VwGH 98/11/0109

VwGH98/11/010917.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien VI, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Februar 1998, Zl. RU6-St-R-9716, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer kraftfahrrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
AVG §71 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Krems a.d. Donau vom 11. Jänner 1996 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, binnen zwei Wochen Auskunft zu erteilen, wer ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug am 3. Dezember 1995 auf einer konkret beschriebenen Straßenstelle gelenkt habe.

Diese Aufforderung wurde nach vergeblichen Zustellversuchen am

16. und 17. Jänner 1996 am 17. Jänner 1996 postamtlich hinterlegt. Beginn der Abholfrist war der 18. Jänner 1996. Nach Ablauf der Abholfrist wurde die Sendung an die Behörde zurückgesandt.

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Währing) vom 14. März 1996 wurde über die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 eine Geldstrafe verhängt, weil sie der Aufforderung vom 11. Jänner 1996, zugestellt am 18. Jänner 1996, innerhalb von zwei Wochen nicht nachgekommen sei.

In dem dagegen erhobenen Einspruch vom 4. April 1996 wendete die Beschwerdeführerin (vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter) ein, der Tatort sei nicht entsprechend konkretisiert und die Strafe zu hoch bemessen.

Nach Ladung erschien der Vertreter der Beschwerdeführerin am 10. Mai 1996 bei der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Währing) und gab nach Vorhalt der Anzeige und des Inhaltes der bisherigen Ermittlungsergebnisse an, binnen drei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.

In der Stellungnahme vom 31. Mai 1996 gab die Beschwerdeführerin an, das Aufforderungsschreiben vom 11. Jänner 1996 sei ihr nie rechtswirksam zugegangen, allerdings könne sie derzeit die Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges nicht überprüfen, da sie anhand des Aktes Zeitpunkt und Art der Zustellung nicht feststellen könne. Erst mit der Akteneinsicht sei ihr das Schreiben vom 11. Jänner 1996 zur Kenntnis gelangt, weshalb sie nunmehr fristgerecht die Auskunft erteile, daß sie zum damaligen Zeitpunkt am angegebenen Ort das Fahrzeug gelenkt habe.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Währung) vom 15. Juli 1996 wurde die Beschwerdeführerin wegen der in der Strafverfügung genannten Übertretung bestraft.

In der dagegen erhobenen Berufung behauptete die Beschwerdeführerin u.a., keine Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe erhalten und die Auskunft mittlerweile erteilt zu haben.

Mit Schreiben vom 6. August 1996 teilte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien der Beschwerdeführerin aufgrund des im Akt erliegenden Rückscheines die Daten der Zustellversuche und der Hinterlegung mit und ersuchte sie um Bekanntgabe, ob sie im Zeitpunkt des ersten Zustellversuches vom 16. Jänner 1996 ortsanwesend gewesen sei.

Mit dem am 22. August 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erteilung der Lenkerauskunft aufgrund der Aufforderung vom 11. Jänner 1996. Darin wurde ausgeführt, erst mit dem am 8. August 1996 erfolgten Eingang des Schreibens des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. August 1998 habe die Beschwerdeführerin von der Hinterlegung Kenntnis erlangt. Sie habe weder die Ankündigung des zweiten Zustellversuches noch die Hinterlegungsanzeige zu Gesicht bekommen, könne aber die Gründe dafür nicht nennen. Entweder sei die Hinterlegung nicht gesetzmäßig durchgeführt worden, was sie allerdings nicht 100 %ig wisse, oder es liege ein minderer Grad des Versehens insofern vor, als sie in der Fülle der Postzustellungen die Hinterlegungsanzeige übersehen habe. Im Hinblick auf den durch ihren Geburtstag (17. Jänner) bewirkten starken Postanfall und die umfangreiche Reklamepost habe es geschehen können, daß sie die Hinterlegungsanzeige übersehen habe. Sie überprüfe sehr sorgfältig Postzustellungen, nicht zuletzt deshalb, weil sie als Kanzleileiterin bei einem Rechtsanwalt beruflich dazu verpflichtet und daran gewöhnt sei. Das Hindernis zur Abgabe der Lenkerauskunft sei am 8. August 1998 weggefallen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems a.d. Donau vom 24. September 1996 wurde der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet eingebracht zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdevertreter habe am 10. Mai 1996 bestätigt, daß ihm der Inhalt der Anzeige und des bisherigen Ermittlungsergebnisses vorgehalten worden sei. Ihm sei somit das Vorhandensein der Lenkererhebung inklusive Rückschein bekannt gewesen. Die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag sei im Zeitpunkt der Antragstellung bereits verstrichen gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, "die Rückscheine" seien ihrem Vertreter am 10. Mai 1996 nicht vorgehalten worden, weshalb er in seiner Äußerung vom 31. Mai 1996 ausgeführt habe, er könne die Gesetzmäßigkeit des Zustellvorganges anhand des Behördenaktes nicht feststellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides vertrat sie die Auffassung, seit 10. Mai 1996, als dem Beschwerdevertreter der Inhalt der bisherigen Ermittlungsergebnisse vorgehalten worden sei, sei der Beschwerdeführerin das Vorhandensein der Lenkererhebung mit allen im Akt befindlichen Rückscheinen bekannt gewesen. Dem Argument, daß dem Beschwerdevertreter zwar die Ermittlungsergebnisse, nicht aber die Rückscheine vorgehalten worden seien, müsse widersprochen werden, zumal einer Durchschnittsperson - umso mehr einem rechtskundigen Vertreter - zugemutet werden könne, einen vorgelegten Verwaltungsakt nicht nur in groben Zügen, sondern auch im Detail durchzulesen. Der am 22. August 1996 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei daher verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Auf die im Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen stehende Frage, ob dem Beschwerdevertreter am 10. Mai 1996 der Rückschein betreffend die am 17. Jänner 1996 erfolgte Hinterlegung vorgehalten wurde und ob sich dieser im Akt befunden hat, braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil der Beschwerdeführerin jedenfalls aufgrund des Inhaltes der Strafverfügung vom 14. März 1996, die sie unbestrittenermaßen erhalten hat, bekannt wurde, daß die Behörde davon ausgeht, daß am 18. Jänner die Zustellung der Aufforderung erfolgt ist. Dieses Datum ist unter Berücksichtigung der Regelung des § 17 Abs. 3 dritter Satz Zustellgesetz, wonach hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, richtig. Da die Beschwerdeführerin - wie der Inhalt ihres Einspruches gegen die Strafverfügung und auch ihre weiteren Schriftsätze zeigen - keinerlei konkrete Anhaltspunkte für die Annahme hatte, die Zustellung sei gesetzwidrig erfolgt, wäre es an ihr gelegen gewesen, bei Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes innerhalb von zwei Wochen ab Erhalt der Strafverfügung die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erteilung der Lenkerauskunft zu begehren. Die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages beginnt in einem Fall wie dem vorliegenden mit der Kenntnis von der behördlichen Annahme betreffend die erfolgte Zustellung und nicht erst mit der Kenntnis vom Inhalt eines Rückscheines, zumal auch der Inhalt eines Rückscheines keine Gewähr dafür bietet, daß die Zustellung durch Hinterlegung - z.B. gegenüber einem Ortsabwesenden - gesetzmäßig erfolgt ist. Warum erst der Erhalt des Schreibens des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien den Wegfall des Hindernisses im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG bewirkt haben soll, ist aufgrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar, zumal sie auch im Wiedereinsetzungsantrag primär die nicht gesetzmäßige Durchführung der Hinterlegung behauptet, jedoch einräumt, dies "nicht 100 %ig" zu wissen.

Da sich nach dem Gesagten der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet erweist, hat ihn die belangte Behörde mit Recht zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Die Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte deshalb, weil die Verwaltungsakten nicht in diesem Beschwerdeverfahren, sondern im hg. Verfahren Zl. 97/02/0487 vorgelegt wurden.

Wien, am 17. Dezember 1998

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