VwGH 98/13/0018

VwGH98/13/001822.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des MS in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 26. September 1995, Zl. 16-94/3411/07, betreffend Einkommensteuer 1987 bis 1993, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §46 Abs1;
EStG 1988 §46 Abs1 idF 1993/818;
SteuerreformG 1993;
EStG 1972 §46 Abs1;
EStG 1988 §46 Abs1 idF 1993/818;
SteuerreformG 1993;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Ergänzung und der Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat einen Wohnsitz sowohl in Deutschland als auch in Österreich und war in Österreich gemäß § 1 Abs. 1 EStG 1972 und gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in den Streitjahren demnach unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wobei im Sinne des Art. 16 DBA-BRD sein in Deutschland gelegener Wohnsitz maßgebend war. Der Beschwerdeführer erzielte in den Streitjahren in Österreich u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei denen in Österreich ein Abzug der Kapitalertragsteuer vorgenommen wurde, wobei das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß Art. 11 DBA-BRD jedoch Deutschland zugewiesen war.

Dem vom Beschwerdeführer gestellten Begehren auf Anrechnung der im Abzugsweg einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf seine österreichische Einkommensteuerschuld wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid im Instanzenzug mit der Begründung nicht entsprochen, daß im Geltungsbereich sowohl des Einkommensteuergesetzes 1972 als auch des Einkommensteuergesetzes 1988 trotz unterschiedlichen Wortlautes der maßgebenden Bestimmungen nur jene Steuerabzugsbeträge auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen seien, die auf Einkünfte entfielen, welche für die Ermittlung dieser Einkommensteuerschuld herangezogen worden seien, für welchen Standpunkt sich die belangte Behörde auf ihrer Auffassung nach im Schrifttum (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar III C, Tz 4 zu § 46 EStG 1972 ebenso wie EStG 1988, sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 3.4 zu § 46 EStG 1988) vertretene Standpunkte berief. Eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer, die auf Einkünfte entfallen sei, die in Österreich nicht veranlagt und damit nicht für die Ermittlung der österreichischen Einkommensteuerschuld herangezogen worden seien, komme nicht in Betracht.

In der gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, deren Behandlung dieser mit seinem Beschluß vom 10. Oktober 1997, B 3482/95, abgelehnt und sie mit Beschluß vom 12. Jänner 1998 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat, wird nach ihrer Ergänzung gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof vom Beschwerdeführer geltend gemacht, daß die von der belangten Behörde gefundene Gesetzesauslegung mit dem Wortlaut der Bestimmungen der §§ 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 und § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 in dessen Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818/1993, nicht vereinbar sei. Bei der Änderung des Wortlautes der Bestimmung des § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, habe es sich tatsächlich nicht um eine Klarstellung, sondern um eine Änderung der Rechtslage gehandelt. Die von der belangten Behörde herangezogenen Belegstellen aus dem Schrifttum ließen bei Einbeziehung des Umfeldes der dort getroffenen Aussagen den von der belangten Behörde gesehenen Standpunkt gar nicht als vertreten erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 EStG 1972 in seiner für die Streitjahre 1987 und 1988 maßgebenden Fassung werden auf die Einkommensteuerschuld angerechnet:

1. Die für den Veranlagungszeitraum festgesetzte Vorauszahlung,

2. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen, mit Ausnahme jener Steuerbeträge, die von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die gemäß § 41 Abs. 4 bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, entrichtet worden sind. Ist ein Jahresausgleich (§ 72) durchzuführen, so tritt an die Stelle der durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge die auf Grund des durchgeführten Jahresausgleiches festgesetzte Lohnsteuer. Lohnsteuer, die im Haftungswege (§ 82 Abs. 1) beim Arbeitgeber nachgefordert wurde, ist nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde.

Gemäß § 46 Abs. 1 EStG 1988 in seiner für die Streitjahre 1989 bis 1993 geltenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, werden auf die Einkommensteuerschuld angerechnet:

  1. 1. Die für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Vorauszahlungen,
  2. 2. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. Bei einem Lohnsteuerpflichtigen sind jedoch nicht anzurechnen:
    • Jene Steuerbeträge, die von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die gemäß § 41 Abs. 4 bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, entrichtet worden sind, sowie
    • die einbehaltene Kapitalertragsteuer, soweit die kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünfte unter den Veranlagungsfreibetrag des § 41 Abs. 3 fallen. Eine Anrechnung ist aber insoweit vorzunehmen, als ohne Anwendung des Freibetrages keine oder eine geringere Einkommensteuer zu erheben wäre.

      Kapitalertragsteuer ist nicht anzurechnen, soweit sie auf Einkünfte entfällt, die gemäß § 39 Abs. 1 letzter Satz bei der Veranlagung außer Ansatz bleiben.

      Ist ein Jahresausgleich (§ 72) durchzuführen, so tritt an die Stelle der durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge die auf Grund des durchgeführten Jahresausgleichs festgesetzte Lohnsteuer. Lohnsteuer, die im Haftungweg (§ 82) beim Arbeitgeber nachgefordert wurde, ist nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde.

      Mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, wurde der erste Satz des § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 dahin abgeändert, daß er lautet:

      2. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen.

      Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, wenn er darauf hinweist, daß die in den für die Streitjahre maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen normierten Bedingungen einer Ausnahme vom Anrechnungsgebot die im Beschwerdefall vorliegende Fallkonstellation ebensowenig erfassen wie die in den bezogenen Schrifttumsstellen erwähnten Fälle. Für den Standpunkt der Beschwerde ist daraus aber deswegen nichts gewonnen, weil eine Auslegung der Bestimmungen des § 46 Abs. 1 Z. 2 der Einkommensteuergesetze in ihrer für den Streitzeitraum maßgebenden Fassung nach dem vom Gesetzgeber mit den betroffenen Regelungen verfolgten Zweck die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des Begriffes der Einkommensteuerschuld in den genannten Vorschriften in einer Weise als zutreffend ausweist, welche die textliche Änderung des ersten Satzes des § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, tatsächlich als bloße Klarstellung und nicht als Änderung der Rechtslage erkennen läßt.

      Betrachtet man die Vorschrift des § 46 der Einkommensteuergesetze nach ihrer Überschreibung mit dem Terminus "Abschlußzahlungen", nach ihrer Einbettung in den mit "Veranlagung" überschriebenen 4. Teil des Gesetzes und nach ihrem Regelungsinhalt, dann wird deutlich, daß Regelungszweck dieser Vorschrift die Bestimmung jenes Betrages ist, den der Einkommensteuerpflichtige im Ergebnis seiner Veranlagung zur Einkommensteuer auf die aus dieser Veranlagung entstandene Abgabenschuld noch zu entrichten hat. Dementsprechend sieht die genannte Bestimmung auch die Anrechnung solcher Beträge auf die Einkommensteuerschuld vor, mit denen diese Einkommensteuerschuld, sei es im Wege festgesetzter Vorauszahlungen (Z. 1) oder sei es eben im Wege der Einbehaltung durch Steuerabzug (Z. 2) vom Abgabepflichtigen oder für ihn schon vor ihrer bescheidmäßigen Festsetzung partiell zu tilgen war. Die Ausnahmefälle von der Anrechnungsvorschrift betreffen demgemäß auch solche Steuerbeträge, die bei der auf dem Veranlagungswege festzusetzenden Einkommensteuerschuld nicht zu berücksichtigen waren. Unter Einkommensteuerschuld im Sinne des § 46 der Einkommensteuergesetze in der hier maßgebenden Fassung war damit von jeher nur jene Schuld zu verstehen, die als Einkommensteuer im Ergebnis der zu veranlagenden Einkünfte resultierte. In Österreich nicht zu veranlagende Einkünfte konnten zu einer Einkommensteuerschuld im Sinne des § 46 Abs. 1 der Einkommensteuergesetze nicht führen. Durch Abzug von Kapitalertragsteuer trotzdem geleistete Vorauszahlungen auf eine dem österreichischen Abgabengläubiger gegenüber nicht bestehende Schuld entziehen sich daher mangels Bestehens der Einkommensteuerschuld in diesem Umfang auch einem Abzug. Zutreffend wird im Schrifttum an anderer Stelle (Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 7 zu § 46 EStG 1972, sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 3.1 zu § 46 EStG 1988) daher die Auffassung geäußert, daß eine Anrechnung der durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge nur insoweit in Betracht kommt, als die Abzugssteuern eine Vorentrichtung der Einkommensteuer darstellen. Der im Beschwerdefall vorgenommene Steuerabzug aber konnte eine solche Vorentrichtung der Einkommensteuer nicht darstellen, weil der Beschwerdeführer dem österreichischen Abgabengläubiger für die betroffenen Einkünfte Einkommensteuer nicht geschuldet hat.

      Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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