VwGH 98/21/0048

VwGH98/21/004816.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des F in Graz, geboren am 13. November 1965, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 24. November 1997, Zl. Fr 419/2-1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 1991;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
AsylG 1997 1991;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge Staatsbürger von Liberia, war am 28. November 1996 in das Bundesgebiet eingereist und hatte am 2. Dezember 1996 einen Asylantrag gestellt. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 13. Dezember 1996 gab er an, dass er wegen des Bürgerkrieges aus Liberia geflüchtet sei. Seitens der von Charles Taylor geführten NPFL sei er im März 1990 gezwungen worden, "Mitglied zu werden". Er habe das verweigert, obwohl man ihn für diesen Fall mit dem Umbringen bedroht habe. Er habe dann Monrovia, wo die NPFL die Macht habe, verlassen und sich nach "Clara" im Bezirk "Monstrrado" begeben. Dort habe er auf einer seinem Vater gehörigen Farm von 1990 bis 1996 gelebt und gearbeitet. 1996 habe er gehört, dass die NPFL nach "Clara" kommen würde, um Menschen zu suchen, die die Mitgliedschaft verweigert hätten. Es sei daher nach ihm gesucht worden. Zwar sei den Leuten der NPFL nicht bekannt gewesen, dass sich er (der Beschwerdeführer) dort aufhalte, sie hätten ihn jedoch finden können, weshalb er sich entschlossen habe, das Land zu verlassen. Von der Möglichkeit, in ein anderes "County" zu gehen, in dem die NPFL nicht so stark sei, habe er nichts gewusst.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 31. Jänner 1997 gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab. Dieser hatte mittlerweile im Zuge des gegen ihn eingeleiteten Ausweisungsverfahrens bezogen auf Liberia einen Feststellungsantrag nach § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, eingebracht. Bei seiner Einvernahme vom 7. März 1997 begründete er diesen Antrag - unter Verweis auf seine Angaben im Asylverfahren - damit, dass er im Fall einer Rückkehr nach Liberia von den Regierungstruppen sicher getötet werden würde. Zuerst habe er mit den Rebellen um Charles Taylor gegen die Regierungstruppen kämpfen sollen, in der Folge hätten ihn aber auch die Regierungstruppen rekrutieren wollen. Deshalb sei er davongelaufen, er habe überhaupt nicht kämpfen wollen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 24. November 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung nach Liberia sei somit zulässig.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das auf bloßen Behauptungen beruhende Vorbringen des Beschwerdeführers über angebliche Rekrutierungsversuche seitens der NPFL und über die Bedrohung durch Rebellentruppen ebenso wie seine bloße Vermutung, im Fall einer Rückkehr von den Regierungstruppen "sicher getötet" zu werden, nicht ausreiche, um das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Wie auch aus diversen Medienberichten bekannt, habe sich mittlerweile die politische Situation in Liberia verändert. Kriegerische Auseinandersetzungen, so sie überhaupt noch stattfänden, erfassten jedenfalls nicht das ganze Staatsgebiet; die Hauptstadt Monrovia und die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen würden von den ECOMOG-Truppen gesichert und stünden weitgehendst unter deren Kontrolle. Nach Einsetzung eines provisorischen Staatsrates und einer provisorischen Regierung seien Ende Mai 1997 freie Wahlen abgehalten worden. Diese seien von den stationierten UNO-Wahlbeobachtern als "ausgesprochen fair" beurteilt worden, dabei sei Charles Taylor, der ehemalige Rebellenführer der NPFL, zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden. Durch die Abhaltung demokratischer und fairer Wahlen sei der Machtkampf um das Amt des Staatspräsidenten einer definitiven Entscheidung zugeführt worden; es könne davon ausgegangen werden, dass Charles Taylor nunmehr sein Ziel erreicht und seinen Kampf um die Macht im Staat beendet habe. Weiters sei (nunmehr) von einer einigermaßen funktionierenden Staatsgewalt in Liberia auszugehen, unter deren Schutz sich der Beschwerdeführer gegebenenfalls stellen könne. Im Hinblick darauf könne nicht vom Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung des Beschwerdeführers für den Fall seiner Rückkehr nach Liberia gesprochen werden. Dass der Heimatstaat des Beschwerdeführers nunmehr nicht in der Lage oder Willens wäre, ihn vor allfälligen Übergriffen seitens allfällig noch existierender bewaffneter Rebellengruppen zu schützen, entspreche nicht den aktuellen Tatsachen. Dem Amnesty-International-Jahresbericht 1997 für Liberia sei eindeutig zu entnehmen, dass mitunter noch stattgefundene Übergriffe staatlicherseits rigoros geahndet würden. Aber auch die in der Niederschrift vom 7. März 1997 geäußerte Befürchtung, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Liberia von den Regierungstruppen getötet werden würde, sei eine bloße Behauptung und Vermutung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte für den Fall der Abweisung der Beschwerde Kostenzuspruch.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 97/21/0911, mwN.)

