VwGH 98/11/0303

VwGH98/11/030311.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in 7304 Nebersdorf, Lange Gasse 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Oktober 1998, Zl. MA 65-8/354/98, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §26 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z4;
FSG 1997 §26 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 29. Mai 1998 teilte die Bezirkshauptmannschaft Mödling der Bundespolizeidirektion Wien mit, die Beschwerdeführerin sei wegen eines schweren Verstoßes gegen die Verkehrsvorschriften rechtskräftig bestraft worden. Es habe sich um eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 gehandelt, weshalb gemäß § 64a Abs. 3 lit. a KFG ein schwerer Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften vorliege.

Mit Bescheid vom 26. Juni 1998 entzog die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG der Beschwerdeführerin die am 21. Mai 1969 für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung. Gemäß § 26 Abs. 3 FSG wurde verfügt, dass die Lenkberechtigung für die Zeit von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, vorübergehend entzogen werde. Überdies wurde verfügt, die Beschwerdeführerin habe gemäß § 29 Abs. 3 FSG 1997 ihren Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung des Bescheides abzugeben. Einer eventuellen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe am 8. April 1996 gegen 21.05 Uhr auf der Bundesstraße 12 A in Brunn am Gebirge als Lenkerin eines näher genannten Pkw die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten.

Die dagegen erhobene Berufung, in der die Beschwerdeführerin vorbrachte, seit dem Tatzeitpunkt seien mehr als zwei Jahre vergangen, sie habe sich seit diesem Zeitpunkt wohlverhalten, wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 6. Oktober 1998 abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Auch der Landeshauptmann von Wien nahm es als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin am 8. April 1996 um 21.05 Uhr im Ortsgebiet von Brunn am Gebirge auf der B 12 als Lenkerin eines näher genannten Pkw die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 45 km/h überschritten hatte. Die Geschwindigkeitsmessung sei durch ein geeichtes Lasergerät erfolgt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 27. März 1997 nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 bestraft worden. Dieses Straferkenntnis sei mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (vom 27. April 1998) bestätigt worden und somit rechtskräftig. Im Hinblick auf die zwingende gesetzliche Bestimmung des § 26 Abs. 3 FSG, wonach bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG, sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die Entziehungszeit mit zwei Wochen festgesetzt ist, stehe der Behörde auch kein Ermessensspielraum hinsichtlich der Dauer zu Gebote.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten:

"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;

...

§ 26.

...

(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 vorliegt - hat die Entziehungsdauer zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen betragen.

..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt ein Delikt im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG jedenfalls dann nicht mehr die Entziehung der Lenkberechtigung der betreffenden Person, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen und die betreffende Person in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0227, sowie vom 27. Juni 2000, Zl. 99/11/0384). Auf der Grundlage dieser Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Das Entziehungsverfahren wurde im vorliegenden Fall erst nach der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 29. Mai 1998, somit mehr als zwei Jahre nach der Begehung der Verwaltungsübertretung, eingeleitet. Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin seit diesem Zeitpunkt im Straßenverkehr nachteilig in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten sei, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Die auf § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG gestützte Entziehung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin war daher rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war wegen § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juli 2000

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