VwGH 98/10/0161

VwGH98/10/01613.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des Dr. med. Franz Ploder in Stein an der Enns, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser, Rechtsanwalt in Wels, Maria-Theresia-Straße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 30. Juli 1997, Zl. 262.214/2-VIII/A/4/96, betreffend Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke (mitbeteiligte Partei:

Mag. pharm. J in Gröbming, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien IX, Nußdorferstraße 10-12), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 3. Juli 1995 beantragte der Beschwerdeführer, ein praktischer Arzt in Stein an der Enns, die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke. Diesem Antrag war eine Bestätigung der Straßenmeisterei Gröbming angeschlossen, wonach die Strecke von der Ordination (und geplanten Hausapotheke) des Beschwerdeführers nach Gröbming, wo sich die Betriebsstätte der nächsten öffentlichen Apotheke, der Alpen-Apotheke befindet, über die Landesstraße L 704, die Landesstraße L 712 und die Landesstraße L 727 über Moosheim 6,4 km betrage; diese Strecke sei ganzjährig gesichert befahrbar. Die Fahrstrecke nach Gröbming über die Landesstraße L 704 über die Ortschaft Ratting betrage 4,6 km. Diese Fahrstrecke sei jedoch auf Grund der Eigenschaften des Straßenstückes besonders im Bereich der Ortschaft Ratting und der Ennsbrücke (Ledererbrücke) nicht ganzjährig gesichert befahrbar, sondern besonders im Winter vorübergehend wegen Glatteis und Steilheit (Wintersperre) und auch im Sommer gelegentlich wegen Hangrutschung gesperrt.

Die Erstbehörde holte einen Bericht der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Gröbming (BH) ein, demzufolge sich der Straßenzug über Ratting derzeit (12. September 1995) in Sanierung und Ausbau befinde. Nach den Aufzeichnungen der BH seien in den letzten Jahren keinerlei Sperren in den Wintermonaten erforderlich gewesen. Auf Grund der Anlageverhältnisse (Steigungsverhältnisse 16 %) sei jedoch zeitweise eine Kettenpflicht im Abschnitt Ledererbrücke - Ratting in den Wintermonaten erforderlich. Im Jahre 1994 seien Sperren verordnet worden, weil die Ledererbrücke über die Enns generalsaniert worden sei. Ebenso seien kurzfristige Sperren bisher erforderlich gewesen, weil immer wieder Rutschungen im Bereich des Anstieges nach Ratting aufgetreten seien. Im Zuge der Baumaßnahmen würden jedoch nunmehr eine Belagserneuerung auf der gesamten Strecke sowie Sanierungsmaßnahmen in den Hangbereichen durchgeführt, wodurch zukünftig eine sichere und bessere Befahrbarkeit dieser Strecke möglich sei. Allerdings trete durch diese Maßnahmen keine Verbesserung bei den Gefällsverhältnissen sein. In den Wintermonaten werde auch weiterhin in gewissen Situationen das Anlegen von Schneeketten notwendig sein. Viele Verkehrsteilnehmer würden daher dieser Strecke über die Strecke Gröbming - Moosheim - Stein an der Enns ausweichen.

Der Beschwerdeführer verwies auf die Verordnung der BH vom 9. Oktober 1986 betreffend die Anordnung der Schneekettenpflicht aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs u.a. auf der L 704, der Sölkpassstraße, zwischen Kaindorf und Ledererbrücke im Falle einer Fahrbahnbeschaffenheit durch winterliche Witterungseinflüsse (Schnee- bzw. Eisglätte, tiefer Schnee und dergleichen), bei welchen Fahrzeuge ohne Schneeketten die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf den betroffenen Straßenstrecken beeinträchtigen würden; das Fahrverbot (für Fahrzeuge ohne Schneeketten) bzw. die Schneekettenpflicht trete gemäß § 44a Abs. 3 StVO 1960 mit der Anbringung bzw. Sichtbarmachung der Straßenverkehrszeichen gemäß § 52 lit. b Z. 22 StVO ("Schneeketten vorgeschrieben") und Zusatztafel gemäß § 54 StVO 1960 (hinsichtlich der festgelegten Ausnahmen) sowie gemäß § 52 lit. b Z. 22a StVO 1960 ("Ende der Schneekettenpflicht") in Kraft und mit Entfernung oder Abdeckung der Verkehrszeichen außer Kraft. Der Beschwerdeführer legte weiters einen Auszug aus dem Protokollbuch der BH über die Zeiträume vor, in denen im Jahre 1995 Kettenanlegepflicht tatsächlich angeordnet war.