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer eine maßgebliche Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG im Ergebnis daraus abgeleitet, dass während des liberianischen Bürgerkrieges sowohl die Rebellen als auch die Regierungstruppen versucht hätten, ihn zu "rekrutieren", und dass er in diesem Zusammenhang mit dem Umbringen bedroht worden sei.

Die belangte Behörde gelangte demgegenüber zu der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung nach Liberia jedenfalls aktuell keine Gefahren im Sinn der genannten Gesetzesbestimmungen drohten. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde getroffenen - und in der Beschwerde nicht konkret bestrittenen - Feststellungen über die Veränderung der politischen Situation in Liberia bzw. über die dort herrschende aktuelle Lage (siehe oben) bestehen gegen diese Ansicht keine Bedenken, zumal der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, inwieweit die ehemaligen Bürgerkriegsverhältnisse auf die jetzige Situation "durchschlagen" könnten.

Die Beschwerde zeigt nichts auf, was zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Sie bezieht sich - unter Berufung auf Quellen aus 1994 - auf näher geschilderte Massaker und Übergriffe im Zuge des liberianischen Bürgerkrieges, übersieht dabei jedoch, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Abschiebung im Rahmen eines Verfahrens nach § 54 FrG auf derzeit (im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides) drohende Gefahren und nicht auf ehemalige, nicht mehr aktuelle Bedrohungsszenarien abzustellen ist. Im Übrigen macht sie, teils in offenkundig standardisierter Form, eine Reihe von Verfahrensfehlern geltend, ohne jedoch aufzuzeigen, zu welchen konkreten Ergebnissen die belangte Behörde bei Unterlassung der behaupteten Mängel hätte kommen können. Insoweit wird daher die Relevanz nicht dargetan, weshalb dem entsprechenden Vorbringen schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein kann. Ebenfalls nicht zielführend ist der Vorwurf, die belangte Behörde habe den bekämpften Bescheid nicht ausreichend begründet bzw. nicht erkennen lassen, von welchen Feststellungen sie ausgehe; vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde dargestellten aktuellen Situation in Liberia ist diese Rüge nicht nachvollziehbar. Schließlich lässt sich für den Beschwerdeführer auch daraus nichts gewinnen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Verfahren über seinen am 2. Dezember 1996 gestellten Asylantrag noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. (Angemerkt sei dazu, dass mittlerweile durch den unabhängigen Bundesasylsenat über die Berufung des Beschwerdeführers negativ entschieden worden ist; die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Juli 1999, Zl. 98/20/0325, abgelehnt.) Beim Asylverfahren und beim Verfahren nach § 54 FrG handelt es sich nämlich um jeweils eigenständige Verfahren, die zueinander in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Es existiert auch keine Vorschrift, wonach die Fremdenpolizeibehörde mit ihrer Entscheidung im Verfahren nach § 54 FrG bis zur endgültigen Erledigung des Asylverfahrens zuzuwarten hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/21/0154).

Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß

§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die

§§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte