Normen
ArbVG §120;
ArbVG §121;
ArbVG §34;
ASGG §2 Abs1;
ASGG §50 Abs1 Z1;
BEinstG §2;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8;
B-VG Art130 Abs2;
JN §1;
VwRallg;
ArbVG §120;
ArbVG §121;
ArbVG §34;
ASGG §2 Abs1;
ASGG §50 Abs1 Z1;
BEinstG §2;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8;
B-VG Art130 Abs2;
JN §1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass der Kündigungsschutz der Mitbeteiligten erloschen sei, abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die im Jahr 1944 geborene Mitbeteiligte gehört seit 26. Jänner 1994 zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG).
Mit Schriftsatz vom 2. Februar 1997 beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung, dass aufgrund der Betriebseinstellung mit 11. Jänner 1997, in eventu spätestens mit 27. Jänner 1997 der Kündigungsschutz der Mitbeteiligten erloschen sei. Hilfsweise wurde beantragt, den Kündigungen vom 27. Dezember 1996 bzw. vom 30. Jänner 1997 gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG nachträglich die Zustimmung zu erteilen. In eventu wurde beantragt, einer noch auszusprechenden Kündigung nach dieser Gesetzesstelle die Zustimmung zu erteilen.
Die Beschwerdeführerin begründete diesen Antrag damit, sie habe aus wirtschaftlichen Gründen das ihr gehörende Kaufhaus S., somit jenen Betrieb, in dem die Mitbeteiligte beschäftigt gewesen sei, mit 11. Jänner 1997 schließen müssen. Aufräumungsarbeiten seien im Jänner 1997 abgeschlossen worden. Im Hinblick darauf, dass eine begünstigte Behinderte zufolge § 8 Abs. 3 BEinstG keinen weiteren Kündigungsschutz habe als ein Betriebsratsmitglied, sei eine Zustimmung zur Kündigung nach erfolgter Betriebseinstellung nicht mehr erforderlich. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen sei daher nicht zu überprüfen.
In der mündlichen Verhandlung vor der Erstbehörde am 25. Februar 1997 brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, die Mitbeteiligte werde derzeit aufgrund erhöhten Personalbedarfes in der Eröffnungsphase bis 15. März 1997 im Kaufhaus G. beschäftigt. Anschließend bestehe keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit. In den anderen Kaufhäusern bestehe Personalüberschuss, sodass der Einsatz der Mitbeteiligten zu einer Kündigung eines anderen Arbeitnehmers führen würde. Im übrigen sei die Beschwerdeführerin nicht gehalten, die Einsatzmöglichkeit der Mitbeteiligten in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu prüfen.
Mit Bescheid der Erstbehörde vom 24. Juni 1997 wurden die von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin betreibe in Wien noch vier Kaufhäuser. Die Anzahl der beschäftigten Verkäuferinnen und Verkäufer betrage 385. Es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Beschwerdeführerin gehindert hätten, die verwaltungsbehördliche Zustimmung vor der Kündigung einzuholen. Die Betriebseinstellung hinsichtlich des Kaufhauses S. habe nicht zum Erlöschen des Kündigungsschutzes geführt. Der Feststellungsantrag sei daher abzuweisen gewesen. Die nachträgliche Zustimmung zu den ausgesprochenen Kündigungen sei zu verweigern gewesen, weil der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen sei, die für die beabsichtigte Kündigung notwendigen Schritte rechtzeitig einzuleiten, zumal die Eigenschaft der Mitbeteiligten als begünstigte Behinderte bekannt gewesen sei. Einer auszusprechenden Kündigung sei die Zustimmung zu verweigern gewesen, weil im Hinblick auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Mitbeteiligten im Unternehmen und die Erbringung einer adäquaten Arbeitsleistung durch die Mitbeteiligte das Interesse der Beschwerdeführerin an Rationalisierungsmaßnahmen die besondere Schutzwürdigkeit der Mitbeteiligten nicht aufwögen. Bei der Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen sei so lange die Zustimmung nicht zu erteilen, als austauschbare Arbeitnehmer für eine Kündigung in Betracht kämen, um nach dem Zweck des höheren Bestandschutzes die Weiterbeschäftigung des geschützten Arbeitnehmers möglichst zu gewährleisten.
