Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Vorgeschichte und der maßgeblichen Rechtslage auf das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1996, Zl. 92/03/0221, verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)bescheid wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 35 Abs. 1 und 36 Abs. 1 bis 3 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60, für die Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 ab km 4,448 um 700 lfm samt Gleis- und Fahrleitungsanlage, unter Zugrundelegung der vorgelegten Entwurfsunterlagen, Detailprojekt 1991 des Dipl. Ing. Dr. techn. H. Kriebernegg, und unter der Voraussetzung des Erwerbs der erforderlichen Grundstücke und Rechte "sowie nach Maßgabe der nachstehend angeführten Gutachten sowie bei Einhaltung der in diesen Gutachten angeführten Vorschreibungen der Amtssachverständigen für Eisenbahnbautechnik sowie des Verkehrs-Arbeitsinspektorates" die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erteilt. Der Bau sei innerhalb einer Frist von 5 Jahren auszuführen, widrigenfalls die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gemäß § 35 Abs. 4 Eisenbahngesetz 1957 erlösche (Spruch I). Ferner wurde ausgesprochen, dass gemäß § 37 Abs. 1 Eisenbahngesetz 1957 mit der unter Punkt I des Spruches angeführten eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung die Betriebsbewilligung verbunden werde, sodass diese in Wirksamkeit trete, sofern die gemäß § 15 Eisenbahngesetz 1957 verzeichnete Person die plan-, sach- und beschreibungsgemäße Ausführung festgestellt habe. Die schriftliche Erklärung der gemäß § 15 Eisenbahngesetz 1957 verzeichneten Person sei unverzüglich nach Betriebsaufnahme unter gleichzeitiger Bekanntgabe des Datums derselben dem Landeshauptmann von Steiermark und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr vorzulegen (Spruch II). Die Einwendungen der Beschwerdeführer, "alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Kammerlander ... sowie die in seinen Schriftsätzen vom 31.12.1998 bzw. 17.5.1999 und in seiner Stellungnahme anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 18.5.1999 enthaltenen Anträge" wurden als unbegründet abgewiesen (Spruch III). (Die namentliche Anführung des Siebentbeschwerdeführers ist offenbar versehentlich unterblieben.)
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass die mitbeteiligte Partei "aus Anlass der Feststellungen" im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1996, Zl. 92/03/0221, zur Klärung der Frage, ob die Errichtung einer Straßenbahn "überwiegender" im öffentlichen Interesse sein könne als eine Erschließung durch Buslinien, die ebenfalls dem öffentlichen Verkehr dienten, ein Gutachten des Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. techn. Helmut Stickler vom Jänner 1998 vorgelegt habe. Zu diesem Gutachten habe der Vertreter der Beschwerdeführer eine Stellungnahme abgegeben und ein Gutachten des Dipl. Ing. Dr. techn. Josef Korber vorgelegt. Am 18. Mai 1999 sei eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Nach Wiedergabe der über diese Verhandlung aufgenommenen Niederschrift, die unter anderem Befund und Gutachten eines Amtssachverständigen für Verkehrswesen enthält, heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides, dass unter Berücksichtigung der bereits von der mitbeteiligten Partei erworbenen Flächen die "von den Parteien des fortgesetzten Verfahrens zu beanspruchenden Flächen" sowohl absolut als auch in Beziehung zur jeweiligen Gesamtfläche der betroffenen Grundstücke als gering zu betrachten sei. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Nachteil der Parteien, den sie durch die Baugenehmigung erlitten, als eher gering bezeichnet werden könne. Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Stickler komme in seinem Gutachten, in dem er sich mit allen "im Zusammenhang Straßenbahn/Bus relevanten" Fragen auseinander setze, wie z.B. Systemvergleich Autobus-Straßenbahn, Simulation des Zeitbedarfes usw., und in dem er vier denkmögliche Varianten einer Anbindung des Wohnbezirkes St. Peter an das öffentliche Verkehrsnetz untersuche und gegenüberstelle, abschließend zum Ergebnis, dass im öffentlichen Interesse der Verlängerung der Straßenbahnlinie eindeutig der Vorzug gegenüber alternativen Busvarianten zu geben sei. In seiner Bewertung dieses Gutachtens sowie des Gutachtens, welches von den Beschwerdeführern vorgelegt worden sei, komme der verkehrstechnische Amtssachverständige ebenfalls zum Ergebnis, dass auf Grund der vorliegenden Gutachten der Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 eindeutig der Vorzug gegenüber alternativen Busvarianten zu geben sei. Bei Abwägung der Ausführungen im Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrswesen einerseits - wonach durch die Errichtung dieser Straßenbahnverlängerung das Siedlungszentrum Südost - St. Peter mit zur Zeit bis ca. 10000 Einwohnern im 500 m-Bereich der geplanten Verlängerung mit einer Verkehrsverbindung versorgt werde, die direkt (ohne Notwendigkeit umzusteigen) eine Verbindung zum Stadtzentrum darstelle - mit der Beeinträchtigung der Parteien andererseits sei klar festzustellen, dass der Vorteil der Öffentlichkeit durch die Schaffung dieser Verkehrsverbindung gegenüber den relativ geringen Grundverlusten der betroffenen Parteien wesentlich größer sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Dem Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrswesen liegt als - von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht in Zweifel gezogene Prämisse - zu Grunde, dass Straßenbahnen ab einer Belastung von etwa mehr als 5000 Personen/24 Stunden "sowohl betriebswirtschaftlich als auch kapazitätsmäßig" günstiger (als Busse) seien. Diese Aussage kann im gegebenen Zusammenhang nur dahin verstanden werden, dass die von der mitbeteiligten Partei angestrebte Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 nur dann einer Erschließung durch Buslinien vorzuziehen und somit mit einem Vorteil für die Öffentlichkeit im Sinne des § 35 Abs. 3 Eisenbahngesetz 1957 verbunden ist, wenn auf der Verlängerungsstrecke der Straßenbahn mit einer Belastung von mehr als 5000 Personen/24 Stunden gerechnet werden kann. Das dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrswesen, welches das Vorliegen eines die den Beschwerdeführern durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwachsenden Nachteile übersteigenden Vorteiles für die Öffentlichkeit bejaht, ist daher nur dann als schlüssig zu erkennen, wenn nachvollziehbar dargetan wird, dass die genannte Voraussetzung (Auslastung der Verlängerungsstrecke mit mehr als 5000 Personen/24 Stunden) erfüllt ist.
