VwGH 99/06/0027

VwGH99/06/002721.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde 1. der S und 2. der S, beide in X, beide vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20. Jänner 1999, Zl. I-5041/1997, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Ing. D, vertreten durch DDr. C),

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs5 impl;
BauO Tir 1989 §30 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §31 Abs9;
BauRallg;
ROG Tir 1994 §115 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs5 impl;
BauO Tir 1989 §30 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §31 Abs9;
BauRallg;
ROG Tir 1994 §115 Abs2;

 

Spruch:

1. beschlossen:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben der Landeshauptstadt Innsbruck insgesamt je zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei insgesamt je zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauansuchen vom 23. Dezember 1996 (eingelangt beim Stadtmagistrat Innsbruck am 30. Dezember 1996) wurde von der Mitbeteiligten die Erteilung der Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- bzw. Studentenstudiohauses auf dem näher angeführten Grundstück beantragt. Gemäß dem anzuwendenden Flächenwidmungsplan HA-F1 (der seit 11. November 1987 in Kraft ist) ist der verfahrensgegenständliche Bauplatz als "Mischgebiet" gewidmet. Südlich des verfahrensgegenständlichen Baugrundstückes befindet sich nach einer öffentlichen Verkehrsfläche, die ca. 6 m breit ist, das Grundstück der Erstbeschwerdeführerin, das mit der Widmung Gewerbe- und Industriegebiet mit Emissionseinschränkung gemäß § 39 Abs. 2 lit. a und b Tir Raumordnungsgesetz 1997 versehen ist. Die Umwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes im Jahre 1987 von Wohngebiet in Mischgebiet erfolgte im Lichte der Anordnung des § 11 Abs. 8 Tir Raumordnungsgesetz 1984, nach dem bei der Festlegung der Widmung darauf Bedacht zu nehmen ist, dass gegenseitige Beeinträchtigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Abwässer und dergleichen, weitgehend vermieden werden. Westlich des verfahrensgegenständlichen Baugrundstückes gegenüber der Sch.-Gasse (die ca. 7 m breit ist) besteht die Widmung Wohngebiet gemäß § 38 Tir Raumordnungsgesetz 1997.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 Tir Raumordnungsgesetz 1997 ein Gutachten eingeholt. Gemäß dieser Bestimmung darf die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden zu bestehenden Gebäuden auf Grundstücken nach Abs. 1 erster Satz (Grundstücke, die nach dem Tir Raumordnungsgesetz 1984 als Bauland oder als Sonderflächen gewidmet worden sind bzw. für die Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) bestehen, aber kein allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan im Sinne des § 55 Abs. 4 Tir Raumordnungsgesetz 1997 erlassen wurde) u.a. bis zur Erlassung des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nur erteilt werden, wenn

"a) die Bebauung des betreffenden Grundstückes einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung nicht zuwiderläuft".

In diesem raumordnungsfachlichen Gutachten vom 21. April 1997 wurde ausgeführt, dass sich das Wohnbauvorhaben im Nahbereich des Holzverarbeitungsbetrieb S. befinde. Dieser Betrieb emittiere Lärm, Staub und Geruch. Damit seien künftige Beeinträchtigungen der Bewohner der geplanten Wohnanlage nicht ausgeschlossen, sodass mit Beschwerden gegen den Betrieb gerechnet werden müsse. Damit werde aber die raumplanerische Bestrebung zur langfristigen Sicherung der Betriebe im Gewerbegebiet gefährdet. Somit laufe das geplante Bauvorhaben in der eingereichten Form mit gänzlicher Wohnnutzung bis an die Südgrenze des Grundstückes, mit Orientierung der ostseitigen Wohnungen auf das gewidmete Gewerbegebiet und mit direkter Nachbarschaft der Wohnungen zur privatrechtlich festgelegten Zufahrt zu einer (derzeit noch nicht konkretisierten) Gewerbenutzung, einer geordneten baulichen Entwicklung im Sinne des § 115 Abs. 2 lit. a Tir Raumordnungsgesetz 1997 zuwider und stehe nicht im Einklang mit den absehbaren Widmungsfestlegungen.

