VwGH 99/05/0087

VwGH99/05/00874.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der Z-Leasing Beta Immobilien Leasing Gesellschaft m.b.H. und 2. der ARWAG Bauträger Gesellschaft m.b.H., beide in Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Fries, DDr. Christa Fries und Dr. Michael Tröthandl, Rechtsanwälte in Baden, Erzherzog-Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 24. Februar 1999, Zl. MD-VfR - B XIX - 78/98, betreffend Rückerstattung des entrichteten Beitrages gemäß § 51 Bauordnung für Wien,

Normen

BauO Wr §51 Abs12;
VwRallg;
BauO Wr §51 Abs12;
VwRallg;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

I. zu Recht erkannt:

Auf Grund der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 6. November 1992 wurde der

V. G. Liegenschaftsverwertungs Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: VG) über deren Antrag, somit als Bauwerberin, die Baubewilligung für die Errichtung eines Bürohauses auf der Liegenschaft in Wien 19., Muthgasse 56-64, erteilt. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 27. Oktober 1992 wurde der VG als Bauwerberin ein "Anliegerbeitrag" in der Höhe von S 95.241.- vorgeschrieben und in der Folge von dieser auch entrichtet.

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1995 gab die Erstbeschwerdeführerin der Baubehörde erster Instanz bekannt, dass sie auf Grund des Kaufvertrages mit der VG als Verkäuferin vom 16. November 1994 die im obgenannten Baubewilligungsbescheid genannten Liegenschaften käuflich erworben habe und nunmehr Eigentümerin dieser Liegenschaften sei. Sodann führte die Erstbeschwerdeführerin in diesem Schreiben aus:

"Aufgrund dieses Kaufvertrages, den wir ebenso wie die Grundbuchsauszüge vorlegen, sind wir seit dem in § 3 des Kaufvertrages ('Anbot') bezeichneten Übergabsvertrag, sohin am 27. 10. 1994, Rechtsnachfolger der (VG) hinsichtlich der im zitierten Bescheid angeführten Liegenschaften sowie hinsichtlich aller Rechte und Pflichten, die mit diesen Liegenschaften für die (VG) verbunden waren, geworden. Zum Nachweis dafür legen wir auch das Schreiben der Stadt Wien, Magistratsabteilung 69 vom 17. 11. 1994 vor, mit dem der Eintritt der in § 3 des Kaufvertrages genannten Bedingungen bestätigt wird.

...Die (Erstbeschwerdeführerin) ist daher anstelle der (VG) auch Bauwerberin und Bescheidadressatin des oben zitierten Baubewilligungsbescheides.

Das vorausgeschickt, verzichtet die (Erstbeschwerdeführerin) hiemit auf die Inanspruchnahme der mit Bescheid (...) vom 6. November 1992 erteilten Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftszentrums auf der Liegenschaft 1190 Wien, Muthgasse Onr. 56-64, hinsichtlich der über dem außen liegenden Niveau zu errichtenden Objekte und unter der Voraussetzung der Erteilung der am 31. 3. 1995 beantragten und am 26. 4. 1995 verhandelten Baubewilligung für die Obergeschoße einschließlich des Erdgeschoßes."

Die Zweitbeschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 31. März 1995 um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftszentrums auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft angesucht, welche ihr in der Folge auch erteilt worden ist.

Die VG teilte der Baubehörde erster Instanz mit Schriftsatz vom 9. Juni 1995 mit, dass die neue Eigentümerin der Liegenschaften (Erstbeschwerdeführerin) in die Rechtsstellung ihrer gültigen Baubewilligung eingetreten sei und alle mit der Baubewilligung verbundenen Rechte, Pflichten und sonstigen Veranlassungen daher im Bereich der neuen Eigentümerin lägen.