Die Erstbehörde nahm am 26. Jänner 1996 einen Ortsaugenschein über die Befahrbarkeit der L 704 vor. Dabei wurde festgestellt, es befinde sich am Ortsausgang der Gemeinde Gröbming eine Verkehrstafel "Kettenpflicht", die bei Schneefall umgedreht werde. Eine Anordnung betreffend ein "allgemeines Fahrverbot" bestehe nicht. Unmittelbar südöstlich der Ortschaft Ratting weise die Straße stellenweise eine geringe Breite auf, sodass ein Ausweichen bei Begegnungen nicht bzw. nur eingeschränkt möglich sei. Die Straße sei sehr steil, im Zeitpunkt der Befahrung jedoch geräumt, stellenweise leicht vereist, aber gestreut und mit Kraftfahrzeugen durchaus befahrbar. Der am Ortsaugenschein teilnehmende Leiter der BH (Expositur) habe über Befragen erklärt, dass eine regelmäßige Sperre durch Verordnung nicht stattfinde und bisher auch nicht stattgefunden habe. Nach Schneefall komme es allerdings vor, dass die Straße stunden- bzw. auch tageweise nicht bzw. nur eingeschränkt oder mit Ketten befahrbar sei, bis die Räumung stattgefunden habe. Dies sei vom gleichfalls teilnehmenden Vertreter des Gendarmeriepostenkommandos Gröbming bestätigt worden. Das Dienstfahrzeug der BH, mit dem die Befahrung erfolgt sei, habe ohne größere Schwierigkeiten über die Steigung bewegt werden können.

Im Rahmen des Parteiengehörs wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die Gefährlichkeit der L 704 durch die erwähnte Verordnung über die Schneekettenpflicht dokumentiert werde und dass zwischen 21. Jänner und 1. April 1995 an 21 Tagen Kettenpflicht bestanden habe, obwohl der Winter 1994/95 wesentlich schneeärmer und wärmer gewesen sei, als der Winter 1995/96. Er verwies weiters auf von ihm angefertigte Lichtbilder, die die Gefährlichkeit der in Rede stehenden Straße auch zur Sommerzeit belegten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Juni 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, ihm die Führung einer ärztlichen Hausapotheke an seinem Berufssitz in Stein an der Enns zu bewilligen, abgewiesen. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen ausgeführt, die kürzeste Entfernung zwischen dem Berufssitz des Beschwerdeführers und der öffentlichen Apotheke in Gröbming betrage über die Landesstraße L 704 4,6 km. Diese Straßenverbindung sei öffentlich und mit Personenkraftwagen befahrbar, wobei eine gelegentliche Erschwernis der Befahrbarkeit durch Schneefall daran nichts ändere, weil auch andere öffentliche Straßenverbindungen fallweise einer Beeinträchtigung der Befahrbarkeit durch Schneefall unterliegen könnten, bis die Räumung stattgefunden habe. Die Anordnung einer Kettenpflicht bringe zum Ausdruck, dass das Straßenstück fallweise wegen Schneefall erschwert passierbar sei; das verhindere jedoch nicht die grundsätzliche ganzjährige Befahrbarkeit. Auch im übergeordneten Straßennetz Österreichs könnten im alpinen Bereich im Winter häufig Beeinträchtigungen durch Schneefall auftreten. Der Berufssitz des Beschwerdeführers sei daher von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke in Gröbming weniger als

6 Straßenkilometer entfernt, sodass der Antrag auf Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke aus diesem Grunde habe abgewiesen werden müssen.

Der Beschwerdeführer berief und brachte vor, die L 704 sei gefährlich; sie werde nicht immer ausreichend geräumt und gestreut und werde daher auch wenn sie nicht gesperrt sei, nur von "besonders waghalsigen" Autofahrern befahren. Es sei nicht festgestellt worden, in welchen Zeiträumen in der Wintersaison 1995/96 das Straßenstück gesperrt worden sei bzw. für dieses Straßenstück Kettenpflicht angeordnet worden sei. Ein regelmäßiges Erfordernis einer Kettenpflicht nehme dem Straßenstück allerdings die Eigenschaft der grundsätzlichen ganzjährigen Befahrbarkeit.

