VwGH 98/13/0073

VwGH98/13/007317.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des NK in W, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien I, Biberstraße 15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Februar 1998, Zl. GA 7 - 684/97, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212a;
BAO §236 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
BAO §212a;
BAO §236 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Nachsichtsansuchen vom 28. Februar 1996 führte der Beschwerdeführer aus, mit Lastschriftanzeige vom 31. Jänner 1996 sei die Aussetzung für Einkommensteuer 1979 und 1980 nach "einem Erkenntnis des VwGH" zurückgenommen und Einkommensteuer in Höhe von 945.270 S angelastet worden. Gleichzeitig seien Aussetzungszinsen in Höhe von 737.125 S vorgeschrieben worden. Die "Nachsteuer" sei wegen einer unterschiedlichen Auslegung über den Zeitpunkt der Verausgabung von Hausaufwendungen in einer Hausgemeinschaft entstanden. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über die nötigen Mittel, um die Steuern und die Aussetzungszinsen zu bezahlen. Dies vor allem deshalb, weil er an die an der Hausgemeinschaft beteiligte Hausverwaltung T.

Architektenleistungen im Wert von ca. 5 Mio. S erbracht, für diese auch die Kosten getragen und durch den Konkurs dieser Hausverwaltung die Honorarforderung verloren habe. Auch habe er von der Hausverwaltung T. die nicht anerkannten Werbungskosten nicht ersetzt erhalten, weil das "VwGH-Erkenntnis" erst nach Konkurseröffnung ergangen sei. Die für eine Nachsicht nach § 236 BAO notwendige Unbilligkeit der Einhebung sei gegeben, weil der Beschwerdeführer durch diese Ereignisse, welche er nicht zu vertreten habe - Konkurs des Hausverwalters -, vermögensmäßig derart geschädigt worden sei, dass eine Bezahlung der Abgabenschuld und der Aussetzungszinsen zur Existenzgefährdung führen würde. Eine sachliche Unbilligkeit sei darin zu sehen, dass dem Beschwerdeführer von der Hausverwaltung T. mehrmals mitgeteilt worden sei, an der Anerkennung der Verausgabung durch die Behörde bestünden keine Zweifel. Im Vertrauen auf diese unrichtige Rechtsauskunft habe der Beschwerdeführer auch um Aussetzung der Abgaben ersucht. Durch den Konkurs der Hausverwaltung T. seien auch keine Regressansprüche möglich. Auf Grund dieses Sachverhaltes mögen die Einkommensteuer 1979 (480.770 S), die Einkommensteuer 1980 (464.500 S) und die Aussetzungszinsen 1996 (737.125 S) nachgesehen werden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Ansuchen auf Abgabennachsicht keine Folge gegeben. Der Nachsichtswerber habe einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden könne. Bei der anlässlich der Einbringung des Nachsichtsansuchens am 5. März 1996 durchgeführten Erhebung über die wirtschaftlichen Verhältnisse habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er vom Ertrag aus der Vermietung eines Stockwerkes seines Hauses, für das er monatlich 18.000 S an Betriebskosten bezahlen müsse, in Höhe von 50.000 S im Monat lebe, weil er als Architekt auf Grund der schlechten Auftragslage kein Einkommen beziehe. An Vermögenswerten seien neben dem Grundvermögen eine Forderung an die T.-Immobilien in Höhe von rd. 5 Mio. S und zwei Kfz genannt worden. Außer den Schulden beim Finanzamt hätten keine Verbindlichkeiten bestanden. Entgegen diesen Angaben habe der Beschwerdeführer aber laut den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen in dieser Zeit erhebliche Umsätze erzielt (Februar 1996 rd. 600.000 S, März 1996 rd. 2,9 Mio. S und April 1996 rd. 1,8 Mio. S). Der Beschwerdeführer besitze außerdem einen Geschäftsanteil an einer Ziviltechniker-GmbH. Die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit seien zuletzt für 1995 mit rd. 1,5 Mio. S festgesetzt worden. Weiters seien im Rahmen einer Betriebsprüfung für 1995 Entnahmen in Höhe von rd. 8,5 Mio. S und ein Betriebsvermögen zum 31. Dezember in Höhe von rd. 7,6 Mio. S festgestellt worden. Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers und der Aktenlage könne keineswegs gesagt werden, dass die Einhebung der im Nachsichtsansuchen angesprochenen Abgaben die Existenz des Beschwerdeführers gefährden würde (auch hafteten von diesen Abgaben laut Rückstandsausweis vom 3. Februar 1998 nur mehr die Aussetzungszinsen mit einem Betrag von 425.801 S aus). Forderungsausfälle als Folge eines Insolvenzverfahrens (Hinweis des Beschwerdeführers auf die Forderungsausfälle infolge des Konkurses der Hausverwaltung T.) könnten für sich allein ebenfalls nicht die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung rechtfertigen. Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung einer sachlichen Unbilligkeit einwende, dass tatsächlich getätigte Ausgaben steuerlich überhaupt nicht berücksichtigt worden seien, sei darauf hinzuweisen, dass der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO nicht auf die Vorschreibung, sondern auf die Einhebung abstelle. Auf die Behauptung inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides könne ein Nachsichtsansuchen nicht mit Erfolg gestützt werden. Es sei grundsätzlich nicht Zweck des § 236 BAO, einen Abgabenbescheid in einem weiteren Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, es sei denn, die zweckentsprechende Rechtsverfolgung wäre - was jedoch nicht behauptet worden sei - ausnahmsweise unverschuldetermaßen nicht möglich gewesen. Dies gelte auch für den Einwand, dass die Zahlung von Aussetzungszinsen für Steuern, welche bei Ansatz der Werbungskosten im richtigen Jahr überhaupt nicht entstanden wären, dem Grundsatz der Billigkeit widerspreche. Auch eine behauptete Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führe nicht dazu, die Einhebung von Abgaben unbillig erscheinen zu lassen. Es wäre schließlich durchaus in der Ingerenz des Beschwerdeführers gelegen gewesen, das Entstehen von Aussetzungszinsen in beträchtlicher Höhe durch Entrichtung der ausgesetzten Abgaben zu verhindern. Aus der lt. Vorbringen des Beschwerdeführers verzögerten Bearbeitung der Behörde bezüglich der Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung könne damit ebenfalls keine Unbilligkeit iS des § 236 BAO abgeleitet werden. Im Übrigen stünden den Aussetzungszinsen infolge der erst wesentlich späteren Entrichtung der ausgesetzten Abgaben auch Zinserträge bzw. bei Fremdfinanzierung Zinsersparnisse bei Kreditinstituten gegenüber.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde - wie im Beschwerdefall - die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Soweit daher in der vorliegenden Beschwerde auch Ausführungen "zur Ermessensübung" enthalten sind, gehen diese schon deshalb ins Leere.

Die in § 236 Abs. 1 BAO bezogene Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des "Nahrungsstandes" (bei natürlichen Personen), besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Sachlich bedingte Unbilligkeit hingegen ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 2000, 95/15/0031, mwN).

Das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Hinblick auf die festgestellten Einkünfte des Beschwerdeführers aus selbstständiger Arbeit und die insgesamt auch keineswegs angespannte finanzielle Lage des Beschwerdeführers verneint. Die Beschwerde tritt diesen Ausführungen nicht entgegen, sondern verweist nur neuerlich auf einen Forderungsausfall in Höhe von 5 Mio. S gegenüber der Hausverwaltung T. sowie eine mangelnde Vorsorgemöglichkeit zur Abgabenentrichtung. Damit wird aber nicht gesagt, dass dem Beschwerdeführer die in Rede stehende Entrichtung der Abgabenschulden bei seiner Einkommens- und Vermögenslage in besondere finanzielle Schwierigkeiten oder Notlagen gebracht hätte. Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, es könne ihm nicht zugemutet werden, dass er zur Berichtigung der Abgabenschuld "Geschäftsanteile verkauft bzw. nötigenfalls verschleudert", wird dadurch nicht konkretisiert, dass ein derartiger Verkauf bzw. "Verschleuderung" tatsächlich gedroht hätte.

Zur sachlichen Unbilligkeit räumt der Beschwerdeführer ein, dass Forderungsausfälle als Folge eines Insolvenzverfahrens (durch den Konkurs der Hausverwaltung T.) für sich allein noch nicht die Annahme der Unbilligkeit rechtfertigten. Im Beschwerdefall komme aber hinzu, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer falschen Beratung der Hausverwaltung T. die gegenständlichen Beträge im falschen Veranlagungsjahr geltend gemacht habe. Diese Vorgangsweise sei ihm von der Hausverwaltung mehrmals bestätigt worden. Weiters habe die Hausverwaltung T. den Beschwerdeführer von dem für den Beschwerdeführer negativen Einkommensteuernachforderungsbescheid aus unerklärlichen Gründen nicht informiert. Deshalb habe der Beschwerdeführer kein außerordentliches Rechtsmittel gegen "diesen negativen Bescheid" ergreifen können.

Mit diesem Vorbringen, das auf das Vorliegen einer unverschuldet unterbliebenen Rechtsverfolgung hinzielt, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Dass der Beschwerdeführer etwa infolge einer unrichtigen Rechtsauskunft des Finanzamtes seiner Ansicht nach unrichtige Steuererklärungen abgegeben oder Rechtsmittel unterlassen hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Falsche Beratungstätigkeiten eines Dritten (lt. Beschwerdeführer der Hausverwaltung T.) gehören zum allgemeinen Risiko des Steuerpflichtigen und können nicht im Wege einer Unbilligkeit nach § 236 BAO zu Lasten des Abgabengläubigers fallen.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es habe sich auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die der Vorgangsweise des Beschwerdeführers zu Grunde gelegen sei, im Jahr 1989 geändert, ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein Abgehen des Verwaltungsgerichtshofes von einer bestehenden Rechtsprechung keine unbillige Härte des Einzelfalles, sondern vielmehr eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage darstellt (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom 18. Februar 1991, 91/15/0008, vom 24. Februar 1992, 91/15/0105, und vom 23. Februar 1998, 97/17/0400). Die Nachsicht dient auch nicht dazu, Unrichtigkeiten von Abgabenfestsetzungen zu beseitigen oder unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1998, 96/15/0067). Abgesehen davon wird vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht näher ausgeführt, worin die Rechtsprechungsänderung des Verwaltungsgerichtshofes konkret gelegen sein soll, die ihn zu entsprechenden "irreversiblen Dispositionen" veranlasst habe.

Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen in Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst werden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. die Erkenntnisse vom 24. Februar 1998, 97/13/0237, und vom 20. Jänner 2000, 95/15/0031). Warum es laut Beschwerde nicht in der Ingerenz des Beschwerdeführers gelegen gewesen sein sollte, das Entstehen der Aussetzungszinsen in beträchtlicher Höhe durch Entrichtung der ausgesetzten Abgaben zu verhindern, ist nicht erkennbar. Mit dem Hinweis auf die "Zurücknahme" der Aussetzung und Vorschreibung der Aussetzungszinsen "aus Verschulden der Abgabenbehörde erst im Jahr 1996" wird auch nicht dargetan, warum es dem Beschwerdeführer deshalb nicht möglich gewesen sein sollte, die unbestritten auf Antrag des Beschwerdeführers ausgesetzten Abgabenschulden früher zu entrichten. Nicht zu Unrecht weist die belangte Behörde im Übrigen auf den Aspekt des Zinsengewinns durch den Zahlungsaufschub hin. Mit den aufgezeigten Ingerenzmöglichkeiten des Beschwerdeführers auf das Entstehen der Aussetzungszinsen unterscheidet sich der Beschwerdefall auch wesentlich von dem in der Beschwerde angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1995, 95/13/0049, in dem die Vorschreibung eines Säumniszuschlages infolge verspäteter Umbuchung ausschließlich auf der Einflusssphäre des Abgabepflichtigen entzogenen Handlungsweisen des Finanzamtes beruhte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

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