VwGH 99/04/0213

VwGH99/04/021322.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde 1.) der M,

2.) des W, beide in B, beide vertreten durch Dr. K u. a., Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Oktober 1999, Zl. 318.553/4-III/A/9/99, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: A Gesellschaft m.b.H. & Co KG in B), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
VwRallg;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Gang des Verwaltungsverfahrens bis zur Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Juli 1998 durch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1999, Zl. 98/04/0156, wird auf die diesbezügliche Darstellung in dem genannten Erkenntnis verwiesen.

Mit dem als Ersatzbescheid für den Bescheid vom 14. Juli 1998 ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 1999 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug neuerlich die in Rede stehende Bewilligung unter Neufassung der Auflagenpunkte D 1. und D 2. Diese Auflagen haben nunmehr folgenden Wortlaut:

"D 1. Während des Betriebes sind folgende Türen und Fenster geschlossen zu halten: Die Türen zum Lüftungsaggregateraum, die Türe zum Ersatzteillager sowie die Fenster der Gebrauchtwagenaufbereitung, der Lackiervorbereitung, das Fenster des Lacklagers und das des Aggregateraumes.

D 2. Das südliche Sektionaltor darf nur zum unmittelbaren Ein- und Ausfahren von Kraftfahrzeugen maximal fünfmal täglich geöffnet werden. So lange das Tor geöffnet ist, dürfen die durch die Arbeiten in der Betriebsanlage verursachten Geräusche den Wert von 51,5 dB(A) im Freien in 3 m Entfernung vor dem Tor nicht überschreiten. Ein Offenhalten des Tores über die unbedingt für die Fahrbewegungen erforderliche Zeit hinaus ist während der Betriebszeiten unzulässig. Die Gehtüre ist während der Betriebszeiten geschlossen zu halten."

Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges aus, sein gewerbetechnischer Amtssachverständiger habe mit Datum 15. März 1999 eine gutachterliche Äußerung erstattet, in der er u. a. ausgeführt habe, es sei bei einer Werkstätte auf Grund der mannigfaltigen Arbeitsvorgänge unmöglich, sämtliche lärmintensiven Arbeitsvorgänge taxativ aufzuzählen. Verstoße die Formulierung "sämtliche lärmintensiven Arbeiten" gegen das Konkretisierungsgebot (obwohl damit klargestellt sei, dass kein Lärm aus der Betriebsanlage ausgehe und daher auch keine Belästigung der Nachbarn gegeben sein könne), so bleibe seiner Meinung nach nur die Sicht, die Lautheit derartiger Geräusche zahlenmäßig festzulegen. Die Einhaltung einer solchen Emissionsobergrenze könne durch eine Schallpegelmessung überprüft werden. Nach den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen über den einzuhaltenden Emissionsgrenzwert habe er eine Formulierung der Auflage in der Form vorgeschlagen, wie sie nunmehr in den angefochtenen Bescheid Eingang gefunden habe. Der Bundesminister führte sodann aus, er folge mit seiner Entscheidung den eindeutigen, klaren und schlüssigen Aussagen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen, woraus sich ergebe, dass eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch die aus dem Gebäude dringenden Arbeitsgeräusche bei Einhaltung des vorgeschriebenen Emissionswertes nicht möglich sei. Weiters werde darauf hingewiesen, dass die Nachbarn in der Verhandlung vom 26. April 1994 erklärt hätten, dass eine Öffnung des südlichen Sektionaltores zum Aus- und Einfahren mit Pkw dann nicht als störend empfunden werde, wenn während dieses Vorganges nicht gearbeitet werde. Die nunmehr formulierten Auflagen erfüllten jedenfalls diese Forderung. Die nunmehr gefundene Formulierung sei hinreichend konkretisiert. Der Schallpegelwert von 51,5 dB(A) sei in jedem Punkt in 3 m Abstand vom Zufahrtstor im Freien einzuhalten. Hiebei sei insbesondere der Bereich, der senkrecht vor Türöffnung liege, von Bedeutung. Die Einhaltung dieser Auflage könne, wie bei den anderen Auflagen auch, durch die Behörde überprüft werden. Dabei könne auch - für den Betrieb unangekündigt - eine Messung bei den Nachbarn erfolgen, wobei dann rechnerisch eine Entfernungskorrektur des gemessenen Wertes erfolgen müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung nur unter Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn insbesondere durch Erteilung von Auflagen, die Gesundheitsgefährdungen hintanhalten sollen, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes machen die Beschwerdeführer in erster Linie geltend, die mit der in Rede stehenden Auflage erfolgte Vorschreibung eines Emissionsgrenzwertes entspreche nicht den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Anforderungen an eine Auflage, weil diese (aus näher dargestellten Gründen) nicht überprüfbar und nicht vollstreckbar sei. Die von der belangten Behörde aufgezeigte Überprüfungsmöglichkeit sei tatsächlich nicht geeignet, eine wirkliche Überprüfung in der Praxis herbeizuführen. Die Beschwerdeführer rügen ferner, dass das von der belangten Behörde eingeholte gewerbetechnische Gutachten nicht den Anforderungen an ein solches entspreche und dass sich die belangte Behörde auch nicht mit den von den Beschwerdeführern gestellten Beweisanträgen auseinander gesetzt habe. Sie habe es auch unterlassen, ein medizinisches Gutachten einzuholen, obwohl sich schon aus dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten medizinischen Gutachten ergebe, dass ein Öffnen des fraglichen Tores zwecks Ein- oder Ausfahrt von Fahrzeugen auch unabhängig von den dabei aus dem Inneren der Betriebsanlage dringenden Geräuschen zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn durch Lärm führe.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem in der vorliegenden Angelegenheit ergangenen hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, unter Hinweis auf die Vorjudikatur dargelegt hat, kann eine Auflage im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 jede der Vermeidung von Immissionen dienende und zur Erfüllung dieses Zweckes geeignete (behördlich erzwingbare) Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zum Gegenstand haben. Eine Auflage ist daher im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 nur dann geeignet, wenn ihre Einhaltung von der Behörde jederzeit und aktuell überprüft werden kann. Auch müssen Auflagen so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 88/04/0029).

Diesen Anforderungen entspricht, wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 11. Juni 1985, Zl. 84/04/0170, ausgeführt hat, die bloße Vorschreibung eines Immissionsgrenzwertes nicht, wenn nicht gleichzeitig jene (konkreten und überprüfbaren) Maßnahmen genannt sind, die zur Erreichung dieses Zieles zu setzen sind. Gleiches hat für die Vorschreibung eines Emissionsgrenzwertes, wie sie im vorliegenden Fall erfolgte, zu gelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1999, Zl. 97/04/0216).

Die belangte Behörde belastete daher schon dadurch, dass sie mit der Auflage D 2. einen von der mitbeteiligten Partei einzuhaltenden Emissionsgrenzwert für Lärm vorschrieb, ohne gleichzeitig jene konkreten Maßnahmen zu benennen, die zur Erreichung dieses Zieles zu setzen sind, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Prozessökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, auf seine im hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, (mit welchem der in diesem Verwaltungsverfahren ergangene Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. April 1997 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde) enthaltenen Ausführungen über die Erforderlichkeit der Einholung sachverständig fundierter Feststellungen über den Charakter der einzelnen erhobenen Lärmereignisse und der damit verbundenen Lärmspitzen sowie über die Auswirkungen dieser Immissionen ihrer Art und ihrem Ausmaß nach auf den menschlichen Organismus, zu verweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 2000

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