Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1994/314;
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1994/314;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 sprach das Arbeitsmarktservice Kufstein aus, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977 (AlVG) den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 28. Juni 1999 bis 8. August 1999 verloren habe. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. August 1999 gemäß § 56 AlVG und § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 38 und 10 AlVG keine Folge.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass die Behörde erster Instanz am 11. Mai 1999 die Beschwerdeführerin zur Teilnahme an der "Maßnahme Job-Coaching 8/1" zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei "IBIS ACAM" eingeteilt habe. Die Beschwerdeführerin habe zufolge einer vor der Behörde erster Instanz am 22. Juni 1999 aufgenommenen Niederschrift die Teilnahme an dieser Maßnahme mit der Begründung verweigert, dass sie seit 9. Juni 1999 bei der Firma M-P in K. geringfügig beschäftigt sei und damit rechne, im September oder Oktober eine vollversicherte Teilzeitbeschäftigung zu erhalten. Ein Telefonat der Behörde erster Instanz habe die Richtigkeit dieser Behauptung ergeben. Die Beschwerdeführerin zähle, da sie zwei Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren zu versorgen habe, zum Kreis der schwer vermittelbaren Personen und sei unter Umständen von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht, weshalb ihr das gegenständliche "Job-Coaching" angeboten worden sei. Da der von der Beschwerdeführerin angeführte mögliche Arbeitsbeginn (Vollversicherung) zu fern in der Zukunft gelegen sei, habe ihr diese Maßnahme angeboten werden müssen. Auch habe die Beschwerdeführerin kein konkretes Datum für den Arbeitsbeginn angeben können, weshalb das Angebot zumutbar gewesen sei. Aus rechtlicher Sicht ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin zur Inanspruchnahme des Angebotes hätte bereit sein müssen, weil sie lediglich geringfügig beschäftigt gewesen sei, kein fixes Datum für den Beginn eines Vollversicherungsverhältnisses habe angeben können und die Maßnahme in K. zu absolvieren gewesen wäre. Allfällige familiäre Obsorgepflichten seien bei einem Angebot am Wohnort nicht zu berücksichtigen. Die geringfügige Beschäftigung der Beschwerdeführerin stehe der Zumutbarkeit des Angebots nicht entgegen, weil eine solche Beschäftigung auch keinen Hinderungsgrund für den Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe darstelle.
§ 9 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 314/1994 lautet:
"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist,
....
- sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder
- an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen oder
- von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und
- auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Zumutbar ist eine Beschäftigung, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, dass der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.
..."
§ 10 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 lautet
(auszugsweise):
"§ 10. (1) Wenn der Arbeitslose
- sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
- sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
- ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
- auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen,
verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
...
(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören."
§ 38 AlVG lautet:
"§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."
Gemäß der hg. Judikatur muss, wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, sich darauf einstellen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auch teilzunehmen. Um sich durch die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Teilnahme ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln.
Weder aus § 9 Abs. 1 noch aus § 10 Abs. 1 AlVG kann aber abgeleitet werden, dass es im freien Belieben des Arbeitsmarktservice stünde, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn zu einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung kann sich insbesondere auch nicht auf eine allenfalls vom Arbeitslosen (auch wiederholt) an den Tag gelegte Arbeitsunwilligkeit, eine ihm durch das Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, stützen. Für eine solche Maßnahme ist es vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Das Arbeitsmarktservice hat diese Voraussetzung zu ermitteln und das Ergebnis seines Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer ihm zugewiesenen Nach- oder Umschulung teilzunehmen, kann demgemäß nur dann gesprochen werden, wenn diese Zuweisung sich konkret auf eine solche Maßnahme bezieht und in objektiver Kenntnis des Inhaltes und der Zumutbarkeit sowie Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt.
Demgemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb solcher Maßnahmen bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsamt das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme ablehnt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 2000/19/0089, mit weiteren Verweisen).
Ausgehend von dieser Rechtsprechung wäre es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zunächst erforderlich, dass die objektive Notwendigkeit der gegenständlichen Maßnahme im Sinne der oben wiedergegebenen Vorjudikatur bestanden hat. Die belangte Behörde hat jedoch keinerlei Feststellungen dahingehend getroffen, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschwerdeführerin für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage eines in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend seien und es deshalb der zugewiesenen Maßnahme bedürfe. Vielmehr hat die belangte Behörde die Verpflichtung zur Teilnahme an der ihr angebotenen Wiedereingliederungsmaßnahme ausschließlich damit begründet, das die Beschwerdeführerin, weil sie zwei Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren zu versorgen habe, zum schwer vermittelbaren Personenkreis zähle und unter Umständen von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sei. Dass durch eine Wiedereingliederungsmaßnahme der für die schwere Vermittelbarkeit als ausschlaggebend erachtete Umstand der Versorgung von zwei Kindern nicht beseitigt werden könnte, liegt auf der Hand. Im konkreten Fall fehlt somit jede Begründung und jeder Nachweis dafür, dass der Beschwerdeführerin durch die Teilnahme an der "Maßnahme Job-Coaching 8/1" jene Fähigkeiten vermittelt worden wären, ohne die sie nicht in der Lage gewesen wäre, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen. Die Feststellungen des angefochtenen Bescheides sind daher nicht geeignet, dessen Spruch zu tragen.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. Februar 2002
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