VwGH 99/03/0190

VwGH99/03/019022.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des HC in Wien, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. November 1998, Zl. MA 63 - C 101/98 , betreffend Taxilenkerausweis, zu Recht erkannt:

Normen

BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
FSG 1997 §7;
KFG 1967 §66;
BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
FSG 1997 §7;
KFG 1967 §66;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Taxilenkerausweises gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 der Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr - BO 1994 abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Schutzzweck der BO 1994 beschränke sich nicht auf den Straßenverkehr, sondern richte sich darauf, jedermann von der Verletzung jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgutes durch einen Taxilenker im Fahrdienst zu bewahren. Auch ein Fehlverhalten beim Lenken eines Privatfahrzeuges könne die mangelnde Vertrauenswürdigkeit begründen, wenn es erkennen lasse, dass der Lenker nicht die von einem Berufskraftfahrer zu verlangenden charakterlichen Eigenschaften besitze. Bereits wiederholte, im Einzelfall jeweils geringfügige Übertretungen straßenpolizeilicher oder kraftfahrrechtlicher Vorschriften könnten die Ungeeignetheit zum Lenken eines Taxis erweisen, wenn sie eine Neigung des Lenkers zur Nichtbeachtung dieser Vorschriften erkennen ließen. Jedenfalls schlössen aber gröbliche Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 oder des Kraftfahrgesetzes 1967 die Vertrauenswürdigkeit aus. Die Gewerbebehörde habe nicht bloß die übrigen Verkehrsteilnehmer, sondern auch die Kunden (Fahrgäste) vor einem unzuverlässigen Lenker zu schützen. Dem Begriff der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO1994 komme daher nicht die gleiche Bedeutung zu wie jenem der Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 des Führerscheingesetzes. Zur Strafverfügung des Bezirkspolizeikommissariates Simmering vom 8. August 1996 sei es gekommen, weil der Beschwerdeführer (unter näherer Angabe von Tatort und Tatzeit) als Lenker eines Kraftfahrzeuges beim Hintereinanderfahren keinen Abstand zum nächsten vorderen Fahrzeug eingehalten gehabt habe, der ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätte, wenn dieses plötzlich abgebremst worden wäre (Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 StVO 1960). Dem Straferkenntnis des Bezirkspolizeikommissariates Leopoldstadt vom 24. Jänner 1997 sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer (unter näherer Angabe von Tatort und Tatzeit) mit einem Kraftfahrzeug die dort deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie überfahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 38 km/h (um über 75 %) überschritten gehabt habe (Verstöße gegen die §§ 9 Abs. 1 und 20 Abs. 2 StVO 1960). Ob der Beschwerdeführer die angeführten Verwaltungsübertretungen anders oder nicht begangen habe, könne nicht mehr geprüft werden, weil die erkennende Behörde an die rechtskräftigen Feststellungen der Strafbehörde gebunden sei und daher davon auszugehen habe, dass der Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretungen begangen habe. Aus dem gleichen Grund sei nicht zu prüfen, ob die erwähnte Sperrlinie ordnungsgemäß kundgemacht gewesen sei, weshalb dem Beweisantrag auf Beischaffung des diesbezüglichen Verordnungsaktes nicht zu entsprechen gewesen sei. Die angeführten - wenngleich es zu keinem Unfall gekommen sei, keineswegs bloß geringfügigen - Delikte hätten im Fahrdienst nicht nur zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder fremden Eigentums, sondern auch allfälliger Fahrgäste führen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als eine der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises sieht § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994, BGBl. Nr. 951/1993, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 1028/1994, vor, dass der Bewerber vertrauenswürdig ist; die Vertrauenswürdigkeit muss mindestens in den letzten fünf Jahren vor Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, soll mit dem Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrtdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, Gewähr leistet werden. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens des Antragstellers zu beurteilen. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf § 13 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996, BGBl. Nr. 112, obliegt. In diesem Sinne ist die für die Ausübung des Taxigewerbes geforderte persönliche Vertrauenswürdigkeit dann zu verneinen, wenn aus bestimmten Tatsachen zu schließen ist, dass der Taxilenker in Zukunft nicht die Gewähr für die Erfüllung der für dieses Gewerbe bestehenden besonderen Anforderungen bietet (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/03/0266, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, es sei kein Grund einzusehen, warum die Vertrauenswürdigkeit des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 anders zu beurteilen sei, "als die sinngemäß gleichen Vorschriften nach der Straßenverkehrsordnung, dem KFG oder dem FSG". Welche dem § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 vergleichbare "Vorschriften nach der Straßenverkehrsordnung" der Beschwerdeführer im Auge hat, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Soweit er aber auf § 66 KFG 1967 abzustellen scheint, ist ihm zu erwidern, dass die Wertungskriterien der "Vertrauenswürdigkeit" im Sinne des § 6 Z. 3 BO 1994 einerseits und jene der "Verkehrszuverlässigkeit" im Sinne des § 66 KFG 1967 andererseits nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gleichgesetzt werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. August 1994, Zl. 94/03/0118, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im Hinblick auf die Gleichartigkeit der Wertungskriterien zwischen KFG 1967 und FSG kann nichts anderes für das Verhältnis der "Vertrauenswürdigkeit" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 zu der Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 FSG gelten.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er die Nichtbeischaffung von Verwaltungsakten zum Beweis dafür rügt, diese "hätten beweisen können, dass ich das Verhalten, für das ich zweifellos rechtskräftig bestraft wurde, nicht begangen habe". Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0161).

