos. 6) massiv zugenommen. Auf Grund der Verschlimmerung seiner Kriegsverletzungen sei er nunmehr derart hilflos, dass er auch der außergewöhnlichen Pflege und Wartung bedürfe.

Mit Eingabe vom 17. Oktober 1996 ergänzte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen dahingehend, er leide nunmehr auch an starken Gleichgewichtsstörungen, weil sich die chronische Ohreiterung (Pos. 8) massiv verschlechtert habe und durch das ständige "Rinnen" die Gleichgewichtsstörungen zugenommen hätten. Gleichzeitig legte er eine ärztliche Bestätigung des HNO-Arztes Dr. Theodore A. Dumaluan vom 8. Oktober 1996 vor, der hiermit bestätigte, dass der Beschwerdeführer wegen wiederkehrender Schwindelanfälle und einer chronischen Mittelohrinfektion an beiden Ohren seit etwa einem Jahr bei ihm in Behandlung stehe. Beide Trommelfelle seien perforiert (30 % AD; 50 % AS), dennoch die meiste Zeit nass. Bedingt durch die chronische Sinusitis beidseits verschlimmere sich auch der Hörverlust (Pos.7).

Auf Grund dieser Erhöhungsanträge wurde der Beschwerdeführer am 19. Dezember 1996 vom Vertrauensarzt der österreichischen Botschaft in Manila, Dr. Varwig, untersucht, der über den Zustand des Beschwerdeführers folgendes Gutachten abgab:

"Der 61-jährige Herr S stellte sich am 19. Dezember 1996 nach einer Anreise von über 600 km zur Nachuntersuchung vor.

Er berichtete, dass er am Kriegsende bei der Explosion eines Munitionszuges verwundet worden sei. Er habe multiple Splitterverletzungen erlitten. Die Trommelfelle seien perforiert gewesen. Er habe seinen rechten Unterarm verloren und links habe sein Daumen im Grundgelenk amputiert werden müssen.

Er klagt über Schwerhörigkeit. Es bestehe ein Kältegefühl im Unterarmstumpf. Er habe Schmerzen in beiden Schultergelenken bei eingeschränkter Beweglichkeit. Er habe wegen Schwäche im rechten Bein Schwierigkeiten längere Strecken zu gehen. 1993 sei es zur Eiterung um den Metallsplitter hinter dem rechten Ohr gekommen. Es habe sich ein Abszess gebildet, der chirurgisch hätte behandelt werden müssen. Er sei sehr schwerhörig als Folge der Verwundung. Er litte außerdem an häufigem Drehschwindel beim Aufstehen aus dem Liegen oder beim Umdrehen im Bett.

Bei der Untersuchung des altersentsprechend aussehenden Mannes entsprachen die Befunde im Wesentlichen denen, die nach der Mitteilung vom 4. November 1996 als Gesundheitsschädigungen anerkannt waren und unter Punkt 1. bis 8. aufgezählt wurden. Es bestand zurzeit kein Ausfluss aus dem rechten Ohr. (Leider hat man in der Ohrenklinik von Dr. Sevilla nur die Audiometrie und nicht die allgemeine ohrenfachärztliche Untersuchung durchgeführt, um die ich auch gebeten hatte). Bei der Audiometrie wurde rechts eine mäßige (45 %) und links eine schwere Taubheit festgestellt.

Herr S. war auf die Hilfe seiner Frau beim An- und Auskleiden angewiesen. Er hatte besonders Schwierigkeiten beim Ausziehen der Hose. Als wesentlicher neuer Befund fand sich eine erhebliche Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken, wobei passiv in allen Ebenen nur einige wenige Grade Bewegung möglich war (völlig "eingefrorene" Schultergelenke). Die Prüfung der Beweglichkeit war deutlich schmerzhaft. An den Beinen konnten keine auffallenden Befunde erhoben werden. Es bestand keine Atrophie.

Beurteilung:

Herr S durch Kriegseinwirkungen erhebliche Verletzungen

erlitten. Die wichtigsten davon sind:

1. Verlust des rechten Unterarms (MdE = 50 - 60%)

2. Verlust des linken Daumens mit Mittelhandknochen (MdE = 30%)

  1. 3. Schwere Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken

    (MdE = 30%)

    4. Beiderseitige Schwerhörigkeit mit leichten Gleichgewichtsstörungen (MdE = ~50%)

    Herr S ist durch die Folgen seiner Dienstbeschädigung ständig auf die Hilfe Anderer bei den Verrichtungen des täglichen Lebens angewiesen, da er mit seiner verbliebenen linken Hand durch völligen Verlust des Daumens keine kleine Gegenstände manipulieren (Knöpfe öffnen und schließen, Nahrungsmittel zerkleinern, Kleidungsstücke an- und ausziehen, usw.) kann. In den letzten Jahren hat sich sein Zustand durch zunehmendes Alter und Versteifung der Schultergelenke noch bedeutend verschlimmert. Dazu kommt noch die Schwerhörigkeit, die seinen Zustand weiter kompliziert.

    Bei Berücksichtigung der einzelnen durch Dienstbeschädigung verursachten Ausfälle addiert sich nach den mir vorliegenden vom deutschen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1973 herausgegebenen "Anhaltspunkten für die Ärztliche Gutachtertätigkeit" die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei Herrn S auf weit über 100 %.

    Die bestehende Hilflosigkeit ist allein durch die Dienstbeschädigung bedingt und besteht in diesem Ausmaße seit etwa 10 Jahren."