Nach der Kundmachung der öffentlichen mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Bauverfahren (am 2. Juni 1997) erhoben die Beschwerdeführerinnen schriftlich Einwendungen, die dahin gingen, dass bei einer Wohnverbauung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes der Betrieb der Beschwerdeführerinnen massivst beeinträchtigt sei und trotz der Tatsache, dass sich dieser Betrieb im Gewerbegebiet befinde, keine Möglichkeit mehr bestehe, diesen umfassend zu führen.

Am 23. Juni 1997 wurden von der Mitbeteiligten insofern geänderte Pläne vorgelegt, als im südlichen Teil des Projektes im Ergeschoß und den drei Obergeschoßen an Stelle von 12 Wohnungen 12 Büros vorgesehen wurden. Die Außenabmessungen, die Baumasse und der umbaute Raum des ursprünglich eingereichten Projektes blieben unverändert (wie dies auch in der Beschreibung der geänderten Tektur festgehalten ist).

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 8. August 1997 wurde das Bauansuchen abgewiesen. Gestützt auf das angeführte raumordnungsfachliche Gutachten vertrat die Behörde erster Instanz die Auffassung, dass durch das vorliegende Bauvorhaben die raumplanerische Bestrebung der langfristigen Sicherung der Betriebe im Gewerbegebiet gefährdet werde und das Bauvorhaben in der eingereichten Form einer geordneten baulichen Entwicklung im Sinne des § 115 Abs. 2 lit. a Tir Raumordnungsgesetz 1997 zuwiderlaufe.

Die Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung. Im Berufungsverfahren legten die Beschwerdeführerinnen ein lärmtechnisches Gutachten des Dipl. Ing. P.F. vom 4. April 1996 vor, das die Frage der Umwidmung des nördlich der Tischlerei gelegenen, als Gewerbegebiet gewidmeten Gebietes in Wohngebiet betraf (dieses Gebiet liegt östlich vom Baugrundstück). In diesem stellte der Sachverständige zusammenfassend fest, dass "erkennbare Lärmimmissionen aus der Betriebsanlage in der neuen Wohnnachbarschaft nicht verhindert werden" könnten. Künftige Gewerberrechtsbewilligungen würden durch die zusätzlichen Anrainer mit Parteistellung erfahrungsgemäß erschwert bzw. verhindert werden.

Weiters wurde von der belangten Behörde ein ergänzendes raumordnungsfachliches Gutachten vom 13. August 1998 zur Frage des Vorliegens der Voraussetzung des § 115 Abs. 2 lit. a Tir Raumordnungsgesetz 1997 eingeholt. Ausgehend von Immissionsgrenzwerten für städtisches Wohngebiet bzw. für Kerngebiet wurde festgestellt, dass ausschließlich auf der Ostseite des verfahrensgegenständlichen Gebäudes im Bereich der Wohnnutzung die zulässigen Immissionswerte überschritten würden, wobei während der Tagzeit die Wandflächen des dritten Obergeschosses zum Teil, jene des vierten Obergeschosses zur Gänze von der Überschreitung betroffen wären und diese 5 dB betrage. Der südliche Gebäudeteil mit Büronutzung und die westseitige Wohnnutzung lägen im Bereich der zulässigen Normschallpegel. An der Ostseite des Gebäudes sei wegen der Überschreitung der Normschallimmission die Wohnnutzung nicht zulässig. Dies resultiere nicht nur aus der gegenseitigen Beeinträchtigung der bestehenden festgelegten Widmungen, sondern aus der Überlagerung der Schallemissionen aller drei Emittenten.

Und weiters wird in diesem Gutachten ausgeführt:

"2) für die raumordnerische Situation im Hinblick auf künftige Widmungsfestlegungen in Entsprechung von § 115 Abs. 2 und § 37 Abs. 1b TROG, der die Widmung als Bauland für Grundflächen, soweit sie auf Grund von Bodenbelastungen oder Immissionsbelastungen für eine widmungsgemäße Bebauung nicht geeignet sind, ausschließt, dass bei generalisierender Betrachtung im gesamten Gebiet zwischen S..., Sch...gasse, Bahntrasse und B...straße nur Baulandwidmungen und der Ausschluss von Wohnungen festgelegt werden könnten, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von möglichen Immissionsminderungen durch Schallschutzmaßnahmen an den Emittenten oder infolge eines besonderen Bebauungskonzeptes ausgegangen werden kann. Dem Umstand, dass zwar an der Sch...gasse (Westseite des Gebäudes) aus der Sicht der Beschallung Wohnungen errichtbar seien, könne planungsrechtlich nicht entsprochen werden.

Das Bauansuchen widerspricht daher § 115 Abs. 2 TROG, weil die künftig festzulegenden Widmungen die Immissionsbelastungen zu berücksichtigen haben und z.B. bei Belassung der raumordnerisch richtigen Gewerbe- und Mischgebietswidmung im bisherigen Umfang letztere Widmung nur mit der zusätzlichen Einschränkung des Ausschlusses von Wohnnutzung festgelegt werden könnte."

Die Mitbeteiligte legte ein ergänzendes raumordnungsfachliches und ein ergänzendes schalltechnisches Gutachten (vom 23. Oktober 1998 bzw. vom 17. September 1998) vor. Beide Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass das geplante Bauvorhaben aus schalltechnischer bzw. raumordnungsfachlicher Sicht zulässig sei. Im raumordnungsfachlichen Gutachten wurde zusammenfassend festgestellt, dass die Lärmimmissionsmessungen ergeben hätten, dass das Projekt S-Gasse im allgemeinen Mischgebiet liege und die zulässigen Immissionswerte nur teilweise erreicht und nicht überschritten würden. Im allgemeinen Mischgebiet seien Wohnungen und im Wohngebiet zulässige Gebäude möglich. Der Flächenwidmungsplan entspreche in Darstellung und Text mit den Abstufungen um je eine Kategoriestufe zwischen aneinanderliegenden Baulandkategorien auch den schalltechnischen Grundlagen für eine örtliche und überörtliche Raumplanung, wo Nutzungskonflikte hintangehalten werden könnten. Das vorliegende Projekt erfülle alle genannten gesetzlichen Vorschriften, ebenso die Richtlinien und Empfehlungen für Raumplanungen nach dem neuen Stand. Dasselbe gelte auch für den Flächenwidmungsplan.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Ansuchen gemäß § 31 Abs. 10 Tir Bauordnung 1989 in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Tir Bauordnung 1998 und gemäß den §§ 114 und 115 Abs. 2 Tir Raumordnungsgesetz 1997 unter Auflagen bewilligt (Spruchpunkt 1.). Mit Spruchpunkt 2. lit. a wurden die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen abgewiesen.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Errichtung einer bestimmten baulichen Anlage grundsätzlich zulässig sei, die Widmung des Bauplatzes und nicht die Widmung für die anrainenden Grundstücke maßgeblich sei. Auf Grund der vorliegenden rechtskräftigen Widmung des Bauplatzes als "Mischgebiet" sei das beantragte Wohn-, Büro- und Studentenhaus an sich zulässig, zumal nach der Übergangsbestimmung des § 109 Abs. 4 Tir Raumordnungsgesetz 1997 Mischgebiet nach § 14 Abs. 1 Tir Raumordnungsgesetz 1984 als allgemeines Mischgebiet nach § 40 Abs. 2

Tir Raumordnungsgesetz 1997 zu gelten habe und dieser Verweisung auf § 40 Abs. 2 Tir Raumordnungsgesetz 1997 zufolge die im gemischten Wohngebiet (§ 38 Abs. 2 Tir Raumordnungsgesetz 1997) zulässigen Gebäude und Gebäude für Betriebe errichtet werden dürften. Nach Auffassung der belangten Behörde widerspreche das Vorhaben nicht der Bestimmung des § 115 Abs. 2

Tir Raumordnungsgesetz. Gemäß § 55 Abs. 4

Tir Raumordnungsgesetz 1997 dürfe die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan bestünde und die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt sei. Da für das verfahrensgegenständliche Grundstück weder ein allgemeiner, noch ein ergänzender Bebauungsplan das Bauvorhaben bestimme, kämen die Übergangsbestimmungen der §§ 114 und 115 Tir Raumordnungsgesetz 1997 zur Anwendung. Nach diesen Regelungen dürfe eine Baubewilligung auch erteilt werden, wenn der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan für das betreffende Grundstück noch nicht bestünden, wenn das Grundstück nach dem Tir Raumordnungsgesetz 1984 als Bauland oder Sonderfläche gewidmet sei bzw. für das Grundstück Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) vorhanden wären. Gemäß Abs. 2 des § 115 Tir Raumordnungsgesetz 1997 dürfe darüber hinaus in derartigen Fällen die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden auf Grundstücken nach Abs. 1 erster Satz des § 115 Tir Raumordnungsgesetz 1997 nur erteilt werden, wenn die Bebauung des betreffenden Grundstückes einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung nicht zuwiderlaufe. § 114 Abs. 1

Tir Raumordnungsgesetz 1997 lege weiters fest, dass bis zur Erlassung des allgemeinen Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen die bestehenden Bebauungspläne nach § 18 Tir Raumordnungsgesetz 1984 in Kraft bleiben würden. Bis dahin sei auf die Festlegungen solcher Bebauungspläne, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes

(Tir Raumordnungsgesetz 1997) stünden, im Bauverfahren Bedacht zu nehmen. Der bestehende, für den Bauplatz verordnete Bebauungsplan Nr. 51/bh lege dabei nach der beigeschlossenen Legende für den Bauplatz "Straßenflucht-, Bauflucht- und Baugrenzlinien, die offene Bauweise und eine maximale Wandhöhe von 12 Meter" fest. Derartige Festlegungen stünden per se nicht im Widerspruch zum Tir Raumordnungsgesetz 1997, zumal derartige Verordnungsinhalte auch nach den Bestimmungen des Tir Raumordnungsgesetzes 1997 im Sinne der Bestimmungen der §§ 56, 58, 59, 60 und 62 Tir Raumordnungsgesetz 1997 erlassen werden könnten. Es sei daher auf die Festlegungen des Bebauungsplanes Nr. 51/bh Bedacht zu nehmen. Im Sinne der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in seinen Erkenntnissen vom 14. Oktober 1982, G 34/81, bzw. vom 23. Juni 1987, G 137/86, G 182, 183/86, ergebe sich aus § 114 Abs. 1 Tir Raumordnungsgesetz 1997, sei auf bestehende Festlegungen eines früher erlassenen Bebauungsplanes nicht bloß schlicht Rücksicht zu nehmen, sondern dessen Festlegungen zwingend zu beachten. Die Verpflichtung, auf Festlegungen von bestehenden Bebauungsplänen Bedacht nehmen zu müssen, könne nur bedeuten, dass damit im Sinne der Bestimmung des § 115 Abs. 2

