VwGH 99/05/0279

VwGH99/05/027920.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde

1. des Manfred Maier und 2. der Helga Wallner, beide in Burgkirchen, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. F.X. Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. Oktober 1999, GZ. BauR-12340/10-1999-Pe/Vi, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Tarsdorf, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben insgesamt dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 15. April 1997 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit 5 Wohneinheiten und Garagen auf dem Grundstück Nr. 2285/20, KG Hörndl.

In der über dieses Bauvorhaben durchgeführten mündlichen Verhandlung erhoben Nachbarn Einwendungen. Das Bauvorhaben verstoße gegen die zulässige Gebäudehöhe und stehe auch im Widerspruch zu den Vorschriften des anzuwendenden Bebauungsplanes über die zulässige Geschosszahl.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. Oktober 1997 wurde die beantragte Baubewilligung unter Nebenbestimmungen erteilt.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung der Nachbarn wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Jänner 1999 das Baugesuch abgewiesen. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde darauf hingewiesen, dass die Berufungsbehörde nunmehr von dem mit Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Mai 1998 geänderten Bebauungsplan "Ehersdorf III" auszugehen habe, welcher sowohl die Gebäudehöhe (nunmehr festgelegt mit der Firsthöhe maximal 10 m über der Erdgeschossfußbodenoberkante) als auch das Maß der baulichen Nutzung (Geschossflächenzahl 0,4; bebaubare Fläche Grundflächenzahl 20 %) eingeschränkt habe. Die Grundflächenzahl des zur Bewilligung eingereichten Projektes betrage 23,09 %, die Geschossflächenzahl 0,49; die Firsthöhe über der Erdgeschossfußbodenoberkante liege bei 10,89 m.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. April 1999 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung mit der Feststellung Folge gegeben, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt werden. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, dass die erste Änderung des von der Berufungsbehörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Bebauungsplanes Nr. 5 "Ehersdorf III" im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Gemeinderat über die Berufungen der Nachbarn gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid bereits rechtswirksam gewesen sei und deshalb vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als Berufungsbehörde zu Recht berücksichtigt worden sei (Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1997, Slg. Nr. 9.315/A). Die somit im Berufungsverfahren eingetretene Änderung der Rechtslage sei jedoch nicht zum Gegenstand des Parteiengehörs gemacht worden, weshalb der Berufungsbescheid mit einem Mangel belastet sei. Wenngleich auch grundsätzlich immer nur der erwiesene Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung der Verpflichtung zum Parteiengehör unterliege, sei dennoch bei Änderung der Rechtslage während des Verfahrens der Partei Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt unter dem Blickwinkel der neuen Rechtslage darzulegen. Hinzu komme, dass die Baubehörde zweiter Instanz nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darüber hinaus verpflichtet sei, den Bauwerbern vor der Versagung der Baubewilligung eine Projektsänderung nahe zu legen. Die Baubehörde sei verpflichtet, den Bauwerber bei Widerspruch seines Vorhabens zu baurechtlichen Bestimmungen anzuhalten, sein Projekt entsprechend abzuändern, um einen Versagungsgrund zu beseitigen. Mit einer Abweisung des Bauantrages dürfe erst dann vorgegangen werden, wenn sich der Antragsteller weigere, eine Änderung des Projektes vorzunehmen. Aus diesen Gründen sei daher der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde aufzuheben gewesen.

Nach Vorhalt der Änderung des Bebauungsplanes hat der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 22. Juni 1999 die beantragte Baubewilligung versagt, weil das Bauvorhaben nicht den Bestimmungen des Bebauungsplanes "Ehersdorf III, Änderung Nr. 1" hinsichtlich der Gebäudehöhe und des Maßes der baulichen Nutzung entspräche. Trotz Aufforderung hätten die Beschwerdeführer keine Projektsänderung vorgenommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer mit der Feststellung keine Folge gegeben, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt werden. Die Berufungsbehörde sei zutreffend davon ausgegangen, dass das eingereichte Bauvorhaben den Festlegungen des Bebauungsplanes in den von ihr ins Treffen geführten Punkten widerspreche; dies stehe einer Teilung der begehrten Baubewilligung entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 35 Abs. 1 Oö. BauO" verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Die Anwendung der Grundsätze des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses Slg. Nr. 9.315/A führe im Beschwerdefall zu einem unbilligen Ergebnis, zumal die Berufungsbehörde nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten ab Einbringung der Berufung entschieden habe und es erst dadurch zu einer Änderung der Rechtslage gekommen sei. Die belangte Behörde hätte zum Ergebnis kommen müssen, dass die Entscheidung auf Grundlage des "alten" Bebauungsplanes ergehen müsse. Hätte der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei innerhalb der Frist von sechs Monaten entschieden, hätte dies auf Basis des alten Bebauungsplanes geschehen müssen. Die Berufungsbehörde wäre an die geltend gemachten Berufungsgründe und das Berufungsvorbringen gebunden gewesen. Weder im Verfahren vor der Behörde erster Instanz noch in der Berufung hätten die Berufungswerber den Einwand erhoben, dass die Gebäudehöhe, die Geschossflächenzahl, die Grundflächenzahl und der Abstand des Bauwichs bis zur Grundgrenze nicht dem Bebauungsplan entsprächen. Insbesondere hätten die Berufungswerber nach Erlassung des neuen Bebauungsplanes kein weiteres Vorbringen erstattet. Die Berufung enthalte lediglich den Berufungsantrag, die Baubewilligung zu versagen. Der Baubewilligungsantrag hätte von der Berufungsbehörde nicht abgewiesen werden dürfen, so lange die Baugenehmigung selbst nicht behoben sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 1 Oberösterreichische Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 91/1990, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung hat die Aufsichtsbehörde, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Bei der neuerlichen Entscheidung ist die Gemeinde an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Aus dieser Rechtslage folgt, dass den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0095). Sowohl die Gemeinde als auch die anderen Parteien des Verfahrens sind an die die Aufhebung tragenden Gründe eines aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden, gleich bleibende Rechtslage vorausgesetzt. Die Gemeinde sowie die anderen Parteien des Verfahrens sind berechtigt, die Unrichtigkeit von tragenden Gründen mit Beschwerde geltend zu machen, um den Eintritt dieser Bindungswirkung zu verhindern (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/05/0267). Die tragenden Aufhebungsgründe eines rechtskräftigen aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde sind daher für das fortgesetzte Verfahren nicht nur vor der Gemeindebehörde und vor der Aufsichtsbehörde, sondern auch vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bindend. Diese bindende Wirkung bestünde selbst bei einem Widerspruch mit der objektiven Rechtslage (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 98/05/0003). Die bindende Wirkung kann sich sowohl auf Fragen des materiellen Rechtes als auch auf solche des Verfahrensrechtes beziehen. In letzterem Fall kann die Aufsichtsbehörde der Gemeinde auch eine bestimmte Vorgangsweise im Verwaltungsverfahren auftragen (vgl. hiezu Fröhler-Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht,

3.14 Gemeindeaufsicht, S. 48 f).

Die Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Bescheid der belangten Behörde vom 26. April 1999 erfolgte im Grunde des § 102 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990 deshalb, weil den Beschwerdeführern die im Berufungsverfahren eingetretene Änderung der Rechtslage infolge Änderung des für die Beurteilung der Verwaltungsrechtssache maßgeblichen Bebauungsplanes nicht zur Kenntnis gebracht worden ist; dieser Umstand sei auch nicht zum Gegenstand des Parteiengehörs gemacht und den beschwerdeführenden Bauwerbern insoweit auch die Möglichkeit einer Projektsänderung nicht ermöglicht worden ist. Diese sich auf das Verfahrensrecht beziehenden tragenden Aufhebungsgründe beruhen auf jenen materiellrechtlichen Bestimmungen, welche nach der Auffassung der Aufsichtsbehörde in ihrem aufhebenden Bescheid vom 26. April 1999 im Beschwerdefall anzuwenden sind. Damit erweist sich aber die im vorgenannten Bescheid der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung, der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde habe in seiner Berufungsentscheidung die erste Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 "Ehersdorf III" bei Beurteilung des beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahrens "zu Recht berücksichtigt" als tragender Aufhebungsgrund im Sinne des § 102 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990. Da dieser Bescheid nach der Aktenlage bei keinem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen ist, hat auch der Verwaltungsgerichtshof nunmehr - ohne weitere Prüfung - davon auszugehen, dass der Bebauungsplan in der geänderten Fassung Grundlage für das beschwerdegegenständliche Bauverfahren zu sein hat. In diesem Zusammenhang ist es nicht weiter von rechtlicher Bedeutung, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde nicht innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Sechsmonatsfrist entschieden hat. Auf Grund der bindenden Wirkung des aufhebenden Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. April 1999 entzieht sich auch das Beschwerdevorbringen, die berufenden Nachbarn hätten weder im Verfahren selbst noch in der Berufung jemals Einwendungen dahingehend erhoben, "dass die Gebäudehöhe, die Geschossflächenzahl, die Grundflächenzahl und der Abstand des Bauwiches bis zur Grenze nicht dem Bebauungsplan entsprechen würden", einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.

Im Hinblick auf die Anordnung des § 66 Abs. 4 AVG, wonach die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden hat, bedurfte es keiner Aufhebung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides vom 31. Oktober 1997, weil der Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juni 1999, mit welchem nunmehr die beantragte Baubewilligung versagt worden ist, an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides getreten ist.

Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. April 2001

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