Diesem Erfordernis wird das Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrswesen nicht gerecht. Es kommt zwar zum Ergebnis, "dass der Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 eindeutig der Vorzug gegenüber alternativen Busvarianten einzuräumen ist und ein erhebliches öffentliches Interesse an einer zweckmäßigen, attraktiven, wirtschaftlichen, sicheren und umweltfreundlichen Beförderung von Personen aus dem Planungsraum Graz-Südost besteht", beantwortet jedoch nicht die Frage der Erfüllung der oben angeführten Auslastungsvoraussetzung. Auch aus dem vom Amtssachverständigen für Verkehrswesen übernommenen Privatgutachten des Univ.Prof. Dr. Stickler ergeben sich hiezu keine schlüssig begründeten, verlässlichen Aufschlüsse. Der Genannte errechnete zwar für den Planfall PF1J (Verlängerung der Linie 6 bis zur Endhaltestelle St. Peter) einen "Gesamt-Fahrgastgewinn" von 1320 Personen pro Tag, wobei er von "heute rund 4000 Fahrten auf der Relation St. Peter-Jakominiplatz" ausgeht. Die Hinzuzählung dieses "Gesamt-Fahrgastgewinnes" zu den "heute rund 4000 Fahrten" würde wohl einen die Grenze von 5000 Personen/24 Stunden übersteigenden Wert ergeben; es geht allerdings aus dem Gutachten nicht hervor, worauf die Annahme von "heute rund 4000 Fahrten auf der Relation St. Peter-Jakominiplatz" gegründet wird. Die vom Beschwerdevertreter in der Verhandlung am 18. Mai 1999 gestellte Frage, wie die Fahrtenzahl von 4000 errechnet worden sei, wurde vom Amtssachverständigen für Verkehrswesen dahin beantwortet, dass die Berechnung des Fahrgastpotenzials "aus dem bekannten Model-Split" erfolgt sei. In der Niederschrift heißt es sodann: "Über Befragen des Herrn Dr. Kammerlander, ob der ASV diese Unterlage einsieht, verweist dieser auf den Technischen Bericht des Projektes und den abgegebenen Befund".
Diese Erläuterungen setzen den Verwaltungsgerichtshof nicht in die Lage, die in Rede stehende Annahme von "rund 4000 Fahrten" und daran anknüpfend die Annahme der Erfüllung der Voraussetzung der vom Amtssachverständigen für Verkehrswesen erforderlich erachteten Mindestfrequenz von 5000 Personen pro 24 Stunden als nachvollziehbar begründet erscheinen zu lassen, können doch konkrete Anhaltspunkte für diese Annahmen weder aus dem dem Bauentwurf beigelegten Technischen Bericht noch aus dem in der Verhandlung am 18. Mai 1999 erstatteten Befund des Amtssachverständigen für Verkehrswesen abgeleitet werden.
Die Beschwerdeführer sind daher im Recht, wenn sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen, dass das der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes zugrundegelegte Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrswesen nicht als schlüssig angesehen werden kann.
Ferner ist zu bemerken, dass die im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltene Vorschreibung "nach Maßgabe der nachstehend angeführten Gutachten sowie bei Einhaltung der in diesen Gutachten angeführten Vorschreibungen der Amtssachverständigen für Eisenbahnbautechnik sowie des Verkehrs-Arbeitsinspektorates" nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs. 1 AVG entspricht. Welcher normative Gehalt der Wendung "nach Maßgabe der nachstehend angeführten Gutachten" innewohnen soll, ist völlig unklar, fehlt es doch schon an der verheißenden Anführung entsprechender Gutachten im Spruch des Bescheides. Was die Vorschreibung von Auflagen durch Verweisung auf Sachverständigengutachten anlangt, ist auf die hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 1989, Zl. 88/03/0135) zu verweisen, wonach eine solche Vorgangsweise nur dann als dem Bestimmtheitserfordernis des § 59 Abs. 1 AVG entsprechend angesehen werden kann, wenn der Inhalt der solcherart vorgeschriebenen Auflagen aus den dem Bescheid angeschlossenen Beilagen eindeutig zu entnehmen ist. Dies trifft im Beschwerdefall nicht zu. Vorschreibungen des Verkehrs-Arbeitsinspektorates sind im Übrigen nicht einmal in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnt.
Schon aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Bei dieser Sachlage erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 15. November 2000
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