Der Beschwerdeführer ist aber - im Ergebnis - im Recht, wenn er rügt, die Behörde habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass seit den "beiden" ihm zur Last gelegten Delikten am 8. April 1996 und am 13. September 1996 bereits drei bzw. zweieinhalb Jahre verstrichen seien und er sich "seither insoweit wohlverhalten habe, als keine neuen Strafverfahren verwaltungsstrafrechtlicher oder gerichtlicher Natur gegen mich bekannt geworden sind".

Die belangte Behörde hat zwar zutreffend erkannt, dass bereits wiederholte, im Einzelfall jeweils geringfügige Übertretungen straßenpolizeilicher oder kraftfahrrechtlicher Vorschriften die Ungeeignetheit zum Lenken eines Taxis erweisen, wenn sie eine Neigung des Lenkers zur Nichtbeachtung dieser Vorschriften erkennen lassen. Es wird aber nicht begründet, warum dies (wiederholte, geringfügige Übertretungen, die eine Neigung des Lenkers zur Nichtbeachtung dieser Vorschriften erkennen lassen) im Beschwerdefall vorgelegen sei. So liegt auch nicht der Fall vor, dass fortlaufend gesetzte Verwaltungsübertretungen geringeren Unrechtsgehalt den Schluss darauf zuließen, der Beschwerdeführer stehe den Vorschriften der StVO 1960 und des KFG 1967 gleichgültig gegenüber (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/03/0266). Auch wenn die belangte Behörde - abweichend von ihrer vorgenannten Auffassung - meint, die "keineswegs bloß geringfügigen" Delikte hätten im Fahrdienst nicht nur zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder fremden Eigentums, sondern auch allfälliger Fahrgäste führen können, so fehlt eine nachvollziehbare Begründung, warum sie daraus schon auf ein Persönlichkeitsbild schloss, das keine Gewähr für die Erfüllung der für dieses Gewerbe bestehenden besonderen Anforderungen biete.

Die belangte Behörde hat etwa auch nicht darauf abgestellt, dass die hier vorliegende Geschwindigkeitsübertretung eine solche wäre, aus der - als einzige Geschwindigkeitsübertretung - der Mangel an Vertrauenswürdigkeit wegen besonderer Umstände, beispielsweise auf Grund der dadurch hervorgerufenen konkreten Gefährdung von Verkehrsteilnehmern oder auf Grund des (absoluten und relativen) Ausmaßes der Überschreitung, abgeleitet werden könne (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 97/03/0229, und die angegebene Vorjudikatur).

Aus dem oben angeführten Grund war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 22. März 2000

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