VwGH 98/15/0036

VwGH98/15/003618.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des G in G, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. Jänner 1998, Zl. RV-124.97/1-8/97, betreffend Einkommensteuer 1995, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §55a;
EStG §34 Abs1;
EStG §34 Abs3;
EheG §55a;
EStG §34 Abs1;
EStG §34 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 1995 die Berücksichtigung von S 50.670,-- als außergewöhnliche Belastung. In einer Beilage zu dieser Erklärung führte er aus, sein Sohn wohne seit einigen Jahren bei seiner geschiedenen Frau in Italien. Die regelmäßigen Besuche bei seinem Sohn führten zu außergewöhnlichen Belastungen, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen nicht erwachsen. Die Aufwendungen entstünden zwangsläufig, weil sich der Beschwerdeführer dieser Mehrbelastung aus tatsächlichen und vor allem sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Nach dem Inhalt dieser Beilage setzt sich der Betrag von S 50.670,-- zusammen aus Kilometergeldern S 39. 909,60 (8676 km a S 4,60), Mautgebühren in Italien S 2.178,--, Tagesgebühr S 5.510,40 und Nächtigungsgebühr S 3.072,-- (acht Nächte a S 384,--).

Das Finanzamt anerkannte diese Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen, weil es sich hiebei um "Aufwendungen der Lebensführung" handle.

In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die Voraussetzungen des § 34 EStG lägen vor: Die Mehrzahl der Steuerpflichtigen müsse nicht nach Italien fahren, um das Kind aus der geschiedenen Ehe zu besuchen; es sei ihm nicht abzusprechen, dass es sich hiebei um eine Verpflichtung handle, die zwangsläufig erwachse und der man sich aus tatsächlichen und sittlichen Gründen nicht entziehen könne; die wesentliche Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei aus der Einkommensteuererklärung und der Beilage dazu ersichtlich.

In der Begründung der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die Kosten für die Besuche des in Italien bei der geschiedenen Frau lebenden Sohnes des Beschwerdeführers stellten keine außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 EStG dar, weil sie nicht zwangsläufig entstünden.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass es sich bei den gegenständlichen Kosten um außergewöhnliche Belastungen handle, denen er sich nur durch Negieren einer ihn treffenden sittlichen Verpflichtung entziehen könnte. Bei einer objektiven Betrachtungsweise erscheine die Übernahme der Kosten für die Besuche eines leiblichen Kindes nach dem Urteil billig und gerecht denkender Personen durch die Sittenordnung geboten zu sein.

Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer über Aufforderung der belangten Behörde den Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen gemäß § 55a Ehegesetz vom November 1991 vor.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Belastung müsse außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Der durch Z. 7 des Familienbesteuerungsgesetzes 1992 neu gefasste Abs. 7 des § 34 EStG 1988 umschreibe in Form einer erschöpfenden Aufzählung die Unterhaltslasten, die durch Steuerabsetzbeträge abgegolten seien. Darüber hinausgehende Unterhaltspflichten seien nach Z. 4 nur insoweit zu berücksichtigen, als beim Unterhaltsempfänger selbst die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Belastung vorlägen. Das System des Familienbesteuerungsgesetzes 1992 berücksichtige den Umstand, dass die getrennte Haushaltsführung der Elternteile, aber auch die Freizeitgestaltung im Vergleich zu einer gemeinsamen Haushaltsführung zusätzlichen Aufwand verursache. Dieser Tatsache werde durch die Regelung Rechnung getragen, dass bei getrennt lebenden Elternteilen sowohl ein Unterhalts- als auch Kinderabsetzbetrag Berücksichtigung finde. Für eine weitere Berücksichtigung von Aufwendungen, die sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergeben, fehle jedoch die Möglichkeit der Anerkennung als außergewöhnliche Belastung.

Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer freiwillig in die Lage begeben, keinen gemeinsamen Haushalt mit dem anderen Elternteil zu führen. Es wäre daher auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des § 34 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung mangels Zwangsläufigkeit zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer hält seinen im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt aufrecht und macht geltend, dass es sich in seinem Fall um eine Ausnahmesituation handle, die nicht damit abgetan werden könne, dass man behaupte, das System berücksichtige diesen Umstand durch Zuerkennung diverser Absetzbeträge. Der Beschwerdeführer habe sich auch nicht freiwillig in diese Lage begeben. Er sei mit der Wohnsitzverlegung seiner geschiedenen Frau keinesfalls einverstanden gewesen. Noch während aufrechter Ehe habe er die Zuerkennung der Obsorge für das Kind beantragt, weil die Mutter nach Italien habe übersiedeln wollen. Da jedoch die Mutter das Recht habe, den künftigen Wohnsitz zu bestimmen und Pflege und Erziehung der Mutter zugesprochen worden seien, habe sich der Beschwerdeführer entschieden, einer einvernehmlichen Scheidung zuzustimmen, um einigermaßen Kontakt zu Mutter und Kind zu halten. In anderem Fall habe er den faktischen Entzug des Besuchsrechtes befürchtet.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 EStG 1988 räumt dem unbeschränkt Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens nach der im § 2 Abs. 2 erster Satz vorgegebenen Reihung ein, wenn folgende, im Gesetz aufgezählte Voraussetzungen sämtlich und gleichzeitig erfüllt sind:

  1. 1. dem Steuerpflichtigen erwachsene Aufwendungen,
  2. 2. die Außergewöhnlichkeit dieser Aufwendungen,
  3. 3. die Zwangsläufigkeit derselben und
  4. 4. die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.

Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus und die Abgabenbehörde ist davon enthoben, zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht.

Im Beschwerdefall ist die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen strittig. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 34 Abs. 3 leg. cit.), wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Schon aus der Wortfolge "wenn er (der Steuerpflichtige) sich ihr . . . nicht entziehen kann" ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 leg. cit. ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, § 34 EStG 1988, Rz 33 ff, hier 35; Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Rz 1 zu § 34 Abs. 3 EStG 1988 und die dort zitierte hg. Judikatur). Nach der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1991, Zl. 89/14/0088, mit weiteren Nachweisen) vertretenen Auffassung können Aufwendungen, die sich als Folge einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz darstellen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG sein, weil sie in jedem Fall auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Eheteil aus freien Stücken entschlossen haben muss. Die vom Beschwerdeführer behauptete Vorgeschichte dieses Entschlusses (Zustimmung zur Scheidung im Einvernehmen wegen der Befürchtung der faktischen Behinderung des Besuchsrechtes) kann an seiner Freiwilligkeit nichts ändern. Die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Beschwerdeführer ist daher die Folge der von ihm freiwillig herbeigeführten Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz. Die damit verbundenen Kosten können daher schon aus diesem Grund von vornherein nicht als zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 angesehen werden.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Februar 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte