Normen
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe zugehöriger jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo, reiste am 2. Juni 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am gleichen Tag die Gewährung von Asyl. Bei seiner Vernehmung am 9. Juni 1998 gab er an, er stamme aus Brut und habe dort zusammen mit seinen Eltern, seiner Ehefrau, seinen beiden Kindern, seiner Schwägerin und deren beider Kinder in einem Haus gewohnt. Er gehöre seit 1991 als einfaches Mitglied der LDK an, sei aber nicht politisch tätig gewesen. Am 12. März 1998 seien der Beschwerdeführer und sein Bruder im Zuge einer Hausdurchsuchung, bei der ergebnislos nach Waffen gesucht worden sei, von serbischen Polizisten zur Polizeistation mitgenommen und dort einvernommen und geschlagen worden. Aufgrund einer Verletzung durch die Misshandlungen habe man den Beschwerdeführer wieder entlassen. Was mit seinem Bruder geschehen sei, wisse er nicht. Seit diesem Vorfall sei er aus Angst vor einer Festnahme täglich tagsüber zu seiner Schwester in den ungefähr 12 km entfernten Ort Kapre gegangen und sei nur nachts in seinem Haus gewesen. Vom 28. Mai bis 1. Juni 1998 habe er sich bei seinem Onkel in Prizren aufgehalten, der auch seine Flucht organisiert habe. Er habe sein Heimatland verlassen, weil ihm vorgeworfen worden sei, Waffen aus Mazedonien und Albanien in den Kosovo zu schmuggeln. Weitere Fluchtgründe könne er nicht angeben. Müsste er in sein Heimatland zurückkehren, würde er sicher wegen des Verdachtes des Waffenschmuggels ermordet werden.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1998 sprach das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit ab und verneinte selbst bei Zugrundelegung seines Vorbringens als richtig seine Eigenschaft als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv).
In der dagegen erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig und führte im Wesentlichen aus, dass aufgrund der jüngsten Ereignisse im Kosovo jeder ethnische Albaner begründete Furcht vor Verfolgungshandlungen aufgrund seiner Volkszugehörigkeit haben müsse. Ein noch höheres Risiko, Opfer eines Übergriffes zu werden, bestehe für jüngere Männer, denen pauschal unterstellt werde, Beziehungen zur UCK zu unterhalten. Diesbezüglich verweise er auf zahlreiche Berichte über derzeit stattfindende massive Menschenrechtsverletzungen, Misshandlungen und Tötungen ebenso wie die Zerstörung von Häusern und Eigentum wegen der ethnischen Zugehörigkeit der Betroffenen. Ethnische Albaner würden nicht im Kampf, sondern zur Abschreckung umgebracht oder von Heckenschützen erschossen. Aufgrund seiner Volkszugehörigkeit müsse er Verfolgungshandlungen befürchten, und der Staat sei weder willens noch in der Lage, ihn davor zu schützen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Nach der Begründung hätten unter anderem die vom Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Verfahrens relevierten Umstände bzw. Ereignisse nicht als Sachverhalt festgestellt werden können, weil den gesamten Aussagen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Einleitend ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nur nach der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Oktober 1998 gegebenen Sach- und Rechtslage zu überprüfen hat.
Die belangte Behörde hat in der Begründung ihrer Entscheidung zunächst ausgeführt, "eine Gesamtbetrachtung" des zusammenfassend dargestellten Vorbringens des Beschwerdeführers ergebe, "dass begründete Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben bestehen und es ihm sohin nicht gelungen ist, diese glaubhaft zu machen".
Diese nicht näher erläuterte Beweiswürdigung hält einer Prüfung auf ihre Schlüssigkeit nicht stand, weil sich ihr nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise entnehmen lässt, weshalb die belangte Behörde dem Beschwerdeführer seine Glaubwürdigkeit abspricht.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist aus dem Vorbringen anderer Asylwerber albanischer Ethnie aus dem Kosovo in mehreren Parallelverfahren bekannt, dass Albaner aus dem Kosovo von den Behörden unter dem Vorwand, Waffen zu besitzen oder die UCK zu unterstützen, von der Polizei zunächst bei einer längeren Vernehmung eingeschüchtert wurden und dann mit dem Auftrag, sich neuerlich zu melden, nach Hause entlassen wurden. Ein solches - vor allem gegen junge ethnische Albaner im wehrfähigen Alter, die als UCK- Kämpfer in Betracht kommen, gerichtetes - Vorgehen entbehrte aus der Sicht der serbischen Behörden auch nicht einer gewissen Plausibilität, wurden doch die davon Betroffenen gedrängt, aus Furcht vor weiteren Repressionen den Kosovo zu verlassen (vgl. das Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0136). In Anbetracht dieser bekannten Vorgangsweise der serbischen Behörden ist es nicht ersichtlich, warum im vorliegenden Fall bei einer "Gesamtbetrachtung des Vorbringens" des Beschwerdeführers auf dessen Unglaubwürdigkeit geschlossen werden konnte, sodass die Argumente der belangte Behörde nicht schlüssig sind.
Insoweit belastete die belangte Behörde ihren Bescheid daher mit einem Verfahrensfehler, dem aus folgenden Gründen - für den maßgeblichen Zeitpunkt - auch Relevanz zukommt:
Der Verwaltungsgerichtshof sieht es als notorisch an, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der "bewaffneten" Auseinandersetzungen im Kosovo begann. Diese bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht abgeschlossenen Auseinandersetzungen gingen mit vermehrten Übergriffen insbesondere auf die albanische Zivilbevölkerung in bestimmten hievon betroffenen Gebieten und auf solche Personen, die aus anderen Gründen - etwa weil ihnen ein Naheverhältnis zu den "albanischen Separatisten" vorgeworfen bzw. unterstellt wurde - bereits ins Blickfeld der serbischen Behörden geraten waren, einher. Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als speziell eingerichtete Bundesbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. abermals das Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0136). Der Beschwerdeführer war bei Unterstellung seiner Angaben als glaubwürdig bereits wegen des Verdachtes, Waffen aus Mazedonien und Albanien in den Kosovo geschmuggelt zu haben, in das Blickfeld behördlicher Ermittlungen gekommen. Diesfalls gehörte der Beschwerdeführer daher zu den Personen, die aufgrund eines ihnen unterstellten Naheverhältnisses zu den "albanischen Separatisten" von den genannten Aktionen besonders betroffen waren.
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften unter amtswegiger Bedachtnahme auf die Entwicklung im Anschluss an den 28. Februar 1998 zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 29. Jänner 2002
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