Normen
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;
EMRK Art3;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;
EMRK Art3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. September 1998 wurde auf Grund des Antrags des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Sierra Leone, vom 10. Dezember 1997 gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in diesem Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. bedroht sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. August 1998 im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend seien. Der Beschwerdeführer sei am 17. November 1997 illegal nach Österreich gelangt. Sein Asylantrag vom 18. November 1997 sei vom unabhängigen Bundesasylsenat rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag damit begründet, dass er in seiner Heimat Sierra Leone mit dem Umbringen bedroht wäre. Er hätte seine Heimat verlassen, weil er verfolgt würde und weil seit dem Jahr 1991 in diesem Land bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten und ein geordnetes und sicheres Leben nicht mehr möglich wäre. Am 28. Oktober 1997 wäre er im Zuge eines Fußballspiels zusammen mit vielen anderen jungen Männern vom "Militär" festgenommen und ihm mitgeteilt worden, dass er nun ausgebildet würde und er sich der Armee anschließen sollte. Danach wäre er in ein Camp - bestehend aus kleinen Holzhüttchen - in den Busch gebracht worden. Dort wäre er fotografiert und gemessen worden, des Weiteren wären seine Fingerabdrücke und sein Blut abgenommen worden. Am nächsten Tag hätte er ein Sportprogramm absolvieren müssen. Danach wäre er gemeinsam mit den anderen Festgehaltenen am 31. Oktober 1997 nach Port Elisabeth gebracht worden. Dort sei es ihm möglich gewesen, dem ihn bewachenden Soldaten, welcher eingeschlafen wäre, die Waffen abzunehmen, und ihn zu fesseln und zu knebeln. Im Anschluss daran wäre er mit einem Kanu geflüchtet, weil er nicht gewillt gewesen wäre, sich der Armee (in diesem Fall der Rebellentruppe Koroma, die die Regierung des Präsidenten Kabbah im Mai 1997 gestürzt hätte) anzuschließen und gegen die ECOMOG zu kämpfen.
Diese Angaben des Beschwerdeführers seien auf die allgemeine Situation in seinem Heimatland ausgerichtet und legten keine konkrete, seine Person im Speziellen betreffende Bedrohungssituation dar. Der Beschwerdeführer habe selbst im Asylverfahren angegeben, nie Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein, nicht vorbestraft zu sein und keine strafbaren Handlungen begangen zu haben. Die in seinem Heimatland herrschende Bürgerkriegssituation begründe für sich allein keine Flüchtlingseigenschaft. Das Asylrecht habe nicht zur Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgingen.
Umstände, dass die Vertreter staatlicher bzw. quasi staatlicher Autoritäten als bürgerkriegführende Gruppe ein massives, sich individuell gegen den Beschwerdeführer richtendes Interesse an einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe gehabt hätten, seien nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, konkrete, nach seiner Entziehung von der Zwangsrekrutierung gegen ihn gesetzte oder eingeleitete Maßnahmen anzuführen. Er habe nicht einmal behauptet, dass man tatsächlich konkret nach seiner Person gesucht hätte bzw. seien nach dem gesamten Vorbringen objektiv keine diesbezüglichen Indizien dafür zu entnehmen, dass er in Zukunft im gesamten Gebiet seines Heimatstaates mit massiven planmäßigen Verfolgungshandlungen zu rechnen hätte. Er habe nicht aufzeigen können, dass es ihm unmöglich gewesen wäre, sich dem Einflussbereich der Rebellengruppe zu entziehen bzw. dass er daran gehindert worden wäre, das Einflussgebiet dieser Rebellengruppe endgültig zu verlassen oder sich sogar in den Macht- bzw. in den Schutzbereich der ECOMOG-Truppen zu begeben. Überdies habe er in seiner Berufung vom 3. September 1998 ausgeführt, dass die Regierung von Major Koroma (von dessen Militär er zwangsrekrutiert worden wäre) Ende März 1998 gestürzt worden und Präsident Kabbah wieder nach Freetown zurückgekehrt wäre. Dass ungeachtet dessen die Kämpfe unvermindert anhielten und die Regierung nicht in der Lage sei, die Situation zu stabilisieren und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, stelle eine bedauerliche allgemeine Situation bzw. Menschenrechtssituation im Heimatstaat des Beschwerdeführers dar. Damit könne aber nicht festgestellt werden, dass stichhaltige Gründe für eine konkrete, vom Staat ausgehende oder zumindest gebilligte Bedrohung des Beschwerdeführers bestünden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt allerdings nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen. (Vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. April 2003, Zl. 99/18/0423.)
2. Seit dem Putsch im Mai 1997 bestand in Sierra Leone das Regime des Majors Jonny Paul Koroma, wobei Teile des Landes im Norden von den RUF-Milizen kontrolliert worden waren. Die belangte Behörde hat festgestellt, dass dieses Regime (von dessen Militär der Beschwerdeführer seiner Aussage zufolge seinerzeit zwangsrekrutiert worden sei) Ende März 1998 gestürzt worden sei und Präsident Kabbah wieder nach Freetown habe zurückkehren können. Nach der Vertreibung des Militärregimes des Majors Jonny Paul Koroma durch die Truppen der ECOMOG und der Eroberung der Hauptstadt Freetown durch diese ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Sierra Leone wegen seiner behaupteten Desertion aus den Truppenverbänden des gestürzten Putschregimes weiterhin einer Verfolgung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt wäre (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 99/18/0423).
Die nicht näher konkretisierte Beschwerdebehauptung, die Kämpfe hielten unvermindert an und es sei eine "das ganze Staatsgebiet Sierra Leones umfassende Bürgerkriegssituation" gegeben, ist nicht geeignet darzutun, dass der Beschwerdeführer auch in dem von den ECOMOG-Truppen im Frühjahr 1998 eroberten Freetown vor den Truppen des Majors Koroma nicht sicher wäre. Mit dem Vorbringen wird auch nicht dargetan, dass auf Grund der bewaffneten Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage bestünde, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahren für Leib und Leben in einem Maß drohen, dass die Abschiebung im Licht des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene. Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt aber, wie oben II. 1. dargetan, nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesem Staat unter dem Gesichtpunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen. Im Übrigen ist Bürgerkrieg nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an sich weder geeignet, eine Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, noch die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu begründen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0394, mwN).
3. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 10. September 2003
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