In der dagegen erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ein weiteres Kaufhaus geschlossen habe, und wiederholte im Wesentlichen ihre Auffassung, dass das Kaufhaus S. ein Betrieb gewesen sei und infolge der Schließung dieses Betriebes kein Kündigungsschutz mehr bestehe und auch keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in diesem Betrieb gegeben sei. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sei immer nur in Bezug auf den Betrieb zu prüfen. Eine Betriebseinstellung sei zudem immer ein besonderer Ausnahmegrund für eine nachträgliche Zustimmung zur Kündigung. Auch die neuerliche Einschränkung des Unternehmensumfanges rechtfertige die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung. § 8 Abs. 2 BEinstG sehe keine zeitgerechte Antragstellung vor, sodass die Auffassung der Erstbehörde, der Beschwerdeführerin sei eine zeitgerechte Antragstellung zumutbar gewesen, verfehlt sei. Da sogar die Voraussetzungen für die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung gegeben seien, sei jedenfalls die Zustimmung zu einer noch auszusprechenden Kündigung zu erteilen gewesen.
Bei der mündlichen Verhandlung über die Berufung vom 6. November 1997 wurde die Beschäftigung der Mitbeteiligten in der Parfumerieabteilung des Kaufhauses G. vom 10. Februar 1997 bis 31. März 1997 außer Streit gestellt. Die Beschwerdeführerin wiederholte ihre Auffassung, dass mit der Schließung des Kaufhauses S. der Kündigungsschutz weggefallen sei, und bestätigte, dass hinsichtlich der Mitbeteiligten keine persönlichen Gründe geltend gemacht würden, die die Zusammenarbeit mit ihr unmöglich machten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes aus, auch dem Berufungsvorbringen sei nicht zu entnehmen, dass die Mitbeteiligte nicht in einem der drei verbliebenen Kaufhäuser eingesetzt werden könne. Es seien daher Ermittlungen dazu nicht erforderlich gewesen. Selbst wenn man den Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder als äußerte Grenze des Kündigungsschutzes für begünstigte Behinderte im Sinne des § 2 Abs. 1 BEinstG ansähe, wäre § 121 Z. 1 Arbeitsverfassungsgesetz zu beachten, wonach bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilt werden dürfe. Im Übrigen stelle § 8 des Behinderteneinstellungsgesetzes durch die Verwendung der Begriffe "Dienstnehmer" und "Dienstverhältnis" nicht auf den Betriebs- sondern auf den Unternehmensbegriff ab, sodass in allen Fällen, in denen ein Unternehmen aus mehreren Betrieben bestehe, bei der Kündigung alle Betriebe zu berücksichtigen seien. Es könne daher dahinstehen, ob das Kaufhaus S. ein Betrieb im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes gewesen sei. Bei der erforderlichen Interessenabwägung spreche zwar für die Beschwerdeführerin, dass sie nach einem Personalabbauprozess weniger Verkäuferinnen und Verkäufer beschäftige als früher. Zu Gunsten der Mitbeteiligten spreche aber, dass sie bereits über 50 Jahre alt sei und im Falle der Kündigung voraussichtlich keinen neuen Arbeitsplatz mehr erhalten werde sowie dass sie weiterhin als Verkäuferin einsetzbar sei und aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit nicht zu einer Berufsunfähigkeitspension gelangen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit mit dem angefochtenen Bescheid in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides das Feststellungsbegehren abgewiesen wurde, liegt eine - von Amts wegen aufzugreifende - Rechtswidrigkeit vor. Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie über dieses Feststellungsbegehren meritorisch erkannt hat, über eine Rechtssache entschieden, für welche der Verwaltungsweg nicht eröffnet ist. Das Begehren, dass auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis die Kündigungsbeschränkungen des Behinderteneinstellungsgesetzes nicht anzuwenden seien, ist eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/08/0550, mwN). Das von der Beschwerdeführerin gestellte Feststellungsbegehren betrifft demnach eine Rechtssache, die nach der zitierten Gesetzesstelle vor die Arbeits- und Sozialgerichte gehört. Dadurch, dass die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid in diesem Umfang nicht aufgehoben und den auf Erlassung eines Feststellungsbescheides abzielenden Antrag der Beschwerdeführerin nicht wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges zurückgewiesen, sondern in Form einer Abweisung meritorisch erledigt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG darf die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.