    Auf Grund des Akteninhaltes erstellte daraufhin der Facharzt für Chirurgie Dr. Manfred Kolb am 15. Mai 1997 Befund und Gutachten über den Zustand des Beschwerdeführers, wonach "von Seiten der anerkannten Dienstbeschädigung es zu keiner maßgeblichen Verschlimmerung gekommen" sei. An akausalen Gesundheitsschädigungen bestehe nunmehr eine höhergradige Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken, der Beschwerdeführer sei beim An- und Auskleiden auf fremde Hilfe angewiesen. Die Dienstbeschädigung sei gleich geblieben, an akausalen Leiden sei eine Polyarthrose mit höhergradiger Bewegungseinschränkung der Schultergelenke festzustellen. Der Beschwerdeführer bedürfe für lebenswichtige Verrichtungen, nämlich für das An- und Auskleiden, für die tägliche gründliche Körperreinigung sowie für die Reinigung nach Notdurftverrichtung qualifizierter Hilfeleistungen, könne aber ohne fremde Hilfe das Essen einnehmen. Außergewöhnliche Pflege und Wartung sei nicht erforderlich, dauerndes Krankenlager liege nicht vor. Die Hilflosigkeit werde im Zusammenwirken der kausalen und akausalen Leiden verursacht. Die Dienstbeschädigung sei wesentlich, d. h. annähernd gleichwertig und am Gesamtzustand der Hilflosigkeit beteiligt, für welchen die Zuerkennung der Pflegezulage im Ausmaß der Stufe I vorgeschlagen werde.

    Daraufhin wies das Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 23. Mai 1997 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage gemäß § 11a und 52 Abs. 2 KOVG und mit Bescheid vom 30. Juni 1997 seinen Antrag auf Erhöhung der Pflegezulage gemäß §§ 18 und 52 Abs. 2 KOVG mit der im Wesentlichen gleich lautenden Begründung ab, nach dem nunmehr eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 15. Mai 1997 (Dris. Manfred Kolb), welches als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung dieser Entscheidung zu Grunde gelegt werde, ergebe sich, dass gegenüber den in früheren Verfahren erhobenen ärztlichen Befunden von Seiten der anerkannten Dienstbeschädigungsleiden keine maßgebliche Änderung eingetreten sei. In Bezug auf den Antrag der Erhöhung der Pflegezulage führte die Behörde erster Instanz ergänzend aus, die Hilflosigkeit werde im Zusammenwirken der kausalen und akausalen Leiden verursacht.

    Gegen diese beiden Bescheide erhob der Beschwerdeführer - im Wesentlichen gleich lautende - Berufungen.

    Daraufhin wurde in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren von der belangten Behörde ein (wiederum lediglich) auf Grund der Aktenlage am 31. Dezember 1997 erstelltes Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin, Dr. Alexander Lechner, eingeholt, der nach Darstellung des Verfahrensganges und der der erstinstanzlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Einschätzungen folgende Stellungnahme abgab:

    "Stellungnahme zu den Beweismitteln ABl. 337, 343 bis 345 RT 4:

    Es handelt sich dabei um Befunde einer HNO-Klinik und des Vertrauensarztes der österreichischen Botschaft. Es wurden vor allem längst bekannte Diagnosen, deren Beurteilung bereits erfolgte, bestätigt und wieder aufgelistet. Ob der neue Audiogrammbefund - ABl. 344 RT 4 - einer Neubewertung bedarf, kann aus der Sicht des Allgemeinmediziners nicht beurteilt werden.

    Als wesentlich neuer Befund ist eine erhebliche Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken beschrieben.

    Dabei handelt es sich aber um ein akausales Leiden, das nicht auf die erlittene Kriegsverletzung - Splitterverletzung in der linken Schulter mit geringgradiger Bewegungsbehinderung - zurückzuführen ist, zumal auch die rechte Schulter erheblich bewegungseingeschränkt ist und es an diesem Gelenk zu keiner Kriegsverletzung gekommen ist.

    Aus der Anamnese - ABl. 343 RT 4 - häufiger Drehschwindel beim Aufstehen aus de Liegen oder beim Umdrehen im Bett - ist abzuleiten, dass es sich hier um einen vertebragenen (akausalen) und nicht otogenen Schwindel handelt, zumal zum Zeitpunkt der Untersuchungen vom 19. Dezember 1996 gar kein Ohrfluss rechts festzustellen war.

    An den Beinen konnten laut Dr. Varwig keine Auffälligkeiten festgestellt - keine wesentlichen Arthrosen oder muskulärer Atrophien - werden.

    Die beiderseitige Schwerhörigkeit (in Verbindung mit chronischem Ohrfluss rechts) bedingt aus gutachterlicher Sicht nicht außergewöhnlicher Pflege und Wartung.

    Stellungnahme zu den Berufungseinwendungen Aktenblatt 370 bis 371 RT 4:

    Wie bereits oben ausgeführt ist auf Grund der Dienstbeschädigung für lebensnotwendige Verrichtungen nicht außergewöhnliche Pflege und Wartung erforderlich.

    DB-bedingte Gleichgewichtsstörungen, dass der Antragsteller weder alleine Aufstehen noch irgendwelche Verrichtungen selbstständig durchführen kann, liegen nicht vor - siehe Aktenblatt 345 RT 4 - beiderseitige Schwerhörigkeit mit leichten Gleichgewichtsstörungen - und ABl. 343 RT 4 - unauffälliger Befund an den unteren Extremitäten.

    Ein Patient, der längere Zeit überhaupt nicht alleine aufstehen kann, müsste zumindest deutliche Muskelatrophien bieten. Auch eine Anreise zu einer Untersuchung in über 600 km Entfernung ist diesem Patienten praktisch nicht möglich. Dauerndes Krankenlager liegt somit nicht vor.

    Unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes ist es dem Kt. auch möglich, entsprechend vorbereitete Mahlzeiten ohne der Hilfe einer anderen Person aufzunehmen.

    Zusammenfassung:

    Aus dem vorliegenden Akteninhalt kann aus gutachterlicher Sicht abgeleitet werden, dass der Kt. Fremdhilfe benötigt bei der gründlichen täglichen Körperpflege, beim An- und Auskleiden, sowie bei der Verrichtung der Notdurft mit anschließender Reinigung.

