VwGH 98/18/0242

VwGH98/18/024213.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des J S, (geb. 22.4.1971), in Wien, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juni 1998, Zl. SD 1362/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrG 1997 §37;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, der belangten Behörde, vom 4. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit Anfang des Jahres 1994 im Bundesgebiet aufhalte, sei am 20. März 1997 von Organen des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten in einem Lokal bei der Tätigkeit als Küchenhilfe betreten worden. Der Beschwerdeführer habe eingeräumt, weder über einen Befreiungsschein noch über eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Arbeitserlaubnis zu verfügen, er habe jedoch vorgebracht, dass er in dem Lokal keine Beschäftigung ausgeübt hätte. Vielmehr hätte er für sich selbst eine Mahlzeit zubereitet. Abgesehen davon, dass diese Verantwortung "wohl nicht mit der Lebenserfahrung" in Einklang zu bringen sei, stehe ihr die Rechtskraft des Straferkenntnisses vom 19. September 1997 des Magistrates der Stadt Wien, das vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 15. Jänner 1998 dem Grunde nach bestätigt worden sei, entgegen. Mit diesem Straferkenntnis sei der Betreiber des Lokals nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden, weil er am 20. März 1997 den Beschwerdeführer als Küchenhilfe beschäftigt habe, obwohl für diesen weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung noch ein Befreiungsschein oder eine gültige Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei. Damit stehe für die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer bei einer Beschäftigung betreten worden sei, die er nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht hätte ausüben dürfen. Sohin sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt. Im Hinblick darauf, dass dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes ein hoher Stellenwert zukomme, gefährde das oben dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung in beträchtlichem Maß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - auch im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 37 Abs. 1 FrG betreffe, sei zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keinerlei familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe und solche auch nicht behaupte. Selbst wenn man auf Grund seines etwa vierjährigen inländischen Aufenthaltes von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehen wollte, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes auf Grund des Dringend-Geboten-Seins dieser Maßnahme nach § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Wie bereits oben dargelegt, komme dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse sei durch den Beschwerdeführer, der in der Vergangenheit Aufenthaltsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "selbstständige Erwerbstätigkeit" erhalten habe, in gravierender Weise beeinträchtigt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei sohin als dringend geboten zu erachten. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG gebotenen Interessenabwägung sei davon auszugehen, dass sich aus dem etwa vierjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kein relevanter Grad seiner Integration ableiten lasse, zumal er bislang lediglich einer Tätigkeit als Zeitungskolporteur nachgegangen sei. Diesen - sohin nicht sehr ausgeprägten - privaten Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so scheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung der vorliegenden Maßnahme maßgebenden Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer auf Grund seines "etwa vierjährigen" inländischen Aufenthaltes einen mit dem Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in sein Privatleben zugestanden. Ihre bei der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG vertretene Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen (unter I.1. näher genannten) öffentlichen Interessen, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Diese beruht ausschließlich auf dem Umstand, dass der Beschwerdeführer einmal, und zwar am 20. März 1997, von Organen des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten in einem Lokal bei der "Tätigkeit als Küchenhilfe" betreten worden sei. Ein sonstiges Fehlverhalten hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen. Den aus seinem etwa viereinhalbjährigen rechtmäßigen Aufenthalt ableitbaren privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet kommt jedoch ein größeres Gewicht zu als der durch das bezeichnete Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes.

Da die belangte Behörde jedenfalls insoweit die Rechtslage verkannt hat, war es entbehrlich, auf das auf die behördliche Beurteilung nach § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 FrG gerichtete Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

2. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. Oktober 2000

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