VwGH 98/16/0375

VwGH98/16/03755.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Landes Niederösterreich, vertreten durch Dr. H und Dr. L, Rechtsanwälte in Wien I, Wollzeile 6-8, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16. Oktober 1998, Zl. Jv 2829-33a/98, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GGG 1984 §10 Z2;
SHG NÖ 1974 §46 Abs1;
GGG 1984 §10 Z2;
SHG NÖ 1974 §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Das beschwerdeführende Land hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das beschwerdeführende Land führte als Kläger auf Grund der am 3. März 1992 beim LG für ZRS Wien eingebrachten Klage zu 13 Cg 23/94m (früher: 13 Cg 50/92), gegen vier beklagte Parteien einen Zivilprozess. Begehrt wurde die Zahlung von S 12,872.023,89 s. A. und die Feststellung der Haftung der Beklagten für diverse Schäden (Streitwert S 100.000,--) aus mangelhafter Planung, Bauüberwachung und Bauausführung betreffend das Bauvorhaben Landespensionistenheim Gänserndorf. Das Land Niederösterreich als Werkbesteller stützte die Klage insbesondere auf die Rechtstitel der Gewährleistung und des Schadenersatzes.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof steht ausschließlich die Frage in Streit, ob dem Land Niederösterreich in diesem Zusammenhang die persönliche Gebührenfreiheit gemäß § 10 Z. 2 GGG zukommt oder nicht.

Die belangte Behörde, die einem gegen den vom Kostenbeamten des LG für ZRS Wien erlassenen Zahlungsauftrag erhobenen Berichtigungsantrag keine Folge gab, vertrat die Auffassung, das in Rede stehende Verfahren sei außerhalb des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises des Landes geführt worden. Die der Klage zugrunde liegende Angelegenheit sei eindeutig dem privatrechtlichen und nicht dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Das beschwerdeführende Land erachtet sich in seinem Recht auf Freiheit von den Gerichtsgebühren verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

§ 10 GGG lautet auszugsweise:

"Von der Zahlung der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

sind befreit:

...

2. die übrigen Gebietskörperschaften (einschließlich der Sozialhilfeverbände) im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises; ..."

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1990, Zlen. 89/16/0161, 0162 bzw. 89/16/0154) die Auffassung, dass die Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises nicht mit der Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung gleichzusetzen ist, sondern dass zum "öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis" des § 10 Z. 2 GGG auch jener Teil der Privatwirtschaftsverwaltung zu rechnen ist, der in Ausführung einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt; mit anderen Worten: die persönliche Gebührenbefreiung setzt voraus, dass die Gebietskörperschaft im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung Tätigkeiten entwickelt, die innerhalb des Kreises der gesetzlich geregelten Pflichtaufgaben der betreffenden Gebietskörperschaft liegen, d.h. sie muss eine Tätigkeit entfalten, zu der sie in Besorgung öffentlich-rechtlicher Aufgaben unmittelbar durch Gesetz verpflichtet ist.

Wenn die Beschwerde, vermeint, der jetzt vorliegende Fall sei mit dem durch das vorstehend zweitzitierte Erkenntnis Zl. 89/16/0154 entschiedenen zu vergleichen, irrt sie, weil dort das beschwerdeführende Land durch § 46 Abs. 2 NÖ-PflichtschulG idF LGBl. 5000-6 unmittelbar verpflichtet war, einen für Schulzwecke gewidmeten Erwerb von Todes wegen gerichtlich geltend zu machen. Der Verwaltungsgerichtshof erblickte diese unmittelbare Verpflichtung darin, dass die zitierte Gesetzesstelle dem Land vorschreibt, die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen dergestalt zu berechnen, dass der durch andere Einnahmen für Schulzwecke nicht gedeckte Schulaufwand zugrunde zu legen ist. Da zu den genannten "anderen Einnahmen für Schulzwecke" selbstredend auch eine dem Land als Schulerhalter von einem Erblasser für Schulzwecke gewidmete letztwillige Zuwendung gehört und weil das Land nur den auch durch eine solche Zuwendung nicht gedeckten Aufwand als Grundlage für die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen heranziehen durfte, war es durch die zitierte Gesetzesstelle unmittelbar verpflichtet, einen vom Erblasser letztwillig für Schulzwecke bestimmten Erwerb, der ihm von den erbserklärten Erben vorenthalten wurde, gerichtlich geltend zu machen.

Der jetzt zu entscheidende Fall ist dagegen anders gelagert:

Der Beschwerde ist lediglich zuzugeben, dass § 46 Abs. 1 NÖ-SozialhilfeG (LGBl. 9200-7; ab 1. Juli 1993 LGBl. 9200-10) dem Land als Träger der Sozialhilfe vorschreibt, darauf hinzuwirken, dass Sozialhilfeeinrichtungen ausreichend zur Verfügung stehen und dass Pensionistenheime Sozialhilfeeinrichtungen gemäß § 45 Abs. 1 bzw. Abs. 4 leg. cit. sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/16/0352, (betreffend den Schadenersatzprozess eines Landes als Träger einer öffentlichen Krankenanstalt wegen eines dort unterlaufenen Behandlungsfehlers) unter Berufung auf das Erkenntnis vom 22. Juni 1987, Zl. 86/15/0008, ausgesprochen, dass sich der öffentlich-rechtliche Wirkungskreis nicht mehr auf die weitere Abwicklung derjenigen Rechtsgeschäfte bezieht, die die Gebietskörperschaft abschließt, auch wenn diese Rechtsgeschäfte an sich von der Gebietskörperschaft im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises geschlossen werden.

Ebenso wie ein wegen eines Schadens, der einem Patienten in einem öffentlichen Krankenhaus durch Verletzung der Sorgfaltspflichten aus dem Behandlungsvertrag zugefügt wurde, geführter Zivilprozess nicht mehr im Zusammenhang mit einem unmittelbaren Gesetzesauftrag steht (im zitierten Fall nach dem Tir. KAG 1957, LGBl. 5/1958), ist der für die Gebührenfreiheit im Beschwerdefall erforderliche unmittelbare Zusammenhang auch nicht mehr gegeben, weil die vom beschwerdeführenden Land erhobene Klage rein privatrechtliche finanzielle Ansprüche betraf, die aus jenen Rechtsgeschäften resultierten, die das Land mit den vier beklagten Parteien (Architekt und drei Professionisten) betreffend Teilleistungen für das Bauvorhaben Pensionistenheim abgeschlossen hatte. Der Abschluss derartiger Verträge insbesondere aber die Geltendmachung von daraus resultierenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen kann nicht mehr als von der nicht weiter präzisierten Verpflichtung des § 46 Abs. 1 NÖ-SozialhilfeG ("darauf hinzuwirken, dass Sozialhilfeeinrichtungen und damit auch Pensionistenheime ausreichend zur Verfügung stehen") unmittelbar angeordnet angesehen werden.

Da schließlich - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht betont - eine allgemeine Verpflichtung des Landes, sein Vermögen gegenüber jedem zu verteidigen, die erforderliche unmittelbar durch das Gesetz begründete Verpflichtung nicht zu ersetzen vermag (vgl. dazu das schon oben zitierte hg. Erkenntnis Zl. 89/16/0161, 0162) war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem durch § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. Juli 1999

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