VwGH 99/09/0006

VwGH99/09/000610.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerden des Disziplinaranwaltes 1.) bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Franz, und 2.) bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt Dr. Peter Benesch, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 20. November 1998, Zl. 90/6-DOK/98, betreffend Aufhebung eines Bescheides in Angelegenheit Suspendierung vom Dienst sowie Bezugskürzung der mitbeteiligten Partei W, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Haunspergstraße 33, den Beschluß gefaßt:

Normen

BDG 1979 §100;
BDG 1979 §103 Abs2;
BDG 1979 §103 Abs4;
BDG 1979 §106;
BDG 1979 §112;
VwGG §34 Abs1;
BDG 1979 §100;
BDG 1979 §103 Abs2;
BDG 1979 §103 Abs4;
BDG 1979 §106;
BDG 1979 §112;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. September 1998 suspendierte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen die mitbeteiligte Partei gemäß § 112 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) vom Dienst, was gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge habe. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei hob die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. November 1998 den Bescheid der Behörde erster Instanz auf, weil der Bescheid der Begründungspflicht nicht entspreche.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machenden Beschwerden der Disziplinaranwälte. Die Beschwerden sind inhaltlich ident. Der Verwaltungsgerichtshof verbindet die Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung.

Die Beschwerdeführer begründen ihre Beschwerdelegitimation im wesentlichen mit dem Wortlaut des § 103 Abs. 4 BDG 1979. Diese Gesetzesstelle räume dem Disziplinaranwalt ein Beschwerderecht gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission beim Verwaltungsgerichtshof ein. Das Beschwerderecht des Disziplinaranwaltes sei nicht schlechthin auf bestimmte Entscheidungen "im Disziplinarverfahren" eingeschränkt. Würde man § 103 Abs. 4 BDG 1979 auf Entscheidungen der Disziplinaroberkommission im Disziplinarverfahren im engeren Sinn einschränken, so wäre im Lichte des § 103 Abs. 1 BDG 1979, wonach der Disziplinaranwalt die dienstlichen Interessen zu vertreten habe, diese Auslegung nicht nur gesetzwidrig, sondern würde die gesamte Einrichtung des Amtes eines Disziplinaranwaltes als solche ad absurdum führen, weil das Suspendierungsverfahren zwar ein eigenständiges Verfahren sei, jedoch mit dem Disziplinarverfahren in engstem Zusammenhang stehe und auch im Suspendierungsverfahren dienstliche Interessen zu wahren seien. Wenn der Gesetzgeber die Parteistellung des Disziplinaranwaltes im Suspendierungsverfahren nicht ausdrücklich normiert habe, sei die Parteistellung dennoch nicht in Abrede zu stellen. Die Parteistellung des Beschuldigten im Suspendierungsverfahren sei ebenfalls nicht ausdrücklich normiert und ergebe sich erst aus dem Recht des Beschuldigten, Anträge und Rechtsmittel im Suspendierungsverfahren einzubringen. Gleiches müsse in bezug auf § 103 Abs. 4 BDG 1979 für Rechtsmittel des Disziplinaranwaltes gelten müssen. Weiters stehe § 112 BDG 1979 in der Systematik des BDG 1979 in jenem Unterabschnitt, der das "Disziplinarverfahren" an sich regle. Daraus könne - trotz der mangelnden Normqualität von Überschriften in einem Gesetz - ein Indiz erkannt werden, daß die Suspendierung, auch wenn es sich um ein eigenständiges Verfahren handle, sehr wohl in einem Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren stehe.

Der Gesetzgeber habe im Verwaltungsverfahren grundsätzlich einen zweigliedrigen Instanzenzug normiert. Daher stehe nach der Ausschöpfung der ordentlichen Rechtsmittel als außerordentliches Rechtsmittel noch die Anrufung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes offen. Lediglich in jenen Fällen, in denen als zweite Instanz eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag (Art. 133 Z. 4 B-VG) entscheide, sei die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber davon ausgehe, daß diese Kollegialbehörde im Prinzip der Rechtsstaatlichkeit genügend Rechnung trage. Die Disziplinaroberkommission sei jedoch keine solche Kollegialbehörde, weshalb es im Interesse der Rechtsstaatlichkeit nicht angehen könne, offensichtliche Fehlentscheidungen der Disziplinaroberkommission, die dem Ansehen des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit massiven Schaden zufügten und zudem noch "in völligem Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes" stünden, nicht mehr im außerordentlichen Rechtsweg überprüfen zu lassen. Allein deshalb sei das Beschwerderecht des Disziplinaranwaltes "gegen alle Entscheidungen der Disziplinaroberkommission unerläßlich".

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979 lauten:

"Disziplinaranwalt

§ 103. (1) Zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren sind von den Leitern der Zentralstellen Disziplinaranwälte und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen.

(2) Auf den Disziplinaranwalt ist § 100 sinngemäß anzuwenden.

(3) Der Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission hat rechtskundig zu sein.

(4) Dem Disziplinaranwalt wird gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG das Recht eingeräumt, gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Parteien

§ 106. Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu.

Suspendierung

§ 112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

(4) Jede durch Beschluß der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) kann auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.

(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission), bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

(6) Die Berufung gegen eine Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung. Über die Berufung hat die Disziplinaroberkommission ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zwei Monaten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

(7) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam."

Das BDG 1979 definiert den Begriff "Disziplinarverfahren" nicht näher. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1992, Zl. 92/09/0120 = Slg. 13.686 A) und herrschender Lehre (z.B. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten2, 1996, Seite 306 mwN.) wird darunter das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Erstattung der Disziplinaranzeige durch den Dienstvorgesetzten bei der Dienstbehörde (§ 109 BDG 1979) verstanden. Die Suspendierung vom Dienst steht mit einem Disziplinarverfahren nicht in notwendiger Verbindung. Das Suspendierungsverfahren kann unabhängig von einer allfälligen Erstattung der Disziplinaranzeige gegen einen Beamten durchgeführt werden. Bei der Suspendierung handelt es sich auch nicht um eine Disziplinarstrafe, sondern um eine Art sichernde Maßnahme gegen eine Gefährdung des "Ansehens" des Amtes oder "wesentliche Interessen" des Dienstes. Lediglich dann, wenn "ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission bereits anhängig ist" besteht über die Zuständigkeit der Disziplinarkommission ein Verfahrenszusammenhang, weil in diesem Falle die Disziplinarkommission zur Suspendierung zuständig ist. Trifft dieser Fall nicht zu, ist die Dienstbehörde zur Verhängung einer "vorläufigen Suspendierung" kompetent, welche der Disziplinarkommission mitzuteilen ist. In § 123 Abs. 3 BDG 1979 ist ausdrücklich geregelt, daß dann, wenn "in anderen Rechtsvorschriften an die Einleitung des Disziplinarverfahrens Rechtsfolgen geknüpft" sind, diese auch im Falle der Suspendierung" eintreten. Schon diese genannten Umstände deuten darauf hin, daß das Suspendierungsverfahren - trotz seiner systematischen Einordnung im BDG 1979 im Kapitel "Disziplinarverfahren" - nicht als Teil des Disziplinarverfahrens im Sinne obiger Definition anzusehen ist, sondern es sich um ein eigenständiges Verfahren handelt (vgl. Kucsko-Stadlmayer, a.a.O., Seite 307, und Walter, Die Stellung des Disziplinaranwalts nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz, FS-Melichar 1983, Seite 424). Bedenkt man des weiteren, daß es sein kann, daß eine vorläufige Suspendierung durch die Dienstbehörde zu erfolgen hat, obzwar kein Disziplinarverfahren anhängig ist oder eingeleitet wird, und in diesem Falle dem Disziplinaranwalt im Disziplinarverfahren keine Parteistellung zukommt, weil es sich - bei jeder Betrachtungsweise - um ein Stadium vor dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige handelte, wäre es nicht einzusehen, weshalb ein und dieselbe Maßnahme (Suspendierung) einmal in einem Verfahren unter Einschaltung des Disziplinaranwaltes, das andere Mal ohne seine Beteiligung durchgeführt werden sollte. Das Berufungsrecht steht zudem ausdrücklich nur dem von der Suspendierung Betroffenen zu (§ 112 Abs. 6 BDG 1979). Hingegen räumt das Gesetz dem Disziplinaranwalt kein ausdrückliches Recht auf die Erlassung eines die Suspendierung aussprechenden Bescheides in erster Instanz ein. Somit läßt sich aus der Stellung der von der Suspendierung betroffenen Partei im Rechtsmittelverfahren für die Einräumung der Parteistellung an den Disziplinaranwalt bzw. dessen Beschwerdelegitimation im Suspendierungsverfahren nichts ableiten.

Da der Disziplinaranwalt nur zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren (§ 103 Abs. 1 BDG 1979) berufen und er nur Partei im Disziplinarverfahren (§ 106 BDG 1979) ist, es sich beim Suspendierungsverfahren jedoch um ein vom Disziplinarverfahren zu unterscheidendes Verfahren handelt, ist die Parteistellung des Disziplinaranwaltes im Suspendierungsverfahren - und auch seine Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - zu verneinen. An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführer darauf, daß § 103 Abs. 4 BDG 1979 dem Disziplinaranwalt nach dem Wortlaut der Norm eine unbeschränkte Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission einräumt, deshalb nichts zu ändern, weil Abs. 4 leg. cit. dem Disziplinaranwalt kein von § 103 Abs. 1 bzw. § 106 BDG 1979 losgelöstes Beschwerderecht zuerkennt, das über seine Befugnisse nach Abs. 1 hinausginge. Die Erläuterungen (RV 128 BlgNR 18. GP, Seite 11) zeigen nur auf, daß mit der Neufassung des § 103 Abs. 4 BDG 1979 eine auf der Parteistellung des Disziplinaranwaltes im Disziplinarverfahren beruhende Beschwerdelegitimation, welche der Disziplinaranwalt zur Wahrung dienstlicher Interessen (im Disziplinarverfahren) auszuüben habe, geschaffen wurde. § 103 Abs. 1 BDG 1979 umschreibt taxativ die Aufgaben des Disziplinaranwaltes mit "Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren". Nur zu diesem Zweck sind Disziplinaranwälte überhaupt bestellt. Räumte man dem Disziplinaranwalt eine Beschwerdelegitimation auch gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission ein, welche nicht im Disziplinarverfahren erlassen wurden, bedeutete dies, den Disziplinaranwälten eine über den Umfang der Aufgaben, zu deren Erfüllung sie bestellt sind, hinausgehende Befugnis einzuräumen.

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers ist auch aus einem weiteren Grunde zurückzuweisen. Aus dem Zusammenhalt von § 103 Abs. 2 BDG 1979 und § 100 BDG 1979 ergibt sich, daß zum Zweck der Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren sowohl für die Disziplinarkommission als auch die Disziplinaroberkommission gesondert Disziplinaranwälte zu bestellen sind. Parteistellung kommt demjenigen Disziplinaranwalt im Disziplinarverfahren zu, welcher zur Vertretung der dienstlichen Interessen vor der jeweiligen Instanz des Disziplinarverfahrens bestellt ist. Daraus abgeleitet kann das Recht gemäß § 103 Abs. 4 BDG 1979 nur dem bei der Disziplinaroberkommission bestellten Disziplinaranwalt zukommen.

Da den Beschwerden der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, waren sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen (§ 34 Abs. 1 VwGG).

Wien, am 10. März 1999

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