    Der Antragsteller kann insbesondere ohne fremde Hilfe essen. Selbstständiges Erheben aus der Sitz- und Liegeposition möglich. Es ist ein Maß an qualifizierter Hilfeleistung erforderlich, das als Pflege und Wartung angesehen werden kann.

    Außergewöhnlicher Pflegebedarf liegt nicht vor. Dauerndes Krankenlager liegt nicht vor.

    Die Hilflosigkeit wird im Zusammenwirken der kausalen und akausalen Leiden verursacht - die DB ist wesentlich, d.h. annähernd gleichwertig am Gesamtzustand der Hilflosigkeit beteiligt, für welchen die Zuerkennung der Pflegezulage im Ausmaß der Stufe I (eins) vorgeschlagen wird. Zeitpunkt des Eintritts der Hilflosigkeit: laufend wie bisher.

    Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

    Demnach Vorschlag:

    Ablehnung der Erhöhung der Pflegezulage."

    Mit Eingabe vom 22. Juli 1998 legte der Beschwerdeführer ein zusätzliches ärztliches Attest des Arztes Dr. James Arthur Ferraren vor, worin dieser bestätigte, der Beschwerdeführer habe seine Ordination wegen seit ca. zwei Jahren auftretender wiederholter Schwindelanfälle aufgesucht. Gegenstand der Untersuchung sei neben einem Morbus Meniere auch ein gutartiger Lagerungsschwindel gewesen, die beide auf die Ohrprobleme des Beschwerdeführers zurückzuführen sein könnten. Die Schwindelanfälle schwankten zwischen geringgradig und heftig und seien völlig unvorhersehbar. Der Beschwerdeführer benötige fallweise ärztliche Verschreibungen, jedenfalls aber eine Hilfs- oder Betreuungsperson.

    Am 22. August 1998 erstellte der Facharzt für Laryngologie, Dr. Kurt Neuwirth, ein weiteres (Akten-)Gutachten, in dem er zu der Bewertung gelangt, wesentlich sei das Klinikgutachten aus dem Jahre 1981. Folge man dessen Logik, seien die rezidivierenden chronischen Otitiden und alle ihre Folgen als mittelbare Dienstbeschädigung anzuerkennen. Die Hörstörung rechts mittelgradig, links an Taubheit grenzend, sei voll anzuerkennen. Hier liege beiderseits eine Verschlimmerung zum Vorgutachten 1981 vor. Die chronische Ohreiterung rechts solle als Dienstbeschädigung bestehen bleiben, obwohl im Dezember 1996 kein Ausfluss bestanden habe. In solchen Fällen könne aber ein Ohrfluss jederzeit wieder auftreten. Weiters bestehe offensichtlich ein lageabhängiger Schwindel, der (unter Hinweis auf das Gutachten Dris. Lechner) "mit Sicherheit" nicht otogen bei gegebener Situation (keine epithympanale Knocheneiterung vorliegend) sei. Es werde daher insofern dem nachgereichten Befund von Dris. Ferraren widersprochen, als weder ein morbus Meniere noch ein gutartiger Lagerungsschwindel als Folgen einer chronischen Otitis gelten könnten. Als Dienstbeschädigung ergebe sich daher:

1. Mittelgrad. Innenohr strg.re, VII/a/643

An Taubheit grenzende, comp. Hörstörung links ORS, da

vermindertes Richtungshören Tab. 2/4 35 %

Tab. 1/1 35 % = 40 %

2. Chron. Mesotymp. Otitis rechts,VII/a/644 10 %

Die Verschlimmerung von 1 besteht seit Antragstellung. Als Nichtdienstbeschädigung (akausal) wurde der bewegungs- und lageabhängige Schwindel eingestuft.

In Zusammenfassung dieser gutachterlichen Stellungnahmen kam der Facharzt für Allgemeinmedizin, Dr. Lechner, in seinem Ergänzungsgutachten vom 15. September 1998 insgesamt zu folgender Bewertung:

"1) Verlust des rechten Unterarmes mit Durchblutungsstörung des Stumpfes (Gebrauchsarm).

I/c/48 70 % 1/1 70 %

+I/d/NS

2) Mittelgradige Innenohrstörung rechts; an Taubheit

grenzende, kombinierte Hörstörung links.

VII/a/643 35 % 1/1 35 % = 40 %

Tab. 2/4

Oberer Rahmensatz, wegen vermindertem Richtungshören.

3) Verlust des linken Daumens und des 1. Mittelhandknochens (Gegenarm).

I/c/61 30 % 1/1 30 %

4) Chronische mesotympanale Otitis rechts.

VII/a/644 10 % 1/1 10 %

5) Reizlose Splitternarbe ober dem rechten Auge.

IX/c/702 10 % 1/1 10 %

Tab. Sp. re. Z 1 + NS

Unterer Rahmensatz, da kosmetisch nicht störend.

6) Reizlose Splitternarben an der linken Schulter, am rechten Knie und am rechten Unterschenkel ohne Funktionsstörung.

IX/c/702 0 % 1/1 0 %

Tab. Sp. li. Z 1

7) Reizlose eingeheilte Stecksplitter hinter dem linken Ohr, und am linken Unterschenkel sowie in den Weichteilen der rechten Schulter.

I/j/205 0 % 1/1 0 %

8) Geringgradige Bewegungsbehinderung der linken Schulter nach

Splitterverletzung (Gegenarm).

I/c/28 0 % 1/1 0 %

Unterer Rahmensatz, weil nur die Elevation gering behindert

ist.

Gesamt-MdE: 100 %, weil die führende MdE 1 durch die übrigen

Leiden um weitere drei Stufen erhöht wird.

NICHT DB-LEIDEN:

Polyarthrosen mit schweren Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke. Degenerative Veränderungen am Achsenorgan mit recidivierenden Wurzelreizzuständen sowie vertebragenem Schwindel.

