VwGH 99/04/0227

VwGH99/04/02272.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der M Bau- und Handelsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. November 1999, Zl. 321.673/1-III/9/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §91 Abs2;
AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §91 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. November 1999 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Erledigung des Landeshauptmannes von Wien vom 13. September 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 und 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. September 1993 sei der Beschwerdeführerin die Bewilligung für das Baumeistergewerbe an einem näher bezeichneten Standort erteilt worden. Am 10. Dezember 1997 habe der Magistrat der Stadt Wien, Mag. Abt. 63 - Zentralgewerberegister, dem Amt der Wiener Landesregierung mitgeteilt, dass über den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin M. wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes Verwaltungsstrafen rechtskräftig verhängt worden seien. In dem daraufhin eingeleiteten Entziehungsverfahren habe der Landeshauptmann von Wien mit Schreiben vom 13. September 1999 der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass ihr handelsrechtlicher Geschäftsführer M. fünfmal wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 schuldig erkannt worden sei, weshalb er nicht mehr als zuverlässig qualifiziert werden könne. Die Beschwerdeführerin sei mit diesem Schreiben gleichzeitig gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 aufgefordert worden, M. binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Schreibens als Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte, somit auch als Mehrheitsgesellschafter, zu entfernen und dies dem Amt der Wiener Landesregierung nachzuweisen. Die Beschwerdeführerin sei in dem Schreiben abschließend darauf hingewiesen worden, dass bei fruchtlosem Verstreichen der genannten Frist die in Rede stehende Gewerbeberechtigung in Vollziehung der Bestimmung des § 91 Abs. 2 GewO 1994 entzogen werden müsste. Gegen dieses Schreiben habe die Beschwerdeführerin die vorliegende Berufung erhoben. Die Erhebung einer Berufung setze zwingend die Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides voraus. Eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweise, sei nur dann als Bescheid anzusehen, wenn die Behörde den Willen habe, damit in einer bestimmten Verwaltungsangelegenheit gegenüber einer individuell bestimmten Person eine diese bindende Regelung - sei dies in der Feststellung eines bestehenden oder in der Gestaltung eines neuen Rechtsverhältnisses - zu erlassen. Mit der im vorliegenden Fall mit Berufung angefochtenen, nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung des Landeshauptmannes von Wien vom 13. September 1999 sei keine die Beschwerdeführerin bindende Regelung getroffen, sondern es seien vielmehr nur die Voraussetzungen für die Entziehung ihrer Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 geschaffen worden. Dieses Schreiben sei damit mangels eines rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Inhaltes und nach seiner nach außen in Erscheinung getretenen Form nicht als Bescheid anzusehen. Das Schreiben stelle vielmehr nur eine den Gang des Entziehungsverfahrens regelnde Verfahrensanordnung dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht, nicht mit einer Maßnahme nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 belegt zu werden und in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht sie geltend, nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei die Verwendung des Wortes "Bescheid" nicht tragend für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheides. Seinem Inhalt nach handle es sich bei dem in Rede stehenden Schreiben aber um einen Bescheid, weil die Behörde den Willen gehabt habe, in einer bestimmten Verwaltungsangelegenheit gegenüber einer individuell bestimmten Person eine diese bindende Regelung in der Gestaltung eines neuen Rechtsverhältnisses zu erlassen, indem die Gewerbeberechtigung beseitigt sei, wenn die Beschwerdeführerin die aufgetragenen Maßnahmen nicht durchführe. Es sei evident, dass es sich bei der als Maßnahme bezeichneten Vorgangsweise der Behörde erster Instanz um einen normativen Akt handle. Es liege ein autoritatives Wollen der Behörde vor, eine bindende Regelung zu erlassen. Dieser Aufforderung sei Befehlscharakter eigen, da an ihre Unterlassung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 als Konsequenz die Entziehung der Gewerbeberechtigung geknüpft sei. Die Beschwerdeführerin habe lediglich die Möglichkeit gehabt, diesem Befehl nachzukommen, um die Rechtsfolgen nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 zu vermeiden. Da eine Gewerbeberechtigung von derart eminenter Bedeutung sei, dass ihre Beseitigung mit dem Untergang des Unternehmens verbunden sei und im Verfahren über die Entziehung der Gewerbeberechtigung lediglich noch die Vorfrage maßgebend sei, ob der Aufforderung nachgekommen worden sei oder nicht, sei die Beschwerdeführerin auch gezwungen gewesen, der Aufforderung nachzukommen. Der Aufforderung sei demnach auch das Element des Zwanges bei ihrer Nichtbefolgung immanent. Es handle sich zwar nicht um physischen, jedoch um einen rechtlichen Zwang, da die Nichtbefolgung der Aufforderung zwingend den Verlust der Gewerbeberechtigung nach sich ziehe. Im Verfahren über die Entziehung der Gewerbeberechtigung, welche mit Bescheid erfolge, sei in Bezug auf die Aufforderung nur noch die Vorfrage wesentlich, ob dieser fristgerecht nachgekommen worden sei oder nicht. Wenn ersteres der Fall sei, sei die Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtmäßig. Die Aufforderung der Behörde erster Instanz zeitige daher unmittelbare Sanktionen, wie sie für einen so genannten Leistungsbescheid typisch seien. Die Aufforderung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 könne auch nicht als verfahrensleitende Verfügung angesehen werden, da daran meritorische Rechtsfolgen, und zwar die Entziehung der Gewerbeberechtigung, anknüpften. Es werde ein materielles Recht, nämlich die Gewerbeberechtigung bzw. deren Verlust, geregelt. Es handle sich daher dabei nicht um eine unanfechtbare Verfahrensanordnung, sondern um einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Durch die Verweigerung einer Sachentscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin sei ihr Grundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs. 2 B-VG verletzt worden. Da die Rechtsansicht der belangten Behörde zur Folge hätte, dass in Österreich eine Gewerbeberechtigung im Wege einer unanfechtbaren Verfahrensanordnung beseitigt werden könne, werde durch den angefochtenen Bescheid auch Art. 1 1.ZPMRK und Art. 6 sowie Art. 13 EMRK sowie Art. 18 B-VG verletzt, weil damit kein effizientes Rechtsschutzsystem in dieser Angelegenheit bestehe.

Gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes ist und sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, beziehen, dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, dass der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle, dass der Gewerbetreibende der Pächter ist, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen.

Dieser Regelung wohnt insofern ein zweifacher normativer Gehalt inne, als damit einerseits (materiell-rechtlich) ausgesprochen wird, dass Gewerbetreibenden, die eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes sind, die Gewerbeberechtigung zu entziehen ist, wenn sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, beziehen. Andererseits enthält diese Bestimmung eine Regelung des Verfahrens dergestalt, dass vor Entziehung der Gewerbeberechtigung der betreffende Gewerbetreibende unter Setzung einer Frist aufzufordern ist, jene Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht und auf die sich der fragliche, im § 87 GewO 1994 angeführte Entziehungsgrund bezieht, zu entfernen, um so die Entziehung der Gewerbeberechtigung zu vermeiden.

Von diesem normativen Gehalt der Bestimmung des § 91 Abs. 2 GewO 1994 ausgehend, trifft es entgegen dem Beschwerdevorbringen keineswegs zu, dass mit der in dieser Norm vorgesehenen behördlichen Aufforderung zur Entfernung der vom Entziehungsgrund des § 87 betroffenen natürlichen Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte Rechtsfolgen für den Gewerbetreibenden verbunden wären. Das Wesen dieser Aufforderung erschöpft sich vielmehr in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der Behörde über das Vorliegen eines Entziehungsgrundes in der betroffenen Person und darüber, dass dieser Person ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des Gewerbetreibenden zukommt, verbunden mit der nicht weiter sanktionierten Aufforderung, innerhalb der gesetzten Frist durch Entfernung dieser Person den gesetzmäßigen Zustand herzustellen, um so die Entziehung der Gewerbeberechtigung zu vermeiden. Erst wenn die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist, hat die Behörde durch Bescheid die in Rede stehende Gewerbeberechtigung zu entziehen. Es trifft aber keineswegs zu, dass die Behörde, wie die Beschwerdeführerin meint, bei Erlassung dieses Bescheides nur mehr zu prüfen hätte, ob die Frist fruchtlos verstrichen ist. Tatbestandsvoraussetzung der Entziehung der Gewerbeberechtigung ist auch in dieser verfahrensrechtlichen Situation allein das Vorliegen eines im § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgrundes in Bezug auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des Gewerbeinhabers zukommt. Es steht daher dem Gewerbetreibenden sowohl im erstbehördlichen Verfahren bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides wie auch in einem gegen den ergangenen Entziehungsbescheid erhobenen Rechtsmittel frei, das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen zu bekämpfen.

Sind aber solcherart mit der Aufforderung im Sinne des § 91 Abs. 2 GewO 1994 Rechtsfolgen für den Gewerbetreibenden nicht verbunden, so bildet es auch (und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Art. 18 B-VG) keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde diese Aufforderung als eine mit Berufung nicht anfechtbare Verfahrensanordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG qualifizierte und dementsprechend die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückwies.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Beschwerde P. M. als "Nebenbeteiligter" bezeichnet wird. Damit wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass diese Person nicht beabsichtigt, als Beschwerdeführer aufzutreten. Da das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof "Nebenbeteiligte" nicht kennt, war daher auf das Beschwerdevorbringen, soweit damit eine Verletzung von Rechten dieser Person geltend gemacht wird, nicht weiter einzugehen.

Es lässt somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 2. Februar 2000

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