VwGH 98/15/0003

VwGH98/15/000327.4.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel sowie die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des JB in T, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in Baden, Kaiser-Franz-Joseph-Ring 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. November 1997, Zl. GA 7-1497/96, betreffend Haftung gemäß § 9 Abs 1 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §201;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §201;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid vom 30. Mai 1996 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs 1 iVm § 80 BAO als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der B GmbH in Höhe von insgesamt 164.625 S in Anspruch (bei den Abgabenschuldigkeiten handelte es sich u.a. um 150.419 S an Umsatzsteuer 1994 und 3.023 S an Dienstgeberbeitrag 1994). In der Bescheidbegründung verwies das Finanzamt darauf, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der B GmbH für die Abgabenentrichtung hätte Sorge tragen müssen.

In der Berufungsschrift machte der Beschwerdeführer geltend, er sei bereits mit 31. Mai 1995 (sohin neun Monate vor Konkurseröffnung über das Vermögen der B GmbH) als Geschäftsführer ausgeschieden. Die im Haftungsbetrag umfassten Abgaben seien erst im Zuge einer Prüfung bzw im Zuge von Nachschauen aufgedeckt worden. Auch bei ordnungsgemäßem Verhalten hätte er für deren Entrichtung nicht sorgen können, weil dem Beschwerdeführer das Bestehen dieser Forderungen, die erst nach seinem Ausscheiden "aufgetaucht" seien, völlig unbekannt gewesen sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. Juli 1996 gab das Finanzamt der Berufung keine Folge. In der Begründung ist zu lesen, als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt habe, sei - bei selbstzuberechnenden Abgaben - "zu beachten, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären". Zur haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer 1994 von 150.419 S sei auszuführen, dass sich dieser Nachforderungsbetrag auf Grund der Umsatzsteuererklärung 1994 der B GmbH "und der daraus resultierenden Tatsache ergibt, dass Umsatzsteuervorauszahlungen 1-12/1994 in der genannten Höhe nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet oder gemeldet wurden (§ 21 UStG)". Für die Hafungsinanspruchnahme genüge bereits leicht fahrlässiges Verhalten. Im Sinne dieser Ausführungen sei die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers erwiesen. Auch die Lohnabgaben wären zu einer Zeit zu entrichten gewesen, zu welcher der Beschwerdeführer noch als Geschäftsführer fungiert habe.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer zur Umsatzsteuer für das Jahr 1994 vor, er habe bereits in der Berufung darauf hingewiesen, dass ihm diese Abgabennachforderung nicht angelastet werden könne. Mit 1. Mai 1994 habe die 2-bit-C GmbH die gesamte Buchhaltung der Firma übernommen. Es sei somit im Lauf des Geschäftsjahres zu einem Wechsel in der Buchhaltung gekommen, wobei nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer auch die Fertigstellung der Bilanz 1994 erfolgt sei. Ende Juli 1995 habe der nachfolgende Geschäftsführer dem Beschwerdeführer gegenüber den Verdacht geäußert, der Beschwerdeführer hätte im November und Dezember 1994 unerlaubte und undokumentierte Entnahmen aus der Firma getätigt. Er habe deshalb noch einmal genau die Buchhaltung dieser Monate durchgesehen und feststellen müssen, dass einige Eingangsrechnungen doppelt verbucht gewesen seien. Er habe feststellen können, dass es sich dabei um Eingabefehler eines Mitarbeiters der 2-bit-C GmbH gehandelt habe. Nach seinen Informationen sei dieser Fehler in weiterer Folge korrigiert und die Bilanz berichtigt worden. Diese Doppelbuchungen seien dem Beschwerdeführer nicht aufgefallen und es treffe ihn daran kein Verschulden. Er habe eine normale Kontrollrechnung durchgeführt, "sie hat damals aber keine Fehler zutage gebracht, noch dazu, wo grundsätzlich große Verschiebungen in den einzelnen Monaten vorhanden waren, die durch größere Einkäufe in den Vormonaten und spätere Rechnungslegungen entstanden". Außerdem hätte die Möglichkeit der Bezahlung dieser Abgaben durch die B GmbH bzw durch deren Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden bestanden. Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer bekannt, dass seitens des Finanzamtes Einrichtungsgegenstände und Geräte der Gemeinschuldnerin gepfändet worden seien. Diese Gegenstände seien dem Finanzamt "abgelöst" worden, wobei dies offensichtlich nicht auf die ältesten Abgabenforderungen angerechnet worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit statt, als die Haftung auf 148.652 S eingeschränkt wurde. Unbestritten sei - so die belangte Behörde in ihrer Begründung -, dass dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer bis zum 31. Mai 1995 die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der B GmbH oblegen sei. Dem Einwand, dass dem Beschwerdeführer das Bestehen der strittigen Abgabenforderungen unbekannt gewesen sei und diese erst nach seinem Ausscheiden aufgetaucht seien, sei zu entgegnen, dass es auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe nicht ankomme. Bei diesen Abgaben bestimme sich der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen sei, ob der Geschäftsführer seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachgekommen sei, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Dies sei hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages 1994 der 16. Jänner 1995 und hinsichtlich der Umsatzsteuer 1994 der 15. Februar 1995 gewesen. Unter Berücksichtigung der Überweisung der Konkursquote von 3,14 % hafte die Umsatzsteuer 1994 nur mehr mit einem Betrag von 145.629 S aus, sodass insoweit der Berufung Folge zu geben gewesen sei. Beim Einwand, der Erlös aus den gepfändeten Gegenständen sei offensichtlich nicht auf die ältesten Abgabenforderungen angerechnet worden, werde übersehen, dass gemäß § 214 Abs. 1 BAO an die Stelle des Fälligkeitstages der davon abweichende "zuletzt maßgebliche gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungstermin zu treten hat". Der Erlös aus der Verwertung der gepfändeten Gegenstände in Höhe von 25.000 S sei somit gemäß § 214 Abs 1 BAO auf die am 15. November 1995 fällige Umsatzsteuer 9/1995 in Höhe von 61.629 S zu verrechnen gewesen.

In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, nicht als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 BAO in Anspruch genommen zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln des Vertretenen entrichtet werden. Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1997, 96/15/0269).

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid zwar grundsätzlich ebenfalls zutreffend von diesem maßgebenden Zeitpunkt für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen bei Selbstbemessungsabgaben aus, geht aber mit keinem Wort auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Antrag auf Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein, in dem dieser in Beantwortung der Begründung der Berufungsvorentscheidung zum nachträglichen (nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer) Hervorkommen unrichtiger Umsatzsteuerberechnungen im Jahr 1994 auf - damals - ohne sein Verschulden unentdeckt gebliebene Fehlbuchungen eines Mitarbeiters der die Buchhaltung führenden Gesellschaft hinwies. Dieses auch durch nähere Angaben über die Fehlerquellen und vom Beschwerdeführer durchgeführte Kontrollen konkretisierte Vorbringen war nicht in einer Weise aussichtslos, dass die belangte Behörde nicht gehalten gewesen wäre, sich damit in einer Weise auseinander zu setzen, die erkennen lässt, worin entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Beschwerdeführers zu sehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1999, 98/13/0144).

Berechtigt ist weiters die in der Beschwerde vorgetragene Rüge, die belangte Behörde hätte sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Verrechnung der Verwertungserlöse aus den "Absonderungsrechten" nicht hinreichend beschäftigt, schon deshalb, weil der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbare Darstellung der im Sinne des § 214 Abs. 1 BAO maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkte oder abweichenden Zahlungstermine enthält.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt nach § 42 Abs 2 Z 3 VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf die Frage, ob das Beschwerdevorbringen hinsichtlich des Vorhandenseins eines "Mitgeschäftsführers" dem Neuerungsverbot unterläge oder die Haftungsinanspruchnahme bei mehreren möglichen Haftungspflichtigen hinsichtlich des Ermessens nicht begründet worden sei (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. August 1996, 92/17/0186), war dabei nicht mehr weiter einzugehen. Soweit die Beschwerde die fehlende "Entscheidung durch den Senat" rügt, ist schließlich darauf aufmerksam zu machen, dass für Haftungsbescheide nach § 260 Abs. 2 BAO keine Zuständigkeit des Berufungssenates gegeben ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die mit 4.500 S anstelle richtig 2.500 S zu hoch verzeichnete Pauschalgebühr.

Wien, am 27. April 2000

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