Über Antrag vom 8. Oktober 1996 wurde der VG der Anliegerbeitrag erstattet.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1996 beantragten die Beschwerdeführer die Rückerstattung des mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 27. Oktober 1992 vorgeschriebenen und von der VG entrichteten "Anliegerbeitrages" in der Höhe von S 95.241.- gemäß § 51 Bauordnung für Wien. Ausgehend von dem oben wiedergegebenen Sachverhalt führten die Beschwerdeführer in diesem Antrag noch aus, mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 22. Juni 1995 sei der Zweitbeschwerdeführerin auf Grund der oberwähnten Verzichtserklärung der Erstbeschwerdeführerin die von ihr beantragte "neue" Baubewilligung erteilt worden, "nachdem die dem neuen Bauwerber vorgeschriebenen ... Anliegerbeiträge von diesem bezahlt wurden". Der Behörde sei bereits bekannt und nachgewiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin Rechtsnachfolgerin der VG auch hinsichtlich der Baubewilligung vom 6. November 1992 und sohin Bauwerberin sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der im Devolutionswege zuständig gewordenen Bauoberbehörde für Wien vom 24. Februar 1999 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführer gemäß "§ 51 Abs. 11 und 12 der Bauordnung für Wien" als unbegründet abgewiesen. Ausgehend von dem wiedergegebenen Sachverhalt führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, bezüglich der am 6. November 1992 erteilten Baubewilligung sei ein Wechsel in der "Person" des durch die rechtskräftige Baubewilligung zur Ausführung des bewilligten Bauvorhabens Berechtigten eingetreten; diese Berechtigung sei auf die Erstbeschwerdeführerin übergegangen. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der VG vom 9. Juni 1995 eindeutig. Von einem "Bauwerber" im Sinne des § 51 Abs. 12 Bauordnung für Wien, der die begehrte Rückerstattung beanspruchen könnte, könne jedoch nur bis zur rechtskräftigen Erteilung der Baubewilligung gesprochen werden. Bauwerber sei daher im Beschwerdefall allein die VG gewesen. Andere Personen könnten den Rückerstattungsanspruch nur geltend machen, wenn sie nachweisen, dass dieser Anspruch auf sie übergegangen ist. Wenngleich die Erstbeschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der VG auf die Ausführung des mit Baubewilligung vom 6. November 1992 genehmigten Bauvorhabens nach Eintritt der von ihr angeführten Bedingung ausdrücklich verzichtet habe, sei jedoch festzuhalten, dass sie im Schreiben vom 19. Mai 1995, in welchem der Verzicht erklärt worden ist, weder einen Antrag auf Rückerstattung des hier gegenständlichen Anliegerbeitrages gestellt noch behauptet bzw. nachgewiesen habe, dass der Anspruch auf Erstattung dieser entrichteten Gebühr auf sie übergegangen sei. Ein solcher Übergang dieses Anspruches sei dem Schreiben vom 19. Mai 1995 nicht zu entnehmen. Da in weiterer Folge die Bauwerberin VG mit Schriftsatz vom 8. Oktober 1996 diesen Anliegerbeitrag zurück gefordert habe und für die Behörde kein Nachweis vorgelegen sei, dass der Erstattungsanspruch auf die Erstbeschwerdeführerin übergegangen sei, habe die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 15. Oktober 1996 der VG den entrichteten Anliegerbeitrag erstattet. Die Erstbeschwerdeführerin habe bis zur Rückerstattung des Anliegerbeitrages an die VG keinen eindeutigen Nachweis erbracht, dass dieser Anspruch auf sie übergegangen sei. Der Erstbeschwerdeführerin stehe es frei, zivilrechtliche Ansprüche gegen die VG geltend zu machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in dem Recht auf Erstattung des Anliegerbeitrages gemäß § 51 Abs. 11 Bauordnung für Wien verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs. 1 Bauordnung für Wien (BO) ist die Gemeinde berechtigt, bei erstmaligem Anbau an neuen Verkehrsflächen einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung dieser Flächen von den Anliegern einzuheben. Auch für schon bestehende Verkehrsflächen im Bauland ist bei erstmaligem Anbau auf bisher unbebauten Bauplätzen oder Baulosen (§ 17 Abs. 4 lit. b) dieser Beitrag einzuheben.

Gemäß Abs. 11 dieses Paragraphen entsteht ein Anspruch auf zinsenfreie Rückerstattung des entrichteten Beitrages, sofern u. a. eine Baubewilligung durch ausdrücklichen Verzicht oder durch Zeitablauf erlischt. Der Anspruch auf Rückerstattung geht unter, wenn er nicht spätestens bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres geltend gemacht wird, das auf das Jahr folgt, in dem die Baubewilligung erloschen oder versagt worden ist.

Gemäß Abs. 12 dieser Gesetzesstelle steht der Anspruch auf Rückerstattung des entrichteten Beitrages dem Bauwerber zu. Andere Personen können diesen Anspruch nur geltend machen, wenn sie nachweisen, dass er auf sie übergegangen ist.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Rechtsansicht vertreten, Bauwerber sei ein Baubewilligungswerber bis zur Erteilung der Baubewilligung. Da im Beschwerdefall der VG die beantragte Baubewilligung erteilt worden sei, sei die Erstbeschwerdeführerin, welche erst nach erteilter Baubewilligung Rechtsnachfolgerin der VG in deren Rechtsstellung als Bewilligungsinhaberin geworden sei, nicht als Bauwerberin Anspruchsberechtigte im Sinne des § 51 Abs. 12 BO. Dem vermag sich jedoch der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

Die Bauordnung für Wien enthält keine Begriffsbestimmung für den Bauwerber. Zweifellos handelt es sich hiebei um jene Person, die um die Baubewilligung eingekommen ist (siehe hiezu Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 3. Auflage, Anm. 12 zu § 51 BO unter Hinweis auf § 63 Abs. 1 lit. c leg. cit.; siehe auch § 65 BO) oder die Bauanzeige als solche der Behörde zur Kenntnis gebracht hat (siehe § 62 Abs. 2 BO).

Die Ordnungsvorschrift des § 124 Abs. 4 BO (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1998, Zlen. 94/05/0322; 94/05/0323 und 97/05/0298) sieht aber auch einen Wechsel des Bauwerbers vor. Nach dieser Gesetzesstelle ist nämlich der Wechsel des Bauwerbers der Behörde anzuzeigen. Diese Anzeige ist sowohl vom bisherigen Bauwerber als auch vom zukünftigen Bauwerber zu unterfertigen. Der zukünftige Bauwerber tritt in die Rechtsstellung des bisherigen Bauwerbers an dessen Stelle ein.

Im Hinblick auf die dem Bauwerber auch nach der Baubewilligung vom Gesetz auferlegten Verpflichtungen, welche sich insbesondere im XII. Abschnitt über die Vorschriften betreffend die Ausführung, Benützung und Erhaltung von Bauten finden, ist daher nach der Bauordnung für Wien die Stellung als Bauwerber nicht mit der Erteilung der beantragten Baubewilligung erschöpft, vielmehr erstreckt sich die Rechtsstellung einer Person als Bauwerber nach diesem Gesetz über die Zeit nach der erteilten Baubewilligung hinaus.

Die VG war daher auch nach der ihr erteilten Baubewilligung vom 6. November 1992 Bauwerberin. Sie zeigte mit Schriftsatz vom 9. Juni 1995 den Wechsel der Bauwerberstellung der Behörde im Sinne des § 124 Abs. 4 BO an. Diese Rechtsnachfolge hat die Erstbeschwerdeführerin der Behörde schon mit Schriftsatz vom 19. Mai 1995 mitgeteilt. Die Erstbeschwerdeführerin ist daher in die Rechtsstellung der bisherigen Bauwerberin VG im Sinne des § 124 Abs. 4 BO eingetreten.

Demnach steht der Anspruch auf Rückerstattung des entrichteten Beitrages zu den Kosten der Herstellung von Verkehrsflächen gemäß § 51 Abs. 12 BO der Erstbeschwerdeführerin als Bauwerberin zu. Die VG konnte auf Grund der festgestellten Rechtsnachfolge der Erstbeschwerdeführerin einen allfälligen Rückerstattungsanspruch nicht mehr auf ihre Stellung als Bauwerberin geltend machen, weil sie auf Grund ihres Schreibens an die Behörde erster Instanz vom 9. Juni 1995 vom vertraglich vereinbarten Rechtsübergang auf die Erstbeschwerdeführerin ausgegangen ist.

Schon aus diesem Grund belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, insoweit damit der Antrag der Erstbeschwerdeführerin abgewiesen worden ist mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Insoweit war daher dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Zweitbeschwerdeführerin konnte auf Grund des Beschwerdevorbringens von vorneherein in dem vom Beschwerdepunkt umfassten geltend gemachten subjektiven-öffentlichen Recht nicht verletzt sein. Ihrer Beschwerde fehlt es daher an der Berechtigung, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss eines gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senates zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den beanspruchten, jedoch nicht aufgelaufenen Verhandlungsaufwand.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 und 4 VwGG Abstand genommen werden. Wien, am 4. Juli 2000

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