Bewegungs- und lageabhängige Schwindelbeschwerden.

Als wesentlich neuer Befund ist eine erhebliche Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken beschrieben.

Dabei handelt es sich aber um ein altersbedingtes, schicksalhaftes akausales Leiden, das mit Sicherheit nicht auf die erlittene Kriegsverletzung - Splitterverletzung an der linken Schulter mit geringgradiger Bewegungsbehinderung sowie auf die reizlos eingeheilten Stecksplitter in den Weichteilen der rechten Schulter - zurückzuführen ist.

Aus der Anamnese - ABl. 343 RT 4 - häufiger Drehschwindel beim Aufstehen aus dem Liegen oder beim Umdrehen im Bett - ist abzuleiten, dass es sich hier um einen vertebragenen (akausalen) und nicht otogenen Schwindel handelt, zumal zum Zeitpunkt der Untersuchung am 19.12.1996 gar kein Ohrfluss rechts festzustellen war.

Die Verschlimmerung von MdE 2 besteht seit Antragstellung."

Der Sachverständige Dr. Lechner kam insgesamt zu dem Schluss, eine wesentliche Änderung im Zustand der anerkannten Dienstbeschädigungen sei eingetreten.

In der medizinischen Zusammenfassung der leitenden Ärztin, Dr. Tintera, vom 18. September 1998 wurde lediglich die Summe der ermittelten Hundertsätze mit 150 festgestellt.

Zur Stellungnahme aufgefordert, wandte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. Oktober 1998 im Wesentlichen ein, er sei 1945 im Lazarett an der linken Schulter operiert worden, da die Schulter durch die Splitterverletzung bewegungsunfähig gewesen sei und sehr starke Schmerzen verursacht habe. Dies sei eine Woche nach der Amputation erfolgt. Die Verständigung mit dem Arzt sei fast unmöglich gewesen, da er durch die Explosionsverletzung mehrere Wochen total gehörlos gewesen sei. Bei dieser Operation sei ein Splitter entfernt worden, der den Knochen verletzt habe. Die Beweglichkeit seiner linken Schulter sei durch die Verletzung sehr stark eingeschränkt gewesen. Erst nach Abheilung und täglichen Bewegungsübungen mit seiner Mutter (der Vater sei noch in Kriegsgefangenschaft gewesen) habe nach langer Zeit eine bedingte Bewegungsfähigkeit erreicht werden können, die sich im Laufe der Jahre auch noch verbessert habe. Zur derzeitigen Beweglichkeit seiner Schulter, die mittlerweile sehr eingeschränkt sei, brachte er vor, der rechte Arm sei von der Schulter bis zum Ellbogen um 4 cm kürzer als der linke Arm und durch die eingeschränkte Tätigkeit (gemeint: Inanspruchnahme) inklusive der Schulter verkümmert. Dies sei unbestreitbar auf die Kriegsverletzung zurückzuführen. Deshalb sowie zusätzlich durch die Verletzung an der linken Schulter, sei die linke Schulter und der linke Arm stark überbelastet. Sein Arzt sei auch davon überzeugt, dass seine sehr stark beeinträchtigte Bewegungsfreiheit Folgeerscheinung der Kriegsverletzung sei, was ihm selbst auch von Dr. Varwig bestätigt worden sei, den er gefragt habe, was man dagegen tun könne und woher dies komme. Die Antwort des Arztes sei gewesen, man könne sehr wenig dagegen tun, dies sei eine Folgeerscheinung der Kriegsverletzung. Zu den reizlos eingeheilten Stecksplittern sei zu erwähnen, dass er über Anraten des Kurarztes eine genehmigte Kur in Bad Hofgastein habe abbrechen müssen, um im Krankenhaus Jenbach einen Splitter in der Leistengegend operativ entfernen zu lassen, da er nicht mehr ohne Schmerzen habe gehen können. Auch an seinem Wohnort auf den Philippinen sei ihm ein Splitter aus dem Nacken entfernt worden, der große Schwierigkeiten gemacht habe. Außer den bereits bekannten und anerkannten Zeiten für Betreuungspersonen habe sein Arzt gegen den Muskelschwund eine Bewegungstherapie von täglich einer Stunde morgens, täglich einer Stunde Abendspaziergang mit zwei Begleitpersonen verordnet, wobei zwei Begleitpersonen infolge der Schwindelanfälle und Gleichgewichtsstörungen, unter denen er leide, notwendig seien, um ihm (1,82 m groß, 82 kg schwer) im Falle eines Sturzes zu helfen. Der monatliche Zeitaufwand hiefür betrage ca. 60 bis 70 Stunden. Darüber hinaus komme für eine wöchentlich dreimalige Massage ein Masseur ins Haus, das mache einen monatlichen Zeitaufwand ca. 12 bis 14 Stunden aus. Wöchentlich einmal ärztliche Kontrolle mit Begleitung mache monatlich 12 Stunden, monatlich einmal zur Ohrreinigung beim HNO-Arzt (mit dem Schiff nach Cebu) mit Begleitung mache ca. 8 Stunden. Die übrige Zeit könne er nur sitzend oder liegend zu Hause verbringen.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 23. Mai 1997 betreffend die Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen, wobei die belangte Behörde im Wesentlichen unter Zugrundelegung der bereits geschilderten Gutachten von folgender Richtsatzeinschätzung ausging:

1. Verlust des rechten Unterarmes mit I/c/48 70 v.H.

Durchblutungsstörungen des Stumpfes +I/d/NS

(Gebrauchsarm)

2. Mittelgradige Innenohrstörung rechts, VII/a/643 35 v.H.

an Taubheit grenzende, kombinierte Tab. 2/4

Hörstörung links

3. Verlust des linken Daumens und des

1. Mittelhandknochens (Gegenarm) I/c/61 30 v.H.

4. Chronische mesotympanale Otitis rechts VII/a/644 10 v.H.

5. Reizlose Splitternarbe über dem IX/c/702 0v.H.

rechten Auge Tab. 1. Z. li.

6. Reizlose Splitternarbe an der

linken Schulter, am rechten Knie und

am rechten Unterschenkel IX/c/702 0 v.H.

ohne Funktionsstörung Tab. 1. Z. li.

7. Reizlos eingeheilte Stecksplitter

hinter dem linken Ohr und am linken

Unterschenkel sowie in den Weichteilen

der rechten Schulter I/j/205 0 v.H.

8. Geringgradige Bewegungsbehinderung der

linken Schulter nach Splitterverletzung

(Gegenarm) I/c/28 0 v.H.

Weiters führte die belangte Behörde aus, die Einreihung der angeführten Dienstbeschädigungen innerhalb des Rahmensatzes der Position erfolge in der Erwägung, dass ad. 5. keine kosmetische Störung vorliege und ad. 8. nur die Elevation gering behindert sei. Die unter Punkt 2. und 4. angeführten Dienstbeschädigungen befänden sich an einem Organsystem und seien daher als Einheit in funktioneller Hinsicht aufzufassen. Die MdE betrage dafür 45 %, weil die unter Punkt 2. ausgewiesene führende MdE durch die unter Punkt 4. angeführte eine einstufige Erhöhung erfahre. Durch die Rundung gemäß § 9 Abs. 1 KOVG ergebe sich eine MdE von 50 v.H. Die Gesamteinschätzung der einzelnen Werte der MdE unter 25 v.H. betrage 10 v.H., weil die unter Punkt 5. ausgewiesene führende MdE durch die unter Punkt 6., 7. und 8. angeführten Leiden keine Erhöhung erfahre. Die Summe der ermittelten Hundertsätze (70 + 30 + 50) betrage 150. Somit sei für eine Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage keine maßgebliche Änderung eingetreten. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet, die Beweiskraft der ärztlichen Sachverständigengutachten zu mindern. Die ärztlichen Aussagen gründeten sich auf entsprechende Befunderhebungen.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 30. Juni 1997 betreffend die Erhöhung der Pflegezulage gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und nach Darstellung der anerkannten Dienstbeschädigungen festgestellt, als akausale Leiden lägen "Polyarthrosen mit schweren Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke und degenerative Veränderungen am Achsenorgan mit rezedivierenden Reizzuständen sowie vertebragener Schwindel" vor. Die vorliegende Dienstbeschädigung sei eine wesentliche, d.h. eine nach Bedeutung und Tragweite zumindest annähernd gleichwertige Bedingung der Hilflosigkeit. Mit Gutachten vom 6. März 1990 sei Hilflosigkeit festgestellt worden. Seit dieser Untersuchung sei unter Berücksichtigung des Akteninhaltes keine maßgebende Änderung eingetreten. Bei den gegenständlichen Beweismitteln handle es sich um Befunde einer HNO-Klinik und der Stellungnahme des Vertrauensarztes der österreichischen Botschaft Dr. Varwig, in denen längst bekannte Diagnosen, deren Beurteilung bereits erfolgt sei, bestätigt werde. Als wesentlich neuer Befund sei eine erhebliche Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken beschrieben worden. Dabei handle es sich um ein akausales Leiden, das nicht auf die erlittene Kriegsverletzung (Splitterverletzung an der linken Schulter mit geringgradiger Bewegungsbehinderung) zurück zu führen sei, zumal auch die rechte Schulter erheblich bewegungseingeschränkt sei und es an diesem Gelenk zu keiner Kriegsverletzung gekommen sei. Aus der Anamnese "häufiger Drehschwindel beim Aufstehen aus dem Liegen oder beim Umdrehen im Bett" sei abzuleiten, dass es sich hier um einen vertebragenen (akausalen) und nicht otogenen Schwindel handle, zumal zum Zeitpunkt der Untersuchung am 19. Dezember 1996 kein Ohrfluss rechts festzustellen gewesen sei. An den Beinen hätten keine Auffälligkeiten, insbesondere keine wesentlichen Arthrosen oder muskuläre Atrophien, festgestellt werden können. Die beiderseitige Schwerhörigkeit in Verbindung mit chronischem Ohrfluss rechts bedinge aus gutachterlicher Sicht nicht außergewöhnliche Pflege und Wartung. Für die lebensnotwendigen Verrichtungen sei eine außergewöhnliche Pflege und Wartung nicht erforderlich. Dienstbeschädigungsbedingte Gleichgewichtsstörungen lägen nicht vor, weil nur beiderseitige Schwerhörigkeit mit leichten Gleichgewichtsstörungen bestehe und ein unauffälliger Befund an den unteren Extremitäten vorliege. Ein Patient, der längere Zeit überhaupt nicht alleine aufstehen könne, müsse zumindest deutliche Muskelatrophien bieten. Auch eine Anreise zu einer Untersuchung von über 600 km Entfernung ist diesem Patienten praktisch nicht möglich. Dauerndes Krankenlager liege somit nicht vor. Auch könnten entsprechend vorbereitete Mahlzeiten ohne Hilfe einer anderen Person eingenommen werden. Daher benötige der Beschwerdeführer Fremdhilfe nur bei der gründlichen täglichen Körperpflege, beim An- und Auskleiden sowie bei Verrichtung der Notdurft mit anschließender Reinigung. Selbständiges Erheben aus der Sitz- und Liegeposition sei möglich. Es sei ein Maß an qualifizierter Hilfeleistung erforderlich, das als Pflege und Wartung angesehen werden könne. Außergewöhnlicher Pflegebedarf liege jedoch nicht vor. Die Hilflosigkeit werde im Zusammenwirken der kausalen und akausalen Leiden verursacht. Die Dienstbeschädigung sei wesentlich, d. h. annähernd gleichwertig, am Gesamtzustand der Hilflosigkeit beteiligt, für welche die Pflegezulage im Ausmaß der Stufe I vorgeschlagen werde. Das Gutachten des Sachverständigen sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Die belangte Behörde sei daher auf Grund des vorliegenden medizinischen Beweismaterials und nach fachkundiger ärztlicher Beratung in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass die Dienstbeschädigung keine außergewöhnliche Pflege und Wartung erfordere und auch kein dauerndes Krankenlager verursache. Es bleibe daher weiterhin bei der Pflegezulage in Höhe der Stufe I.

Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden des Beschwerdeführers, in denen er Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage gemäß § 11a KOVG sowie in seinem Recht auf Erhöhung der Pflegezulage gemäß § 18 KOVG verletzt. Im Wesentlichen wendet er sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Einschätzung, die im Widerspruch zu den von ihm vorgelegten ärztlichen Bestätigungen stehe. Insbesondere habe Dr. Varwig die MdE auf Grund der beiderseitigen Schwerhörigkeit mit leichten Gleichgewichtsstörungen mit 50 %, die MdE auf Grund der schweren Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken mit 30 % festgesetzt und ausdrücklich festgestellt, dass die Ausfälle und die bestehende Hilflosigkeit allein durch die Dienstbeschädigung bedingt seien. Darüber sei die belangte Behörde völlig hinweg gegangen. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt sei auch im Hinblick auf die Divergenzen zwischen den Gutachten und den ärztlichen Attesten, die einer Schlüssigkeit derselben im Wege stünden, ergänzungsbedürftig. Insbesondere hätte sie auch die Bewegungseinschränkungen in beiden Schultergelenken als Dienstbeschädigung anerkennen und mit 30 % MdE bewerten müssen. Im Hinblick auf die anerkannten Dienstbeschädigungen (Verlust des rechten Unterarms mit Durchblutungsstörungen des Stumpfes, Verlust des linken Daumens und des ersten Mittelhandknochens, Bewegungsbehinderung der linken Schulter nach Splitterverletzung) und der festgestellten Bewegungseinschränkungen hätte die belangte Behörde auch feststellen müssen, dass er zumindest auch beim Einnehmen von Mahlzeiten Hilfe und damit außergewöhnliche Pflege und Wartung benötige.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung infolge des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges erwogen:

1. Zur Schwerstbeschädigtenzulage:

Die im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung des § 11a Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 - KOVG lautet - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - wie folgt:

"(1) Erwerbsunfähige Schwerbeschädigte erhalten zur Beschädigtenrente eine Schwerstbeschädigtenzulage, wenn die Summe der Hundertsätze, die nach den Richtsätzen zu § 7 Abs. 2 auf die einzelnen Dienstbeschädigungen (§ 4 Abs. 1) entfallen, unter Berücksichtigung der Abs. 2 und 3 die Zahl 130 erreicht. § 9 Abs. 1 findet entsprechend Anwendung.

(2) Bei der Ermittlung der Summe der Hundertsätze gemäß Abs. 1 ist eine Dienstbeschädigung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25 v. H. außer Betracht zu lassen. Liegen jedoch zwei oder mehr Dienstbeschädigungen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25 v. H. vor, ist für sie eine Gesamteinschätzung nach den Richtsätzen zu § 7 Abs. 2 durchzuführen und der sich daraus ergebende Hundertsatz in die Summe der Hundertsätze gemäß Abs. 1 einzubeziehen, wenn er das Ausmaß von 25 v. H. erreicht.

(3) Zwei oder mehr Dienstbeschädigungen an einer Gliedmaße oder einem Organsystem sind als Einheit in funktioneller Hinsicht aufzufassen und daher nur mit einem Hundertsatz einzuschätzen. Die Auswirkungen von Systemerkrankungen auf die einzelnen Gliedmaßen und Organe sind nach ihrem Ausmaß gesondert einzuschätzen. Das Gleiche gilt beim Verlust oder Teilverlust zweier oder mehrerer Gliedmaßen.

(4) Die Schwerstbeschädigtenzulage ist nach der Summe der gemäß den Abs. 1 bis 3 ermittelten Hundertsätze zu bemessen und aus den folgenden Hundertsätzen des jeweiligen Betrages der Grundrente für erwerbsunfähige Schwerbeschädigte (§ 11 Abs. 1) zu berechnen:

a) bei einer Summe von mindestens 130 ... 30 v.H.,

b) bei einer Summe von mindestens 160 ... 40 v.H.,

c) bei einer Summe von mindestens 190 ... 50 v.H.,

d) bei einer Summe von mindestens 220 ... 60 v.H.,

e) bei einer Summe von mindestens 250 ... 70 v.H.,

f) bei einer Summe von mindestens 280 ... 80 v.H."

Vorauszuschicken ist, dass die rein rechnerische Darstellung der Hundertsätze, wie sie den eingeholten Gutachten entsprachen und der Stellungnahme der leitenden Ärztin, Dr. Tintera, zu Grunde lagen, den oben wiedergegeben gesetzlichen Normen entspricht. Ob und in welchem Ausmaß aber die festgestellten Leidenszustände des Beschwerdeführers Folgen der Dienstbeschädigung sind oder nicht und ob bzw. in welchem Ausmaß sie zur Erhöhung der einzelnen Richtsatzpositionen führen, war Gegenstand der Begutachtung. Demgemäß sind vom Sachverständigen zwei Problemkreise zu untersuchen: zum einen die Feststellung der zu berücksichtigenden Leidenszustände, zum anderen die Frage der Kausalität der festgestellten Leiden.

Die im Beschwerdefall, mit Ausnahme der Stellungnahme des Vertrauensarztes der österreichischen Botschaft, Dr. Varwig, ausschließlich auf Grund des bereits vorhandenen Akteninhaltes abgegebenen Sachverständigengutachten sind daher auch Hauptzielrichtung der Beschwerdeausführungen.

Nach §§ 58 Abs. 2 und 60 in Verbindung mit § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, Entscheidung 8 zu § 67 AVG und Entscheidung 1 bis 9 zu § 60 AVG nachgewiesene Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/13/0201).

Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Bescheide nicht gerecht, da diese unüberprüfbar bleiben, wenn sich die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung lediglich auf die Schlüssigkeit der Ausführungen des/der Sachverständigen beruft, ohne im Einzelnen darzulegen, aus welchen (eigenen) Erwägungen sie diesen Ausführungen folgt. Doch würde ein solcher Begründungsmangel noch nicht zwangsläufig zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, ließen sich die Ausführungen des/der Sachverständigen in relevanter Weise nachvollziehen. Dies scheitert im Beschwerdefall insbesondere an folgenden Überlegungen:

Der einzige persönlich am Patienten (dem Beschwerdeführer) erhobene Befund wurde auf Grund einer vom Vertrauensarzt der österreichischen Botschaft, Dr. Varwig, am 19. Dezember 1996 vorgenommenen Untersuchung erstellt und erbrachte als zusätzliche Leiden 1."völlig eingefrorene" d.h. erheblich bewegungseingeschränkte Schultergelenke sowohl rechts als auch links, und 2. "häufigen Drehschwindel beim Aufstehen aus dem Liegen oder beim Umdrehen im Bett". Letzteres Leiden wurde vom Gutachter Dr. Varwig lediglich im Rahmen der Anamnese berücksichtigt, nicht jedoch einer weiter gehenden medizinischen Begutachtung unterzogen.

Zu dem unter 1. genannten Leiden wurde von allen Folgegutachtern übereinstimmend festgestellt, dass es sich dabei um eine "Polyarthrose" und damit um ein akausales, weil alterbedingtes Leiden handle. Weder aus der Befundaufnahme noch aus dem medizinischen Kalkül des Dr. Varwig lässt sich entnehmen, worauf sich die Diagnose "Polyarthrose" stützt, noch aus welchem Grunde eine solche nicht zumindest teilbedingt wurde durch die anerkannten Dienstbeschädigungen (insbesondere nach Darstellung des Beschwerdeführers in seiner Berufung resultierend aus Pos.1 iVm Pos.3 und Pos.7 des medizinischen Kalküls, die einer Nachoperation unterzogen worden sein soll). Der Verwaltungsgerichtshof hat in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach ausgesprochen, dass es auch im Falle der Auslösung einer bloßen Anlagebereitschaft darauf ankommt, ob die Krankheit ohne das Kriegsereignis existent geworden, oder ob sie ohne das Kriegsereignis nicht aufgetreten wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0373, und vom 23. Februar 2000, Zl. 97/09/0113).

Das Gleiche gilt für die Einschätzung des beklagten "häufigen" Drehschwindels beim Aufstehen und Umdrehen im Bett, der nach dem Inhalt der vorgelegten ärztlichen Bestätigung Dris. Ferraren nicht nur zwischen "heftig" und "geringgradig" schwankt, sondern auch auf die unter Pos. 8 des Bescheides aus 1981 zurückzuführen sei und damit kausal wäre. Worauf sich sodann die im Gutachten vom 31. Dezember 1997 enthaltene Einschätzung des Sachverständigen Dr. Lechner, es handle sich nur um "leichten" Drehschwindel, beruht, ist völlig unklar, da der Befund, auf den er sich zu diesem Thema beruft (Abl.345 - Dris. Varwig) eine solche Einschränkung des angegebenen Leidens nicht enthält. Auch wäre in diesem Zusammenhang in den Folgegutachten auch eingehender auf die Bestätigung des Facharztes Dr. Ferraren einzugehen gewesen, aus der sich der Leidenszustand des Beschwerdeführers etwa eineinhalb Jahre nach der Befundaufnahme durch Dr. Varwig bezieht. Gleichermaßen hätte es einer eingehenderen Begründung bedurft, weshalb von vertebragenen und damit akausalen Gleichgewichtsstörungen ausgegangen wurde. Insbesondere ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar dargelegt, worauf sich die so eindeutige Zuordnung "vertebragen" bzw. "epithympanal" bzw. deren wechselseitigen Ausschluss gründet, zumal leichte Gleichgewichtsstörungen bereits als Folge der Dienstbeschädigung (und damit als kausal) unter Pos.

4. des Gutachtens Dris. Varwig ohne Widerspruch festgestellt worden waren.

Im Übrigen wurde nicht schlüssig begründet, dass wiederholte, jedoch nicht ständig auftretende, wenn auch heftige Gleichgewichtsstörungen die Mobilität eines Patienten ohne weiteres derart zwangsläufig ausschließen, dass Atrophien der Beine als Indizien für das Vorliegen derartiger Gleichgewichtsstörungen gegeben sein müssten.

Die vorliegenden Aktengutachten erscheinen daher, soweit sie mit der Einschätzung des Gutachters Dr. Varwig nicht in Einklang stehen, unschlüssig. Insoweit die belangte Behörde diese ihrer Entscheidung zugrundelegte, ließ sie somit Verfahrensvorschriften außer Acht, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Aus diesem Grunde war der erstangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II. Zur Pflegezulage:

Die Bestimmung des § 18 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 -

KOVG lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Zur Beschädigtenrente wird eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, dass er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf.

(2) Die Höhe der Pflegezulage ist nach der Schwere des Leidenszustandes und nach dem für die Pflege und Wartung erforderlichen Aufwand abgestuft. Die Gewährung der Pflegezulagen der Stufen II bis V setzt voraus, dass die Dienstbeschädigung außergewöhnliche Pflege und Wartung erfordert; verursacht die Dienstbeschädigung dauerndes Krankenlager, ist die Pflegezulage zumindest in der Höhe der Stufe III zu leisten. Die Pflegezulage der Stufe V gebührt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung an zwei Gebrechen leidet, von denen jedes für sich Hilflosigkeit verursacht, oder wenn das die Hilflosigkeit verursachende Gebrechen für sich allein oder zusammen mit einem anderen auf eine Dienstbeschädigung zurückzuführenden Gebrechen einen derart schweren Gesamtleidenszustand darstellt, dass Pflege und Wartung in besonders erhöhtem Ausmaß erforderlich ist."

Voraussetzung für die Zuerkennung der Pflegezulage in der Stufe II ist somit, dass die Hilflosigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 KOVG 1957 ursächlich auf die Dienstbeschädigung zurückzuführen ist. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn die Dienstbeschädigung eine wesentliche Bedingung der Hilflosigkeit ist. Sind an der Hilflosigkeit des Beschädigten auch andere Bedingungen beteiligt, dann ist der ursächliche Zusammenhang im Sinne des § 18 Abs. 1 KOVG 1957 dann gegeben, wenn die Dienstbeschädigung in ihrer Wirkung den anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite zumindest annähernd gleichwertig ist (vgl. unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Mai 1962, Zl. 2297/59, VwSlg. Nr. 5804/A). Die Voraussetzung des ursächlichen Zusammenhanges ist bei allen Stufen der Pflegezulage solange gleichwertig zu beurteilen, als das Gesetz nicht ausdrücklich anderes bestimmt (wie zu Pflegestufe V).

Der Sachverständige Dr. Varwig, der als Einziger den Beschwerdeführer persönlich befundet hat, hielt in seinem auf diesem Befund basierenden Gutachten vom Dezember 1996 fest, der Beschwerdeführer sei durch die Folgen seiner Dienstbeschädigung ständig auf die Hilfe Anderer bei den Verrichtungen des täglichen Lebens angewiesen, da er mit seiner verbliebenen Hand durch völligen Verlust des Daumens mit keinen kleinen Gegenständen manipulieren könne (Knöpfe öffnen und schließen, Nahrungsmittel zerkleinern, Kleidungsstücke an- und ausziehen, usw.). Welche Tätigkeiten der Beschwerdeführer darüber hinaus nicht durchführen könne, wurde hingegen im Einzelnen nicht mehr ausgeführt. Der in Klammern gesetzte Hinweis des Sachverständigen enthält damit offenkundig eine lediglich demonstrative Liste jener täglichen, dem Beschwerdeführer nicht mehr möglichen Verrichtungen, die dem Sachverständigen als "tägliche Verrichtungen" im Zeitpunkt seiner Begutachtung präsent waren. Die lediglich auf Grund des Akteninhaltes über das Ergebnis dieser Befundaufnahme hinaus getroffene Feststellungen des Sachverständigen Dr. Kolb, der Beschwerdeführer könne "ohne fremde Hilfe das Essen einnehmen" entbehrt daher jeder Grundlage, wird aber nichtsdestotrotz in der Folge auch vom Sachverständigen Dr. Lechner in seinem Gutachten vom 31. Dezember 1997 wiederholt. Die darauf basierende gleich lautende Feststellung der belangten Behörde im zweitangefochtenen Bescheid erweist sich daher nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig in den Befunden des Dr. Varwig begründet ist die im zweitangefochtenen Bescheid - auf Grund des in diesem Zusammenhang gleichfalls begründungslos gebliebenen Gutachtens Dris. Lechner vom 31. Dezember 1997 getroffene - Feststellung, dem Beschwerdeführer sei das "selbständige Erheben aus der Sitz- und Liegeposition" möglich. Damit leidet auch der zweitangefochtene Bescheid an Begründungsmängeln.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde im Sinne der zu § 18 KOVG ergangenen und oben bereits teilweise wiedergegebenen Judikatur die Gleichwertigkeit der auf die Dienstbeschädigung zurückzuführenden (kausalen) und der nicht auf die Dienstbeschädigung zurückzuführenden (akausalen) Leiden des Beschwerdeführers festgestellt. Dass eine die Gewährung der Pflegezulage in der Höhe der Stufe I rechtfertigende Hilflosigkeit vorliegt, ist unstrittig, die noch zu beantwortende Frage blieb, ob der Beschwerdeführer der außergewöhnlichen Pflege und Wartung (als Voraussetzung der Zuerkennung einer Pflegezulage in der Höhe der Stufe II) bedarf. In Hinblick auf die in beiden Bescheiden gleich lautend festgestellte Einschränkung dahingehend, dass der Beschwerdeführer der Fremdhilfe ("nur") bei der gründlichen täglichen Körperpflege, beim An- und Auskleiden sowie bei Verrichtung der Notdurft mit anschließender Reinigung bedarf, erscheint die Qualifikation der benötigten Fremdhilfe als "außergewöhnlich" erfüllt. Als "außergewöhnlich" im Sinne des § 18 Abs. 2 zweiter Satz KOVG kann jedenfalls jede mehrmals täglich benötigte Betreuungsleistung angesehen werden, die eine Anwesenheit rund um die Uhr sowie Tätigkeiten erfordert, die den Intimbereich betreffen und damit entweder nur fachlich entsprechend qualifiziertem Personal oder anderen Personen gegen erhöhte Kosten ("Überwindungsabgeltung") übertragen werden können. Deshalb erübrigt sich auch in diesem Zusammenhang die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer darüber hinaus selbstständig zu essen in der Lage ist und beim Erheben aus einer Sitz- oder Liegeposition ebenfalls der Hilfe bedürfte.

Da die belangte Behörde in diesem Umfang von einer anderen, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ausgegangen ist, war der zweitangefochtene Bescheid aus diesen Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die aufgezeigten Verfahrensmängel haben daher für die Beurteilung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf erhöhte Pflegezulage keine Entscheidungswesentlichkeit mehr.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juli 2000

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