Tir Raumordnungsgesetz 1997 der Forderung nach Bebauung des betreffenden Grundstückes hinsichtlich einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung entsprochen sei. Wenn sich die Baubehörde erster Instanz auf eine Stellungnahme des Amtes für Planung und Baurecht vom 21. April 1997 berufe und ihrer abweislichen Entscheidung einen zu vermeidenden Nutzungskonflikt unterschiedlicher, angrenzender Widmungen unterstelle, so müsse diese Argumentation im Anlassfall als wenig stichhaltig qualifiziert werden, da einerseits die für das Areal der Beschwerdeführerinnen bestehende Gewerbe- und Industriegebietswidmung unter dem Vorbehalt verordnet sei, dass hier nur Betriebsanlagen zulässig seien, die für die benachbarte Wohnbevölkerung keine Gefahr für Leben und Gesundheit, insbesondere durch starke Rauch-, Staub- und Lärmbelästigung befürchten ließen, andererseits in unmittelbarer nordwestlicher Nachbarschaft, nur durch eine schmale Verkehrsfläche vom Gewerbegebiet getrennt, eine intensive Wohnbaubebauung rechtmäßig bestehe. Schließlich habe die Mitbeteiligte weiters durch eine Nutzungsänderung der südseitigen Räume von Wohn- in Büroräume eine weitere zielführende Maßnahme gesetzt, um dem Ziel zur Vermeidung von Nutzungskonflikten zu entsprechen. Es wurde in der Folge auf das ergänzend eingeholte raumordnungsfachliche Gutachten vom 13. August 1998 und auf die beiden von der Mitbeteiligten vorgelegten Gutachten verwiesen.

In Würdigung aller ergänzend erstatteten Gutachten wurde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die vom "Amt für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt" an Ort und Stelle getätigten Messungen und durchgeführten Schallausbreitungsberechnungen de facto für die Fassadenteile des in Rede stehenden Objektes für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr (Tag) ein Schallpegelbereich von 50 bis 60 dB und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtzeit) ein solcher von 35 bis 50 dB ergeben habe. Laut ÖNORM S 5021-1 (vom 1. März 1998) grenzten die tatsächlich erhobenen A-bewerteten Immissionsgrenzwerte von 50 dB (nachts) und 60 dB (tags) Gebiete und Standplätze der Kategorie 4 (Mischgebiet) ein, welche als Kerngebiet beschrieben seien. Diese Immissionsgrenzwerte gälten zugleich gemäß ÖAL-Richtlinie 36 als Planungsrichtwerte für Mischgebiete. Im Lichte dieser Zuordnungen sei somit festzuhalten, dass die derzeit verordnete Mischgebietswidmung für den in Rede stehenden Bauplatz in Übereinstimmung mit tatsächlich gemessenen Lärmimmissionen stehe. Folge man der Forderung für die Planung und Widmung, dass nur solche Gebiet aneinander grenzen sollten, die sich um nicht mehr als eine schallschutztechnische Kategorie (5 dB) unterschieden, so müsse einerseits auf Grund der erhobenen Lärmbelastung im Zusammenhang mit der durch die genehmigten Änderungen der Betriebsanlage "Sp.", womit nach Aussage des "Amtes für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt" eine weitere Reduktion der Schallpegel um ca. 5 dB zu erwarten sei, davon ausgegangen werden, dass selbst die derzeit bestehende südseitige Widmungskategorie als Gewerbe- und Industriegebiet mit Emissionseinschränkung jene Kategoriewerte aufweise, die für das Mischgebiet empfohlen würden, sodass andererseits die Forderung im Gutachten der Stadtplanung nach einem Widmungsziel für den Bauplatz als Mischgebiet ohne Wohnnutzung deswegen nicht gerechtfertigt sei, als dadurch, entgegen den Empfehlungen der ÖNORM und ÖAL-Richtlinie eine Widmungszielsetzung aneinander grenzender Gebiete verlangt werde, die sich weit weniger als um eine schallschutztechnische Kategorie unterscheide. Dies deshalb, als selbst das emissionsentlastete städtische Wohngebiet (mit 45 dB bis 55 dB) den ÖNORM-Empfehlungen entsprechend an ein Mischgebiet und emissionsreduziertes Gewerbe- und Industriegebiet planerisch angrenzen dürfte (50 bis 60 dB) und das verfeinert differenzierte Mischgebiet ohne Wohnnutzung, wie stadtplanungsseitig vorgeschlagen, immissionsgrenzwertmäßig ebenfalls dazwischen anzusiedeln wäre (vielleicht 47 bis 57 dB).

Die Einwendung der Beschwerdeführerinnen wurde als unzulässig zurückgewiesen, weil aus der Tiroler Baurechtsordnung derartige subjektive Nachbarrechte nicht ableitbar seien, bzw. grundsätzlich das Bauvorhaben der bestehenden Widmung entspreche.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin ist nicht zulässig.

Gemäß § 58 Abs. 1 Tir Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 (im Folgenden: TBO 1998), sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Baubewilligungsverfahren und Verfahren auf Grund von Bauanzeigen nach der bisherigen Tiroler Bauordnung weiterzuführen, wenn das betreffende Bauvorhaben auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig ist. Andernfalls ist das Verfahren einzustellen. Da im vorliegenden Fall ein gemäß der TBO 1998 bewilligungspflichtiges Bauvorhaben vorliegt und das Bauansuchen am 30. Dezember 1996 bei der Baubehörde erster Instanz einlangte, hatte die belangte Behörde die Tiroler Bauordnung 1989 in der am Tag vor Inkrafttreten der TBO 1998 geltenden Fassung (Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 31/1997; TBO) anzuwenden.

Gemäß § 30 Abs. 1 TBO sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt. Nach dem im Akt einliegenden Grundbuchsauszug vom 12. Mai 1997 und dem von der Mitbeteiligten vorgelegten Grundbuchsauszug vom 26. Mai 2000 ist die Erstbeschwerdeführerin alleinige Eigentümerin jenes südlich vom Baugrundstück gelegenen, durch eine Verkehrsfläche getrennten Grundstückes, auf dem sich der angeführte Holzverarbeitungsbetrieb befindet. Da die Zweitbeschwerdeführerin nicht Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen benachbarten Grundstückes ist, kommt ihr eine Parteistellung als Nachbarin im Sinne des § 30 Abs. 1 TBO 1989 nicht zu. Da somit in Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann, war die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 34 VwGG mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat, wenn von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet wird, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung auf Grund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung), die Behörde über diese Einwendung abzusprechen, indem sie die Einwendung als unbegründet abweist, die Baubewilligung unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt oder die Baubewilligung überhaupt versagt. Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b Tir Raumordnungsgesetz 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Die Erstbeschwerdeführerin hat im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich eine massive Beeinträchtigung ihres Gewerbebetriebes durch die nahe gelegene Wohnanlage geltend gemacht, deren Bewohner sich erfolgreich gegen die aus ihrem Betrieb verursachten Immissionen wenden könnten.

Die belangte Behörde hat diesem Beschwerdevorbringen zutreffend entgegengehalten, dass sich aus § 30 Abs. 4 TBO in Verbindung mit den sonstigen baurechtlichen Bestimmungen kein derartiges Nachbarrecht ableiten lasse. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem - auch von der belangten Behörde bereits angeführten - hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, Zl. 96/06/0243, ausgesprochen, die in § 30 Abs. 4 TBO vorgenommene Aufzählung der Nachbarrechte lasse erkennen, dass die jeweilige Bauordnung subjektive Rechte nur dahingehend einräumt, dass sich die Nachbarn von beantragten Bauprojekten in dem in der Bauordnung näher genannten Ausmaß gegen Immissionen auf ihren Grundstücken, die vom beantragten Projekt ausgehen, wenden können. Es ergeben sich aus § 30 Abs. 4 TBO 1989 in Verbindung mit den darin zum Teil ausdrücklich genannten widmungsrechtlichen Bestimmungen insoweit Nachbarrechte, als es um den Schutz der Nachbarn eines Bauprojektes vor den von diesem Projekt ausgehenden Immissionen geht. Hätte der Tiroler Gesetzgeber einen Schutz, wie ihn die Erstbeschwerdeführerin behauptet, durch die Einräumung eines entsprechenden subjektiv öffentlich-rechtlichen Rechtes einräumen wollen, so hätte er dies durch eine entsprechende ausdrückliche Formulierung tun müssen (vgl. beispielsweise nunmehr § 31 Abs. 5 Oö Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66). Für diese Auslegung spricht auch § 30 Abs. 1 TBO 1989, nach dem Nachbarn jene Eigentümer von Grundstücken sind, die zu dem zu bebauenden Grundstück in einem solchen Naheverhältnis stehen, dass durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf das Grundstück des Nachbarn oder die auf dem Nachbargrundstück errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Auch aus dieser Regelung geht eindeutig hervor, dass es im Rahmen der vom Gesetz eingeräumten Nachbarrechte ausschließlich um die Auswirkungen des geplanten Projektes auf das Nachbargrundstück geht. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Einwendungen u.a. der Erstbeschwerdeführerin als unzulässig erkannt. Der Umstand, dass die belangte Behörde die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin im Spruch entgegen der anders lautenden Begründung abgewiesen hat, verletzt die Erstbeschwerdeführerin in keinen Rechten.

Soweit die Erstbeschwerdeführerin geltend macht, dass von der belangten Behörde § 115 Abs. 2 TROG 1997 nicht zutreffend ausgelegt worden sei, ist ihr einerseits entgegenzuhalten, dass sie diesbezüglich keine rechtzeitigen Einwendungen im Sinne des § 42 AVG erhoben hat. Andererseits steht dem Nachbarn gemäß der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 97/06/0248) bezüglich § 115 Abs. 2 TROG 1997 kein subjektives öffentliches Recht im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO 1989 zu. Mangels eines diesbezüglichen Mitspracherechtes ist auf das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin in diesem Zusammenhang (insbesondere die geltend gemachten Verfahrensverletzungen) nicht weiter einzugehen. Angemerkt wird, dass auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein der Widmung entsprechendes Bauvorhaben, das mit bestehenden älteren noch anzuwendenden Bebauungsplänen im Einklang steht, nicht als mit einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung zuwiderlaufend angesehen werden kann. Dies kann aus allfälligen Nachteilen, die sich für einen Gewerbetreibenden für seine Betriebsanlage aus der benachbarten Mischgebietswidmung ergeben kann, nicht abgeleitet werden.

Soweit die Erstbeschwerdeführerin ihr nicht zur Kenntnis gebrachte Änderungen des Bauvorhabens im Berufungsverfahren rügt, ist klarzustellen, dass die Änderung lediglich darin bestanden hat, dass im südlichen Teil des Objektes an Stelle von 12 Wohnungen 12 Büros vorgesehen sind (im Erdgeschoß und den drei Obergeschoßen). Änderungen eines Bauvorhabens sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zuge eines Bauverfahrens zulässig, soweit das Wesen des eingereichten Bauvorhabens unberührt bleibt und kein aliud vorliegt (vgl. die in Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 141 f, angeführte hg. Judikatur). Einschränkungen des Vorhabens - auch solche, die auf Grund der Berufung von Nachbarn erfolgen - sind zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 89/05/0026). So erfolgte die vorliegende Nutzungsänderung im südlichen Teil des verfahrensgegenständlichen Gebäudes von Wohnungen in Büros im Sinne des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin und stellt aus der Sicht des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin eine Einschränkung des Vorhabens dar.

Der Erstbeschwerdeführerin steht auch im Hinblick auf die von ihr gerügte Höhe der nördlichen Gebäudefront des Bauvorhabens kein Nachbarrecht zu. Das Nachbarrecht auf Einhaltung der Gebäudehöhe gilt immer nur für die Gebäudefront, die dem Nachbargrundstück zugewendet ist. Dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin ist die südliche Gebäudefront des Bauprojektes zugewendet, die die in dem anzuwendenden Bebauungsplan vorgeschriebene Gebäudehöhe einhält. Der Erstbeschwerdeführerin kommt auch kein Nachbarrecht in Bezug auf die Schaffung von Abstellplätzen zu.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. September 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte