Normen
AVG §59 Abs1
AVG §8
B-VG Art131 Abs2
KAG Wr 1987 §4
KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita
KAG Wr 1987 §4 Abs6
KAG Wr 1987 §7
KAG Wr 1987 §7 Abs1
KAG Wr 1987 §7 Abs2
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1999:1998110085.X00
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres
Inhaltes aufgehoben. Das Kostenbegehren der beschwerdeführenden
Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 24. April 1987 erteilte die belangte Behörde der
mitbeteiligten Partei gemäß § 4 des Wiener
Krankenanstaltengesetzes 1987 - Wr. KAG die Bewilligung zur
Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines
selbständigen Ambulatoriums für medizinische Labordiagnostik an
einem näher bezeichneten Standort im 5. Wiener Gemeindebezirk nach
Maßgabe des betreffenden Planes und der Bau- und
Betriebsbeschreibung. Die Betriebsbewilligung wurde mit Bescheid
der belangten Behörde vom 28. August 1987 erteilt.
Mit Eingabe vom 11. August 1997 begehrte die mitbeteiligte
Partei die Änderung des bestehenden Ambulatoriums durch Errichtung
einer funktionell und organisatorisch mit diesem verbundenen
Außenstelle an einem näher bezeichneten Standort im 12. Wiener
Gemeindebezirk. Die Außenstelle stelle keine Erweiterung der
bestehenden Krankenanstalt dar, da in der Außenstelle lediglich
Blutabnahmen durchgeführt werden würden. Analysegeräte seien nicht
aufgestellt. Die Außenstelle sei über eine Computerstandleitung mit
dem "Labor M" verbunden. Die Blutabnahmen würden durch einen Arzt
mit ius practicandi erfolgen.
In einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom
20. August 1997 wird dazu festgehalten, der Anstaltszweck der
bestehenden Einrichtung erfahre keine Änderung; die Durchführung
der medizinisch-diagnostischen Laboruntersuchungen erfolge
innerhalb des unverändert vorgegebenen Kapazitätsrahmens.
Zusätzliche Blutabnahmen stellten somit keine Erweiterung des
Anstaltszweckes dar, sondern dienten allenfalls der besseren
Auslastung der vorhandenen (bereits bewilligten) Kapazität. Es
erübrige sich daher eine Bedarfsprüfung.
In der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 1997 hielt der
medizinische Amtssachverständige unter anderem fest, das den
Patienten direkt zu Gute kommende Leistungsspektrum (Abnahme von
Untersuchungsmaterial, Ausgabe der Befunde sowie ärztliche
Betreuung) werde am Standort der Außenstelle erbracht. Diese
schaffe im Interesse der Auslastung der kostspieligen Analysegeräte
zusätzliche Kapazität. Die Kapazität werde durch die räumliche
Ausstattung, vor allem aber durch die Anzahl der Standorte
bestimmt. Es handle sich daher bei der Außenstelle um eine
eigenständige Einrichtung, die eine Bedarfsprüfung erfordere.
Durch
das neue Angebot im Einzugsgebiet des Standortes könnten bereits
vorhandene Labors beeinträchtigt und in ihrer wirtschaftlichen
Existenz gefährdet werden.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid erteilte die belangte
Behörde der mitbeteiligten Partei ohne Vornahme einer
Bedarfsprüfung und ohne Beiziehung unter anderem der
beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei gemäß § 7 Abs. 2
Wr. KAG (idF LGBl. Nr. 9/1995) die Bewilligung zur Änderung der
Krankenanstalt "Labor M" am bezeichneten Standort im 5. Wiener
Gemeindebezirk durch Errichtung der gegenständlichen "Außenstelle"
im 12. Wiener Gemeindebezirk nach Maßgabe der zu Bestandteilen des
Bescheides erklärten Bau- und Betriebsbeschreibung und des Planes
unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 98/11/0085
protokollierte, unter anderem auf Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 4
Abs. 6 Wr. KAG gestützte Beschwerde, wobei die beschwerdeführende
Partei mangels Zustellung des erstangefochtenen Bescheides von
ihrem Recht auf Beschwerdeführung nach § 26 Abs. 2 VwGG Gebrauch
macht. Beantragt wird die kostenpflichtige Aufhebung des
angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in
eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von
Verfahrensvorschriften.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde ein Antrag der
beschwerdeführenden Partei auf Zustellung des erstangefochtenen
(Bewilligungs‑)Bescheides mangels Parteistellung der
beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurückgewiesen.
Begründet
wurde diese Entscheidung im Wesentlichen mit den (oben
wiedergegebenen) Ausführungen im Aktenvermerk der belangten Behörde
vom 20. August 1997. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu
Zl. 98/11/0086 protokollierte Beschwerde mit dem Antrag auf
kostenpflichtige Aufhebung auch dieses Bescheides wegen
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit
infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt. Sie
und die mitbeteiligte Partei haben jeweils eine Gegenschrift mit
dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres
persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung
und Beschlussfassung verbunden und über sie erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 6 Wr. KAG hat bei selbständigen Ambulatorien
unter anderem die beschwerdeführende Partei im
Bewilligungsverfahren hinsichtlich des zu prüfenden Bedarfs
Parteistellung nach § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß
Art. 131 Abs. 2 B-VG. Die Beschwerdelegitimation der
beschwerdeführenden Partei ist somit - eingeschränkt auf die
Bedarfsfrage - kraft Gesetzes gegeben. Dies schließt die von der
mitbeteiligten Partei beantragte Zurückweisung der eine untrennbare
Einheit darstellenden Beschwerde gegen den erstangefochtenen
Bescheid insoweit, als damit auch die Verletzung
subjektiv-öffentlicher Rechte im Sinne des Art. 131 Abs. 1
Z. 1 B-VG geltend gemacht wird, aus. Für die Beschwerdelegitimation
ist weiters ohne Belang, dass sich der erstangefochtene Bescheid
- wie noch auszuführen sein wird - verfehlter Weise auf § 7 statt
auf § 4 Wr. KAG stützt. Dieser Fehler kann nicht dazu führen, dass
deshalb der beschwerdeführenden Partei das ihr gesetzlich
eingeräumte Recht auf Teilnahme am Verfahren als Partei und auf
Beschwerdeführung (in der Bedarfsfrage) vorenthalten wird (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zlen. 92/11/0010 u.a.).
Die belangte Behörde ging - ohne nachvollziehbare Begründung
in den angefochtenen Bescheiden (im zweitangefochtenen Bescheid
finden sich lediglich Ausführungen darüber, weshalb es keiner
Bedarfsprüfung gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG bedürfe) - davon
aus, dass auf die "Außenstelle" § 7 Abs. 2 Wr. KAG anzuwenden
gewesen sei. Diese Auffassung ist im Ansatz verfehlt.
§ 7 Abs. 1 Wr. KAG erklärt jede geplante räumliche Veränderung
einer Krankenanstalt für anzeigepflichtig. Nach § 7 Abs. 2 Wr. KAG
bedürfen wesentliche Veränderungen, auch der apparativen
Ausstattung oder des Leistungsangebotes, der Bewilligung der
Landesregierung. Im Verfahren darüber ist der § 4 sinngemäß
anzuwenden. § 7 Abs. 3 Wr. KAG knüpft die Verlegung einer
Krankenanstalt an einen anderen Betriebsort an eine Bewilligung der
Landesregierung. § 7 Abs. 4 Wr. KAG betrifft die Erweiterung von
Ambulatorien von Krankenversicherungsträgern.
Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass § 7 Wr. KAG (von
seinem Abs. 3 abgesehen) lediglich Veränderungen einer bestehenden
Krankenanstalt erfasst, sei es in Form von Änderungen innerhalb der
gemäß § 4 bewilligten Betriebsanlage oder in Form einer Ausweitung
(Erweiterung) dieser Anlage oder in Form einer Änderung des
bestehenden Anstaltszweckes und/oder des Leistungsangebotes. Im
Falle der räumlichen Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage
bedarf es jedenfalls eines so engen räumlichen Zusammenhanges mit
der bestehenden Betriebsanlage, dass auch nach Vornahme der
Erweiterung noch von einer Betriebsanlage und von der Identität des
Betriebsortes bzw. Standortes gesprochen werden kann.
Von einer Veränderung in diesem Sinne kann hier keine Rede
sein. Die bewilligte Betriebsanlage erfährt keine wie immer
geartete Änderung, desgleichen der Anstaltszweck und das
Leistungsangebot des Ambulatoriums "Labor M". Vielmehr wird die
"Außenstelle" ohne jeden räumlichen Zusammenhang mit dem
bestehenden Ambulatorium als eine mit diesem lediglich in einem
organisatorischen und funktionellen Zusammenhang stehende neue
Betriebsanlage an einem anderen Standort eingerichtet. Dafür kommt
von vornherein nur eine Errichtungsbewilligung nach § 4 Wr. KAG in
Betracht. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die
Laboruntersuchungen selbst nicht in der "Außenstelle", sondern im
Rahmen der bewilligten Betriebsanlage im 5. Wiener Gemeindebezirk
vorgenommen werden sollen. Es handelt sich hier um ein
selbständiges Ambulatorium, das freilich in Ansehung seines
Leistungsangebotes insoferne unvollständig ist, als wesentliche
Teile des medizinischen Geschehens ausserhalb desselben
stattfinden. Dies ändert aber nichts daran, dass, wie der
medizinische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung vom
2. Oktober 1997 zutreffend aufzeigte, auch in der "Außenstelle"
medizinische Leistungen erbracht werden, und zwar jene am Patienten
selbst (Abnahme von Untersuchungsmaterial verbunden mit einer
allfälligen Untersuchung und/oder Beratung, Ausfolgung von
Befunden). Diese für andere als reine Einsendelabors
charakteristischen medizinischen Leistungen im Rahmen von
medizinisch-technischen Labors erfordern es, die Betriebsanlage, in
der sie erbracht werden, als ein gemäß § 4 Wr. KAG
bewilligungspflichtiges selbständiges Ambulatorium zu behandeln und
bei dessen Beurteilung unter den Kriterien "Anstaltszweck" und
"vorgesehenes Leistungsangebot" - wegen des besagten funktionell
organisatorischen Zusammenhanges - auch die ausserhalb der
"Außenstelle" (also in der "Zentrale") erbrachten medizinischen
Leistungen zu berücksichtigen. Dies wird in den den Charakter der
"Außenstelle" als selbständiges Ambulatorium im Sinne des Wr. KAG
verneinenden Ausführungen in den Gegenschriften der belangten
Behörde und der mitbeteiligten Partei offensichtlich verkannt. Aus
dem Gesagten ergibt sich weiters, dass im Bewilligungsverfahren
eine auf den Standort der "Außenstelle" bezogene Bedarfsprüfung
hätte erfolgen müssen. Nur beim dargelegten Verständnis erscheint
der Zweck der Bedarfsprüfung nach § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG und der
damit zusammenhängenden Parteistellung unter anderem der
Beschwerdeführerin auch in Fällen der vorliegenden Art als
gesichert. Dieser Regelungszweck würde, folgte man der
gegenteiligen Ansicht der belangten Behörde und der mitbeteiligten
Partei, durch die ohne standortbezogene Bedarfsprüfung mögliche
Errichtung von "Außenstellen" von medizinisch-technischen Labors
praktisch vereitelt, das Ergebnis der seinerzeit vorgenommenen
standortbezogenen Bedarfsprüfung für eine andere bewilligte
Einrichtung mit einem gleichen Leistungsangebot könnte nachträglich
unterlaufen und damit in deren "Gebietsschutz" eingegriffen werden.
Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer unrichtigen Ansicht,
es handle sich bei der "Außenstelle" bloß um eine Änderung des
bestehenden, bewilligten Ambulatoriums der mitbeteiligten Partei,
verfehlter Weise § 7 statt § 4 Wr. KAG angewendet. Sie hat weiters
zu Unrecht die Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung für die
"Außenstelle" und die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei
verneint. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Ein Zuspruch von Aufwandersatz kommt gemäß § 47 Abs. 4 VwGG
nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. August 1998,
Zl. 98/11/0111).
Wien, am 24. März 1999
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