VwGH 99/01/0445

VwGH99/01/04457.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der DB in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Oktober 1999, Zl. 2-11.B/ 392-98/11, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11a Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11a Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin suchte mit Eingabe vom 25. Mai 1998 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an.

Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Dezember 1998 gemäß § 11a in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 - StbG, ab.

Dieser Bescheid wurde über Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 1999, Zl. 99/01/0040, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde erneut den Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 19. Oktober 1999 gemäß § 11a in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ab und begründete ihre Entscheidung nochmals ausschließlich damit, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht gegeben sei. Dazu führte sie aus:

"Im durchgeführten Ermittlungsverfahren ist hervorgekommen, dass die Obgenannte am 11.08.1995 in einem Gasthaus in Graz mehrere alkoholische Getränke bzw. Zigaretten konsumierte.

Nachdem die Partei aufgefordert wurde die Zeche zu bezahlen, stellte sich heraus, dass die Dame kein Geld bei sich hatte. Daraufhin wurde die Polizei verständigt. Im Zuge der Amtshandlung wurde sie zur Ausweisleistung aufgefordert, es konnte jedoch ihre Identität nicht festgestellt werden, da sie keinerlei Dokumente bei sich hatte.

Bei der Nachschau an der von ihr angegebenen Wohnadresse wurde die Partei handgreiflich und versetzte einem Wachorgan mit ihrer Handtasche (Lederbeutel) einen Schlag, dabei schrie sie: 'Schleich Dich Du lesbische Sau'.

Aufgrund dieser Tatsache wurde die Staatsbürgerschaftswerberin wegen des Verdachtes des Betruges bzw. Verdacht des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gem. §§ 146 und 269/1 StGB, zur Anzeige gebracht.

Am 07.03.1996 wurde sie vom Landesgericht für Strafsachen in Graz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Person mit Rücksicht auf von ihr begangener strafbarer Handlungen eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziffer 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 bildet, kommt es lediglich darauf an, ob es sich um einen Rechtsbruch handelt, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, die Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, erlassene Vorschriften missachten. Fest steht, dass sich die Genannte gegen mehrere zum Teil schwer wiegender Verstöße österreichischer strafgesetzlicher Bestimmungen schuldig gemacht hat."

Zu diesem Verfahrensergebnis sei der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, welche nicht genützt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11a Abs. 1 StbG idF der Novelle BGBl. I Nr. 124/1998 ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 3 leg. cit. die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,

2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,

3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und

4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder

b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen Staatsbürger ist oder

c) ...

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG vorzunehmenden Beurteilung - anders als bei der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit., wofür es lediglich auf das Vorliegen von Verurteilungen mit einem bestimmten Strafausmaß ankommt - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers auszugehen, welches wesentlich - aber nicht ausschließlich - durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird. Hiebei sind auch solche Straftaten zu beurteilen, für welche der Fremde zu einer Strafe verurteilt wurde, die das in § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG umschriebene Ausmaß nicht erreicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1998, Zl. 96/01/0107). Bei der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit oder die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften missachten. Aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls - negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. November 1997, Zl. 96/01/1047, und vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0376).

Die von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Ansicht, die Beschwerdeführerin biete nach ihrem bisherigen Verhalten nicht Gewähr dafür, dass sie keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde, herangezogenen Straftaten vermögen aber alleine für sich angesichts des seit der Tatbegehung am 11. August 1995 bis zur Erlassung des Bescheides vergangenen Zeitraumes mangels weiterer gegen die Beschwerdeführerin sprechender Umstände diese Ansicht der belangten Behörde nicht zu tragen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. Juni 2000

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