Gemäß § 8 Abs. 3 BEinstG findet Abs. 2 auf das Dienstverhältnis eines Begünstigten keine Anwendung, soweit ihm als Mitglied des Betriebsrates (Jugendvertrauensrates) bzw. als Personalvertreter der besondere Kündigungsschutz aufgrund der §§ 120 und 121 des Arbeitsverfassungsgesetzes bzw. der in Ausführung der §§ 223 und 224 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, erlassenen landesrechtlichen Vorschriften oder § 27 Abs. 2 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesrechtlicher Vorschriften zusteht.
Bei der vom Behindertenausschuss nach § 8 Abs. 2 leg. cit. zu treffenden Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Von dem eingeräumten Ermessen wird dann im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, wenn die Behörde der Entscheidung eine Interessenabwägung zugrunde legt, bei der die berechtigten Interessen des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden bzw. schon gekündigten Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist zu beurteilen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann. Im Hinblick auf § 8 Abs. 3 BEinstG geht der in diesem Gesetz eingeräumte Kündigungsschutz nicht weiter als der eines Betriebsratsmitgliedes (siehe zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1995, Zl. 94/08/0220, mwN).
Die Beschwerdeführerin folgert aus § 8 Abs. 3 leg. cit., dass entweder der Kündigungsschutz der Mitbeteiligten weggefallen sei oder jedenfalls die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen gewesen wäre. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, weil der Kündigungsschutz des begünstigten Behinderten gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG nur für die Dauer seiner Funktion als Betriebsratsmitglied durch den Kündigungsschutz aufgrund der §§ 120 und 121 des Arbeitsverfassungsgesetzes verdrängt wird (arg. "..., soweit ..."), jedoch weder die Mitgliedschaft zum Betriebsrat noch deren Erlöschen etwas an seiner Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis gemäß § 2 BEinstG ändert. Da die Pflichten aus dem Dienstvertrag und aus dem Behinderteneinstellungsgesetz den Dienstgeber - und nicht den Betrieb im Sinne des § 34 Arbeitsverfassungsgesetz - treffen (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 329/1973, 730 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des NR XIII. GP), kann die Stilllegung eines Betriebes nicht zum Wegfall des Kündigungsschutzes oder dazu führen, dass die Zustimmung zur Kündigung jedenfalls erteilt werden muss (vgl. zum Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 24. Juni 1998, 9 Ob A 145/98h).
Es war daher auch im vorliegenden Fall eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin hat wirtschaftliche Interessen aufgrund des im Rahmen der Unternehmenssanierung erforderlichen Personalabbaues geltend gemacht und behauptet, die Mitbeteiligte nicht mehr beschäftigen zu können. In der mündlichen Verhandlung vor der Erstbehörde hat sie - ausgehend von ihrer Rechtsansicht - erklärt, sie habe die Einsatzmöglichkeit der Mitbeteiligten in einem der verbleibenden Betriebe nicht zu prüfen. In der Beschwerde unterstreicht sie diese Auffassung mit der Behauptung, im Falle der Betriebseinstellung stünden keine "austauschbaren Arbeitnehmer" zur Verfügung. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist daher nicht zu entnehmen, dass die Weiterbeschäftigung der Mitbeteiligten in einem der verbleibenden Kaufhäuser - allenfalls mit der Notwendigkeit der Kündigung eines nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmers (siehe dazu Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998), 401) - unmöglich ist. Damit kann aber in der Ablehnung der Zustimmung zur (noch auszusprechenden) Kündigung kein Ermessensfehler der belangten Behörde erkannt werden. Daraus folgt, dass auch die Verweigerung der nachträglichen Zustimmung zu den bereits ausgesprochenen Kündigungen - eine nachträgliche Zustimmung ist nach § 8 Abs. 2 BEinstG nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig - nicht rechtswidrig ist.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 9. Februar 1999
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