VwGH 98/18/0125

VwGH98/18/012513.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des N T, (geboren am 13. Juli 1960), vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Februar 1998, Zl. SD 1384/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §111 Abs1;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §113 Abs7;
FrG 1997 §115 Abs1;
FrG 1997 §115 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
VwRallg;
AufG 1992;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §111 Abs1;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §113 Abs7;
FrG 1997 §115 Abs1;
FrG 1997 §115 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Februar 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 23. Mai 1992 im Bundesgebiet auf und habe über Sichtvermerke bzw. eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis zum 4. Mai 1994 verfügt. Ein Verlängerungsantrag sei (laut erstinstanzlichem Bescheid, auf dessen Gründe von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen wurde, am 30. Oktober 1995) zweitinstanzlich - rechtskräftig am 6. November 1995 - abgelehnt worden. Einer (vom Beschwerdeführer dagegen) an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden. Da er seit dem 7. November 1995 nicht im Besitz einer erforderlichen Aufenthaltsberechtigung sei, sei sein Aufenthalt in Österreich illegal.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1993 vom Strafbezirksgericht Wien zweimal, und zwar wegen §§ 15, 127 bzw. § 146 StGB, zu Geldstrafen rechtskräftig verurteilt worden. Infolge seines unrechtmäßigen Aufenthalts sei er wegen Übertretung des Fremdengesetzes rechtskräftig bestraft worden. Ein neuerliches Straferkenntnis wegen unrechtmäßigen Aufenthalts sei noch nicht rechtskräftig, das Verfahren befinde sich im Berufungsstadium. Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 21. Juli 1997 sei über ihn wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (er habe einen Fremden, der hiefür keine behördliche Bewilligung besessen habe, beschäftigt) eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt worden. Des Weiteren seien mehrere rechtskräftige Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und des Kraftfahrgesetzes (KFG) aktenkundig.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass die den gerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers gegen fremdes Eigentum gerichtet gewesen seien und sohin auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, sodass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Den rechtskräftig verhängten Verwaltungsstrafen nach dem Fremdengesetz bzw. Ausländerbeschäftigungsgesetz lägen unzweifelhaft schwer wiegende Übertretungen dieser Gesetze zu Grunde, weshalb auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei. Auf Grund des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers, der sich in nahezu beharrlicher Weise über österreichische Rechtsvorschriften in den verschiedensten Bereichen hinweggesetzt habe, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - gerechtfertigt und erforderlich.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen zu Österreich. Auf Grund seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet (dem erstinstanzlichen Bescheid zufolge halte er sich seit dem 4. Jänner 1994 durchgehend in Österreich auf und habe hier den Mittelpunkt seines Lebens eingerichtet) sei jedoch von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte Dritter und zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens bzw. Arbeitsmarktes - dringend geboten. Sein bisheriges Verhalten verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder Willens sei, die österreichische Rechtsordnung zu beachten. Eine "Zukunftsprognose" könne für ihn schon allein deshalb nicht positiv ausfallen, weil er sein strafbares Verhalten über einen längeren Zeitraum gesetzt habe und nicht nur strafgerichtliche Verurteilungen, sondern auch zahlreiche Verwaltungsübertretungen aufweise. Sein seit mehr als zwei Jahren unrechtmäßiger Aufenthalt, den er trotz der erfolgten Bestrafung fortgesetzt habe, bringe darüber hinaus sehr augenfällig zum Ausdruck, dass er auch die für ihn maßgebenden fremdenpolizeilichen Vorschriften gering schätze.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 leg. cit. erforderlichen Interessenabwägung sei auf seinen beinahe sechsjährigen inländischen Aufenthalt Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei zu berücksichtigen gewesen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten und durch die Tatsache, dass sein Aufenthalt seit etwa zwei Jahren ohne rechtliche Grundlage sei, erheblich beeinträchtigt werde. Diesen - derart geminderten - privaten Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit entgegen. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf seine Lebenssituation wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots erscheine gerechtfertigt, weil in Anbetracht des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Gemäß § 36 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (u. a.) von einem inländischen Gericht mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z. 1 vierter Fall) oder mehr als einmal (u. a.) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 StVO 1960 oder wegen einer schwer wiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist (Z. 2).

2. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu den beiden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und seinen Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen, sie wendet sich jedoch mit dem Vorbringen, dass diese Verurteilungen und Bestrafungen für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht ausreichten und die belangte Behörde von dieser Maßnahme hätte Abstand nehmen müssen, erkennbar gegen die im Grund des § 36 Abs. 1 FrG getroffene Annahme.

3. Der belangten Behörde ist sowohl darin beizupflichten, dass die beiden einschlägigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG verwirklichen, als auch darin, dass seine beiden Bestrafungen wegen Übertretung des Fremdengesetzes (BGBl. Nr. 838/1992) und wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllen. So handelt es sich bei der Übertretung des Fremdengesetzes durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet um eine schwer wiegende Verwaltungsübertretung iS der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung, bewirkt doch gerade der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden nach der hg. Judikatur (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095, mwN) eine gravierende Beeinträchtigung des einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausgesprochen hat, ergibt sich aus der für eine Verwaltungsübertretung vorgesehenen Strafdrohung, wie schwer der Gesetzgeber diese Übertretung gewichtet hat. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 78/1997, sieht in seinen Strafbestimmungen verschieden hohe Strafrahmen vor, die strengsten in § 28 Abs. 1 Z. 1 (bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 60.000,--, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von S 20.000,-- bis zu S 120.000,--, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 40.000,-- bis zu

S 240.000,--), die geringsten in § 28 Abs. 1 Z. 4 (Geldstrafe bis S 10.000,--). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, dass über den Beschwerdeführer mit besagtem Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 21. Juli 1997 (vgl. I.1.) wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG eine Geldstrafe (S 40.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) verhängt wurde. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen ist daher auch diese Verwaltungsübertretung als schwer wiegend iS des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG zu werten.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der beiden strafgerichtlichen Verurteilungen und der Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen jeweils nur den verwirklichten Tatbestand und die Höhe der verhängten Strafen (vgl. dazu auch den erstinstanzlichen Bescheid, auf den im angefochtenen Bescheid verwiesen wurde) festgestellt. Feststellungen über die von ihm begangenen strafbaren Handlungen fehlen zur Gänze. Dies bewirkt, dass die Ansicht der belangten Behörde, es sei auf Grund seiner Straftaten die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt, vom Verwaltungsgerichtshof nicht - nach den genannten Kriterien - überprüft werden kann, zumal vorliegend nicht bereits aus dem Deliktstypus oder der Häufigkeit der Delikte im Zusammenhalt mit den dafür verhängten Strafen ersichtlich ist, dass vom Beschwerdeführer eine derart große Gefahr für die maßgeblichen öffentlichen Interessen ausgehe, dass das Gerechtfertigtsein der besagten Annahme offenkundig ist.

Wenn sich die Beschwerde gegen die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich illegal sei, wendet und vorbringt, dass das Verwaltungsverfahren betreffend seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (vgl. I.1.) infolge des Inkrafttretens des FrG wieder offen sei, so kann im vorliegenden Zusammenhang auch dieser Umstand nicht unberücksichtigt bleiben. Mit hg. Beschluss vom 2. Juli 1998, Zl. 96/19/1200, wurde die vom Beschwerdeführer gegen die Versagung der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde gemäß § 113 Abs. 6 und 7, § 115 Abs. 1 und 2 FrG als gegenstandslos erklärt und das diesbezügliche Beschwerdeverfahren eingestellt, sodass auch der erstinstanzliche Versagungsbescheid außer Kraft getreten ist (vgl. § 113 Abs. 6 letzter Satz FrG) und der Beschwerdeführer in den Genuss eines Aufenthaltsrechts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag gelangte (§ 31 Abs. 4 iVm § 112 erster Satz FrG; vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 98/21/0281).

4. Zusammengefasst betrachtet reichen somit die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen für eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG nicht aus.

5. Demzufolge war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. März 2001

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