VwGH 98/18/0210

VwGH98/18/021031.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der A E, (geb. 23.10.1965), in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Bauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Jänner 1998, Zl. SD 1126/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §44 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §44 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Jänner 1998 wurde die Beschwerdeführerin, eine armenische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 16. August 1995 mit ihrer Familie "(Ehegatte und drei Kinder)" illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 22. August 1995 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. November 1995 und im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Oktober 1996 (rechtswirksam erlassen am 15. Oktober 1996) abgewiesen worden sei. Demnach halte sich die Beschwerdeführerin, die weder über einen Einreise- noch über einen Aufenthaltstitel verfüge, und der mangels direkter Einreise auch keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukomme, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Bezüglich des illegalen Aufenthalts sei die Beschwerdeführerin von der Erstbehörde mit Straferkenntnis vom 12. Mai 1997 bestraft worden.

Die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, dass das Asylverfahren durch die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bis dato nicht rechtskräftig wäre, sei verfehlt, setze doch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die Rechtskraft des bekämpften Bescheides voraus. Jedenfalls könne das Verwaltungsgerichtshofverfahren der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltsrecht verschaffen, zumal diese über die Ukraine nach Österreich gelangt sei und sohin die Einreise nicht im Sinn des § 6 des Asylgesetzes erfolgt sei.

Da die Beschwerdeführerin auch zu keiner Zeit eine behördliche Bewilligung für ihren Aufenthalt in Österreich gehabt habe, halte sie sich seit ihrer Einreise unrechtmäßig in Österreich auf und habe dadurch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erheblich beeinträchtigt. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin sei demnach im Grund des § 33 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 leg. cit. - gerechtfertigt.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG betreffe, so sei auf Grund der Tatsache, dass sich auch ihr Ehegatte und ihre Kinder im Bundesgebiet aufhielten, von einem Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. sei - möge die Beeinträchtigung des Privat- und/oder Familienlebens durch die Ausweisung noch so intensiv sein - die Ausweisung zulässig, wenn sie zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise missachtet worden. Zu ihren Ungunsten falle - abgesehen von der langen Dauer ihres unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich - weiters ins Gewicht, dass sie ihren unrechtmäßigen Aufenthalt ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung ihres Antrags nach dem Asylgesetz und trotz der erfolgten Bestrafung fortgesetzt habe. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Bekräftigt werde dieses Abwägungsergebnis noch durch die Tatsache, dass sich auch die Familie der Beschwerdeführerin "(Ehegatte und Kinder)" unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, die belangte Behörde habe in Anbetracht des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem ihrer Beschwerde gegen die Abweisung ihres Asylantrages aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass sie sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte, weil ihr durch diesen Beschluss wieder jene Rechtsstellung zukomme, die sie als Asylwerber vor der Abweisung ihres Asylantrages gehabt habe. Mit diesem auf das Bestehen einer - asylrechtlich begründeten - vorläufigen Aufenthaltsberechtigung abzielenden Vorbringen zeigt die Beschwerde - im Ergebnis - eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0161, - auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - dargelegt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden im Grund des § 44 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, die Frage des Bestehens einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung während des nach § 44 Abs. 2 leg. cit. wieder eröffneten asylrechtlichen Berufungsverfahrens nicht - wie dies die belangte Behörde getan hat - ausschließlich nach der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991, sondern zunächst nach § 19 des Asylgesetzes 1997 zu prüfen gewesen wäre. Dies hat die belangte Behörde verkannt. Daran vermögen die Ausführungen der Behörde in ihrer Gegenschrift, dass ihrer Ansicht nach der Beschwerdeführerin eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 des Asylgesetzes 1997 nicht zukomme, nichts zu ändern, weil solche Ausführungen Feststellungen und rechtliche Beurteilungen im angefochtenen Beschied nicht ersetzen können.

3. Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

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