VwGH 98/18/0272

VwGH98/18/027231.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des H R, (geb. 10.3.1972), vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG, 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 6. Juli 1998, Zl. Fr-54/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
VwRallg;
AVG §64 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 6. Juli 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsbürger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 sowie Abs. 2 Z. 6 iVm den "§§19 und 20" des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis zum 2. Februar 2001 befristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet erlassen. Weiters wurde mit diesem Bescheid der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid bestätigt.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im Wesentlichen ausgeführt, dass er - unter dem Druck seiner bevorstehenden Abschiebung - vor der Erstbehörde nicht den wahren Sachverhalt vorgebracht und sich überdies in einer extremen Notsituation befunden hätte. Er wäre im Herbst 1991 wegen der militärischen Auseinandersetzung nach Österreich geflüchtet, wobei er sich seinen "militärischen Pflichten gegenüber der jugoslawischen Armee" entzogen hätte. Sein Asylantrag wäre abgelehnt worden und er hätte sich in weiterer Folge intensiv um die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung in Österreich bemüht. Es wären darauf zwei entsprechende Antragstellungen vom Ausland aus erfolgt, welche jedoch abgelehnt worden wären. Aus seiner Beziehung mit einer namentlich genannten Frau wäre ein Kind hervorgegangen, weiters hätte der Beschwerdeführer - nach dem religiösen Ritus des Islam - mit dieser Frau "auch eine Ehe abgeschlossen". Die Übertretung fremdenrechtlicher Bestimmungen durch den Beschwerdeführer wäre einzig und allein auf den Umstand zurück zu führen, dass er sich in einer echten Notsituation befunden hätte. Der Beschwerdeführer würde sich künftighin auf legale Weise um eine Aufenthaltsbewilligung für Österreich bemühen. Unter Berücksichtigung seiner konkreten Lebenssituation, der Lebenssituation seiner Lebenspartnerin und seines in Österreich lebenden Kindes und des Umstands, dass er bereits abgeschoben worden wäre, würden wohl die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dem Aufenthaltsverbot nicht schwerer wiegen als die Auswirkungen dieses Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Für die Erfüllung des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG komme es - so die belangte Behörde in ihren rechtlichen Überlegungen - darauf an, dass der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine Familienverhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes mache, um sich die Einreise- oder Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen.

Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer im Oktober 1991 illegal nach Österreich eingereist sei und sich seither hier befinde. Das weitere Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, nämlich die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und der Weiterverbleib im österreichischen Bundesgebiet ohne über die hiefür erforderliche Aufenthaltsberechtigung zu verfügen, rechtfertige die im § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG umschriebene Annahme, lasse doch dieses Verhalten deutlich die Neigung des Beschwerdeführers erkennen, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenpolizeilichen Normen hinweg zu setzen.

Im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer seit ca. sieben Jahren illegal in Österreich aufhalte, gelange die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Interesse des öffentlichen Wohles - wegen Gefahr im Verzug - dringend geboten sei, wodurch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung begründet sei.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes erscheine auf Grund der bisherigen Ausführungen angemessen. Gegen die Festlegung des "Gefährdungszeitraumes" von drei Jahren bestünden keine rechtlichen Bedenken.

Die belangte Behörde habe weiters zu prüfen, inwieweit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife. Hiezu sei fest zu stellen, dass der Beschwerdeführer mittlerweile verheiratet und Vater eines Kindes sei. Ein Fremder, der sich illegal in Österreich befinde, könne jedoch aus seinem Aufenthalt im Inland seit der illegalen Einreise und der aus diesem Aufenthalt resultierenden Verstärkung seine Integration - im Fall des Beschwerdeführers die Eheschließung - im Zuge eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes keinen für sich günstigen Umstand ableiten, weil es sich hiebei um Tatsachen handle, die entgegen den den Aufenthalt im Bundesgebiet regelnden Vorschriften geschaffen worden seien. Bei Abschätzung aller persönlichen Umstände gelange die belangte Behörde zur Ansicht, dass im Beschwerdefall die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden "ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."

    Nach § 36 Abs. 1 leg. cit. ist somit Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die auf bestimmte Tatsachen gestützte Prognose, dass der Aufenthalt eines Fremden die in Z. 1 oder die in Z. 2 genannten öffentlichen Interessen gefährdet (vgl. das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0097).

    § 36 Abs. 2 FrG lautet - soweit im Beschwerdefall maßgeblich - wie folgt:

"(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

...

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 zu verschaffen;

..."

Wird, was die belangte Behörde der insoweit eindeutigen Bescheidbegründung zufolge vorliegend getan hat, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG als verwirklicht angesehen, dann ist der Anordnung des § 36 Abs. 1 leg. cit. entsprechend von der Behörde in einem weiteren Schritt - zusätzlich - eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob dieser Tatbestand in concreto die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch für die Rechtslage nach dem FrG einschlägige Erkenntnis vom 25. Juni 1994, Zl. 94/18/0196).

Die belangte Behörde hat zwar § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG im Spruch des angefochtenen Bescheides zitiert, es aber - wie die Bescheidbegründung zeigt - gänzlich unterlassen zu prüfen, ob im Beschwerdefall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, es vielmehr dabei bewenden lassen, die Erfüllung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. zu bejahen. Damit hat sie die Rechtslage verkannt.

2. Die Beschwerde ist auch insofern im Recht, als sie sich gegen die Bestätigung des von der Erstbehörde ausgesprochenen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Berufung wendet. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von "ca. 7 Jahren" ist nämlich nicht geeignet, die für diesen Ausspruch (vgl. dazu das auf dem Boden des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch für das FrG maßgebliche hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 97/18/0564) im Grunde des § 64 Abs. 2 AVG hier maßgebliche Voraussetzung, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung "im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist" darzulegen, kann doch nicht gesagt werden, dass allein aus dem besagten rechtswidrigen Aufenthalt dem öffentlichen Wohl ein derart gravierender Nachteil drohte, dass das Interesse des Beschwerdeführers an einer Umsetzung des Aufenthaltsverbotsbescheides in die Wirklichkeit erst nach seiner Rechtskraft in den Hintergrund trete. Auch insoweit hat somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Dass damit der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt wurde, ergibt sich daraus, dass er nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten am 7. Februar 1998 - somit vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - aus Österreich abgeschoben wurde.

3. Auf dem Boden des Gesagten war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

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