Normen
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2000:1999010331.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. April 1999 wurde der am 21. November 1997 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG, BGBl. Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 124/1998, abgewiesen.
Der am 7. November 1948 geborene Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, sei seit 22. Oktober 1987 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Aus der Ehe entstammten zwei Kinder. Der Lebensunterhalt sei gesichert.
Am 5. April 1991 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 zweiter, dritter und vierter Fall und Abs. 2 erster Fall Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe Haschisch in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt sowie zur Aus- und Einfuhr dieses Suchtgiftes beigetragen, wobei er jedoch selbst dem Missbrauch von Haschisch ergeben gewesen sei und die Tat ausschließlich deshalb begangen habe, um sich Haschisch für den eigenen Gebrauch oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen. Von 1985 bis Oktober 1989 habe er mindestens 1.360 g Haschisch an zwei genannte Personen und eine weitere unbekannte Menge an andere Personen verkauft. Ende August oder Anfang September 1989 habe er einem Anderen S 30.000,-- übergeben, damit dieser 1 kg Haschisch von Spanien nach Österreich einführe. Von 1973 bis August 1989 habe er in zahlreichen Tathandlungen unbekannte Mengen Haschisch für den Eigengebrauch erworben und besessen.
Mit Bescheid vom 23. August 1978 sei über den Beschwerdeführer ein bis 15. Juli 2001 befristetes Waffenverbot verhängt worden. Dem liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 30. Juni 1978 seiner damaligen Lebensgefährtin mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzt habe, wobei diese verletzt worden sei. Weiters habe er am 5. Juli 1978 in einem Gasthaus seine damalige Lebensgefährtin mit dem Umbringen bedroht, falls sie nicht freiwillig mit ihm nach Jugoslawien fahre. Aus diesem Grund sei auch eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Nötigung erstattet worden.
Angesichts der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat komme die Behörde zu dem Schluss, dass er die von § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG geforderte Verlässlichkeit nicht besitze. Er habe einen derart gravierenden Rechtsbruch begangen, dass die Behörde zur Annahme berechtigt sei, er werde auch in Zukunft nicht Gewähr dafür bieten, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darzustellen. Das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz sei aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Ganz allgemein komme der Suchtgiftkriminalität ein enormes Gefährdungspotenzial für die innere Sicherheit zu, weil der Konsum von Suchtgift nur möglich sei, wenn sich Personen zur Beschaffung von Suchtgift bereit fänden. Der Konsum von Suchtgift stelle auch für sich allein betrachtet schon eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, weil dessen Wirkungen bei Tätigkeiten, die eine erhöhte Konzentration erforderten, "katastrophal" sein könnten. Weiters dürfe nicht übersehen werden, dass die Suchtgiftkriminalität Auslöser für weitere Straftaten im Sinne einer Beschaffungskriminalität zur Finanzierung der Sucht sei. Schließlich gefährde diese Kriminalität auch die Volksgesundheit. Ein derartiger Rechtsbruch setzte seitens des Täters eine "enorme kriminelle Energie" voraus. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass der Beschwerdeführer die Suchtgiftdelikte unter dem Einfluss der eigenen Suchtgiftabhängigkeit begangen habe.
Die Behörde nehme "von sich aus" an, dass der Beschwerdeführer in einem intakten sozialen Umfeld lebe. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine Tatsachen vorgebracht, die einen besonderen Grund dafür darstellen könnten, dass er im Hinblick auf die begangene Straftat in Zukunft keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstellen werde, zumal gerade im Suchtgiftbereich "die latente Gefahr der Wiederholungstat" nicht auszuschließen sei. Auch unter Berücksichtigung der bis nun längeren Phase des Wohlverhaltens könne die belangte Behörde keinen Grund finden, dass das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht vorliege.
Das bis zum Jahr 2001 verhängte Waffenverbot zeige ein Charakterbild, wonach der Beschwerdeführer in Frustrations- oder Stresssituationen zu unüberlegten Äußerungen und Handlungen neige, was die Staatsbürgerschaftsbehörde berechtigterweise zur Annahme eines erhöhten Aggressionspotenzials veranlasse.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Vorliegend ist ausschließlich strittig, ob der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG erfüllt. Nach dieser Bestimmung kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Ohne die Erfüllung dieser Voraussetzung kommt die Staatsbürgerschaftsverleihung auch an Gatten von österreichischen Staatsbürgern gemäß § 11a StbG nicht in Betracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG vorzunehmenden Beurteilung der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 98/01/0194 mwN).
Der Beschwerdeführer befindet sich nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren seit 1973 im Bundesgebiet und ist nach der bei den Akten erliegenden Bestätigung des Dienstgebers seit Jänner 1974 beim selben Arbeitgeber als Druckerhelfer beschäftigt. Er hat die seiner gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten bis Oktober 1989 begangen. Seither sind bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides neuneinhalb Jahre vergangen, in denen er sich wohl verhalten hat. Er lebt nach den Feststellungen der belangten Behörde nunmehr in einem "intakten sozialen Umfeld". Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass es sich bei der Suchtgiftkriminalität um ein die in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten handelt. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seines Fehlverhaltens selbst dem Missbrauch von Haschisch ergeben war und die Straftaten ausschließlich deshalb begangen hat, um sich dieses Suchtgift für den eigenen Gebrauch oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen. Der Zeitraum des Wohlverhaltens von neuneinhalb Jahren seit Begehung der Suchtgiftdelikte zeigt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes mit ausreichender Deutlichkeit, dass der Beschwerdeführer seine damals bestehende Sucht nunmehr überwunden hat, zumal er nach den Feststellungen der belangten Behörde in einem intakten sozialen Umfeld lebt. Vor dem Hintergrund der gesamten Aufenthaltsdauer von 26 Jahren und des langen Wohlverhaltens seit der letzten Straftat pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde nicht bei, dass die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nur dann gegeben wäre, wenn dafür ein - vom Beschwerdeführer darzutuender - "besonderer Grund" vorläge. Es könnte vielmehr für den Beschwerdeführer nur dann eine negative Prognose im Sinn dieser Bestimmung erstellt werden, wenn aus besonderen Gründen ersichtlich wäre, dass der Beschwerdeführer ungeachtet seines langen Wohlverhaltens und der sozialen Integration zur Begehung von weiteren - einschlägigen - Straftaten neige. Anhaltspunkte dafür ergeben sich jedoch aus den Feststellungen der belangten Behörde nicht.
Die zur Verhängung des Waffenverbotes führenden Aggressionshandlungen des Beschwerdeführers gegen seine damalige Lebensgefährtin liegen bereits 22 Jahre zurück und vermögen daher die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer stellte auch wegen seiner Neigung zu derartigen Handlungen eine Gefährdung öffentlicher Interessen dar, nicht zu tragen, zumal die belangte Behörde kein weiteres einschlägiges Fehlverhalten des Beschwerdeführers festgestellt hat.
Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 29. Juni 2000
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