In einem weiteren Schriftsatz legte der Beschwerdeführer Unterlagen vor, denen zufolge in der Wintersaison 1995/96 an insgesamt 37 Tagen Kettenanlegepflicht verordnet gewesen sei, sich zwischen dem 1. Jänner 1991 und dem 3. Oktober 1996 auf dem in Rede stehenden Straßenstück insgesamt 36 Verkehrsunfälle ereignet hätten und die Straßenverbindung im Oktober 1996 zur Steinschlichtung und Hangsicherung über mehrere Tage habe gesperrt werden müssen. Er beantragte weiters zur Feststellung, dass die Bevölkerung von Stein an der Enns nahezu ausschließlich über Moosheim nach Gröbming fahre, die Vornahme einer Verkehrszählung.

Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 30. Juli 1997 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der Erstbescheid bestätigt. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen ausgeführt, eine zeitweilig angeordnete Kettenpflicht könne einer zeitweiligen generellen Wintersperre nicht gleichgehalten werden. Kurzfristige Sperren, die wie im vorliegenden Fall auch durch die eingeleiteten Ausbauarbeiten bedingt gewesen seien, seien bei Beurteilung der grundsätzlichen ganzjährigen Befahrbarkeit der Straße nicht relevant. Dem Argument des Beschwerdeführers, im Winter 1995/96 hätten extreme Witterungsverhältnisse geherrscht, sei entgegenzuhalten, dass die Verhängung eines Fahrverbotes in diesem gesamten Winter nicht erforderlich gewesen sei. Ob die Bevölkerung aber die bestehende kürzeste Wegstrecke auch tatsächlich in Anspruch nehme oder lieber einen Umweg in Kauf nehme, sei bei der Beurteilung einer Wegstrecke im Sinne des § 29 Abs. 1 Apothekengesetz nicht erheblich.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 6. März 1998, B 2407/97, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 Apothekengesetz ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als 6 Straßenkilometer entfernt ist.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Betriebsstätte der dem Berufssitz des Beschwerdeführers nächstgelegenen öffentlichen Apotheke in Gröbming über die Landesstraße L 704 (lediglich) 4,6 Straßenkilometer entfernt ist. Der Beschwerdeführer bestreitet vielmehr die Auffassung der belangten Behörde, es handle sich bei dieser Straßenverbindung um eine grundsätzlich ganzjährig befahrbare Straße. Diese Qualifikation könne einem gefährlichen, stark ansteigenden Straßenstück, auf dem überdies im Winter für einen Zeitraum von insgesamt mehr als einem Monat (37 Tage) Schneekettenpflicht verordnet sei, nicht zukommen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1991, VwSlg. 13.419/A, und die hier zitierte Vorjudikatur), gehört zum Begriffsinhalt des vom Apothekengesetzgeber gewählten Terminus "Straßen-" im § 29 Apothekengesetz die damit verbundene Vorstellung von einer typischen Benutzbarkeit, die den Kraftfahrverkehr miteinschließt, wobei im Hinblick auf die dauerhafte Gewährleistung der Arzneimittelversorgung auf die grundsätzliche Ganzjährigkeit der Befahrbarkeit abzustellen ist.

Diese grundsätzliche Ganzjährigkeit der Befahrbarkeit einer Straße wird allerdings weder durch den Umstand, dass die Straße steil und gefährlich ist, noch durch die Notwendigkeit, in den Wintermonaten zeitweise Ketten anzulegen, in Frage gestellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 87/08/0089). Insbesondere der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand zeitweiliger Kettenanlegepflicht spricht nicht gegen die grundsätzliche Möglichkeit, die Straße ganzjährig zu befahren; dient doch die Anordnung der Kettenanlegepflicht - wie auch der erwähnten Verordnung zu entnehmen ist - der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs der betreffenden Straße, also gerade der (gefahrlosen) Befahrbarkeit der Straße.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht der Auffassung, die zeitweise Anordnung der Kettenanlegepflicht hindere ebenso wenig wie zeitweilige Sperren die Annahme der grundsätzlichen Ganzjährigkeit der Befahrbarkeit der Landesstraße L 704.

Soweit der Beschwerdeführer jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die von ihm beantragte, aber von der belangten Behörde nicht vorgenommene Verkehrszählung hätte ergeben, dass die in Rede stehende Straße wegen ihrer Gefährlichkeit von der Bevölkerung geradezu gemieden werde, ist ihm zu entgegen, dass es - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - im Grunde des § 29 Abs. 1 Apothekengesetz auf die Befahrbarkeit einer Straße ankommt, nicht aber auch darauf, ob und in welchem Ausmaß sie auch tatsächlich befahren wird.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Juli 2000

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