VwGH 98/21/0248

VwGH98/21/024814.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des I, zuletzt in 7322 Lackenbach, geboren am 2. November 1982, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Joseph-Ring 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 27. Februar 1998, Zl. Fr-513/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §21 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
AsylG 1997 §21 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs2;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf erließ gegen den Beschwerdeführer eine auf § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes aus 1992 gestützte Ausweisung. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 27. Februar 1998 keine Folge; sie bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass die gegenständliche Ausweisung auf § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 und 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestützt werde.

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, am 25. August 1997 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und unmittelbar danach von Organen der Grenzüberwachung - ohne im Besitz ausreichender Barmittel zu sein - aufgegriffen worden sei. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei bereits negativ rechtskräftig abgeschlossen, sodass ihm resultierend aus dem Asylgesetz keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne. "Aus diesem Grund" sei seine Ausweisung auch auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen, weil er sich, wie die Einsichtnahme in die "CO-Ausdrucke des Asylwerber- und Fremdeninformationssystems" ergeben habe, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auf Grund seines kurzen Aufenthaltes in Österreich und angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten im Bundesgebiet habe, stelle die gegenständliche fremdenrechtliche Maßnahme keinen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben dar.

Die Hintanhaltung der illegalen Einreise einer großen Anzahl von Fremden, überwiegend ohne Barmittel und Reisedokumente, liege - so die belangte Behörde weiter - im öffentlichen Interesse; der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen komme ein großes Gewicht zu. Mit Schreiben vom 15. Jänner 1998 habe der Vertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr an der der Behörde bekannten Adresse aufhältig wäre; er wisse nicht, ob er Österreich bereits verlassen hätte. Eine Anfrage beim Zentralmeldeamt Wien sei negativ verlaufen. Es sei somit davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer entgegen melderechtlicher Bestimmungen im Inland aufhalte oder bereits das Bundesgebiet verlassen habe. Er habe weiters keine Möglichkeit, im Bundesgebiet einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen und wäre förmlich gezwungen, sich unter Missachtung der österreichischen Rechtsordnung die Mittel "hiefür" zu besorgen. Dies und die angeführten Umstände rechtfertigten die Annahme, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich sei.

Die im Spruch vorgenommene Änderung ergebe sich aus der Änderung der Rechtslage mit 1. Jänner 1998. Dem Berufungsvorbringen werde erwidert, dass die Bundesbetreuung laut "AIS-Auskunft" am 12. November 1997 geendet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG zur Gänze aufzuheben.

Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 und des Asylgesetzes 1997 haben folgenden

Wortlaut:

FremdenG 1997

"Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel

§ 33. (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2) Fremde, die weder über einen Aufenthaltstitel verfügen noch Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit (§ 30 Abs. 1) genießen, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie

...

4. innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen oder

...

6. unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und während dieses nicht rechtmäßigen Aufenthaltes binnen einem Monat betreten werden

und wenn ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.

(3) Die Ausweisung gemäß Abs. 2 wird mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.

(4) ..."

Asylgesetz 1997

"Schutz vor Aufenthaltsbeendigung

§ 21. (1) Auf Asylwerber findet - soweit im folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie

1. den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;

2. den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben.

(2) ...

(3) ..."

Die belangte Behörde hat die Ausweisung des Beschwerdeführers sowohl auf § 33 Abs. 1 FrG als auch auf § 33 Abs. 2 Z. 4 und 6 leg. cit. gestützt. Einleitend sei zunächst angemerkt, dass diese kumulative Heranziehung verschiedener Ausweisungstatbestände nicht zu beanstanden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 98/21/0184).

Ihre Beurteilung, wonach die Ausweisung des Beschwerdeführers (auch) auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen sei, begründete die belangte Behörde u.a. damit, dass sein Asylverfahren bereits negativ rechtskräftig abgeschlossen sei, sodass ihm resultierend aus dem Asylgesetz keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne.

Richtig ist, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 27. August 1997 nach Ausweis der Verwaltungsakten mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Oktober 1997 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Aus den Verwaltungsakten (Telefax-Mitteilung des Bundesministers für Inneres an die erstinstanzliche Behörde vom 25. Februar 1998) ergibt sich aber auch, dass der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (protokolliert zur hg. Zl. 98/01/0074) erhoben hat und dass dieser Beschwerde mit hg. Beschluss vom 11. Februar 1998, Zl. AW 98/01/0055, die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. Im Hinblick darauf kann die gegenständliche Ausweisung rechtens nicht auf § 33Abs. 1 FrG gegründet werden (vgl. dazu näher die hg. Erkenntnisse vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266, und vom 4. Juli 2000, Zl. 98/21/0373, auf deren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Die Überlegungen, die zu der Beurteilung führen, dass eine Ausweisung des zufolge des vorgenannten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes wieder in der Position eines Asylwerbers befindlichen Beschwerdeführers gemäß § 33 Abs. 1 FrG mit dem Gesetz nicht im Einklang steht, lassen sich nicht auf eine Ausweisung nach § 33 Abs. 2 leg. cit. übertragen. Während nämlich § 33 Abs. 1 FrG auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abstellt, sodass nicht unbeachtet bleiben kann, dass nach den erkennbaren Vorstellungen des Gesetzgebers auch unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereisten Asylwerbern eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gewährt werden soll (es sei denn, der Asylantrag wäre schon als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden), kommt es unter dem Blickwinkel des § 33 Abs. 2 FrG auf die Rechtmäßigkeit des inländischen Aufenthaltes nicht an. Dies betonen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend ein Fremdengesetz (685 BlgNR 20. GP., 74), die zu § 33 unter anderem Folgendes ausführen:

"Die Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel impliziert nicht automatisch, dass sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, er kann sich durchaus rechtmäßig - auf Grund eines Einreisetitels - im Bundesgebiet aufhalten, allerdings machen es bestimmte - in Abs. 2 näher definierte - Sachverhalte erforderlich, den Fremden aus dem Bundesgebiet zu weisen."

Eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist im gegebenen Zusammenhang daher nur dann von Relevanz, wenn die (alternativen) Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 Asylgesetz 1997 vorliegen, sodass eine derartige vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach der letztgenannten Bestimmung § 33 Abs. 2 FrG unanwendbar machen würde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor - im gegenständlichen Fall ist das im Hinblick auf die unbestrittene behördliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach der unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgten Einreise von Organen der Grenzüberwachung aufgegriffen worden sei, evident -, so steht ein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht einer Ausweisung nach § 33 Abs. 2 FrG nicht im Weg, weshalb es dann auch nicht darauf ankommen kann, dass eine solche Aufenthaltsberechtigung regelmäßig gewährt werden soll. Wie schon aus den vorhin zitierten Materialien erhellt, erfasst § 33 Abs. 2 FrG Sondertatbestände, die allenfalls ungeachtet eines anhängigen Asylverfahrens - bloß unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - die Ausweisung eines Fremden rechtfertigen können.

Ist es nach dem Gesagten in Ansehung des § 33 Abs. 2 FrG unmaßgeblich, dass der Beschwerdeführer vor Erlassung des bekämpften Bescheides wieder die Rechtsstellung eines Asylwerbers erlangte, so ist nunmehr zu prüfen, ob die einzelnen Tatbestandselemente der genannten Norm - die belangte Behörde hat Z. 4 und Z. 6 herangezogen - verwirklicht sind. Dabei kann ausgehend von den unbestrittenen behördlichen Feststellungen zunächst nicht zweifelhaft sein, dass im konkreten Fall die Voraussetzungen der Z. 6 des § 33 Abs. 2 FrG erfüllt sind. Um eine Ausweisung im Hinblick auf diese Norm zu rechtfertigen, muss freilich noch hinzu treten, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist (vgl. den letzten Halbsatz der in Frage stehenden Bestimmung). Die Verwirklichung von Tatbeständen, die bereits in den einzelnen Ziffern des § 33 Abs. 2 FrG genannt sind, reicht für sich allein zur Begründung der Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise nicht aus; eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 2 FrG ist vielmehr nur dann zulässig, wenn neben einem in Z. 1 bis 6 genannten Tatbestand auch die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung vorliegt, dass die sofortige Ausreise des Fremden im Hinblick auf eine von ihm ausgehende unmittelbare Bedrohung der öffentlichen Ordnung tatsächlich erforderlich ist. (Vgl. zum Ganzen das zu § 17 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 ergangene und wegen der insoweit unveränderten Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 weiterhin relevante hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 96/21/1007.)

Dass Letzteres der Fall sei, hat die belangte Behörde nicht ausreichend begründet. Weder das bloße "Untertauchen" des Beschwerdeführers noch der Umstand, dass er keine Möglichkeit habe, im Bundesgebiet einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, rechtfertigen nämlich die Annahme einer von ihm ausgehenden unmittelbaren Bedrohung der öffentlichen Ordnung.

Im Ergebnis erweist sich damit die Ausweisung des Beschwerdeführers auch insoweit, als sie auf § 33 Abs. 2 FrG gestützt wurde, als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. September 2000

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