VwGH 98/10/0013

VwGH98/10/00134.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerden des A in Wien, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs, Herrengasse 23, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, 1. vom 6. November 1997, Zl. UVS-06/46/00567/97(zu Zl. 98/10/0014), und

2. vom 7. November 1997, Zl. UVS-06/07/00568/97(zu Zl. 98/10/0013), betreffend Abweisung von Anträgen auf Wiederaufnahme von rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren nach dem Wiener Baumschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs2;
AVG §69 Abs1;
AVG §70;
VStG §24;
VStG §64 Abs2;
VStG §64 Abs6;
VwGG §45 impl;
AVG §18 Abs2;
AVG §69 Abs1;
AVG §70;
VStG §24;
VStG §64 Abs2;
VStG §64 Abs6;
VwGG §45 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk vom 13. Oktober 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H-Immobilien-GmbH zu verantworten, dass die mit rechtskräftigem Bescheid vom 30. Mai 1994 nach dem Wiener Baumschutzgesetz vorgeschriebene Ersatzpflanzung einer Hainbuche im Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 4. August 1995 nicht durchgeführt worden sei. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit einem weiteren Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk vom 20. Juni 1997 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, die oben beschriebene Ersatzpflanzung im Zeitraum vom 26. Oktober 1995 bis 19. Dezember 1997 nicht durchgeführt zu haben. In diesem Fall wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 24.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

Gegen diese Straferkenntnisse wurden (zunächst) keine Rechtsmittel erhoben.

Mit Schriftsatz vom 1. August 1997 stellte der Beschwerdeführer gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG Anträge auf Wiederaufnahme dieser Verfahren; gleichzeitig erhob er gegen die Straferkenntnisse Berufung. Begründend führte er aus, bei einer Akteneinsicht am 29. Juli 1997 betreffend das Verfahren zur Vorschreibung einer Ersatzpflanzung habe er festgestellt, dass die Urschrift des Bescheidkonzeptes vom 30. Mai 1994 neben einer unleserlichen Fertigung nur die Funktionsbezeichnung "Die Bezirksamtsleiterin" enthalte. Der Erledigung vom 30. Mai 1994 komme daher kein Bescheidcharakter zu. Die beiden Straferkenntnisse gingen somit zu Unrecht von einem rechtskräftigen Ersatzpflanzungsauftrag aus.

Mit Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk vom 8. August 1997 wurden die Anträge auf Bewilligung der Wiederaufnahme abgewiesen.

Den dagegen erhobenen Berufungen wurde mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 6. November 1997 (zu Straferkenntnis vom 13. Oktober 1995) und vom 7. November 1997 (zu Straferkenntnis vom 20. Juni 1997) keine Folge gegeben. Gemäß § 64 Abs. 6 VStG iVm. § 64 Abs. 1 und Abs. 2 VStG wurden Kosten in der Höhe von S 2.000,-- und S 4.800,-- vorgeschrieben.

In den im Wesentlichen gleich lautenden Begründungen wurde dazu ausgeführt, bei der Aufforderung zur Ersatzpflanzung handle es sich keineswegs um einen Nichtbescheid, weil die Urschrift - wenn auch unleserlich - von der Bezirksamtsleiterin unterschrieben sei. In Verbindung mit der dem § 18 Abs. 4 AVG entsprechenden Beglaubigung der Ausfertigung ergebe sich, dass die Genehmigung des Bescheides der Bezirksamtleiterin zuzurechnen sei. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer hinreichend Zeit gehabt, Akteneinsicht zu nehmen, sodass er es selbst zu vertreten habe, wenn er das Fehlen einer leserlichen Beifügung des Namens des Genehmigenden in der Urschrift erst am 29. Juli 1997 bemerkt habe.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschriften repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung zu verbinden und hat darüber erwogen:

Nach § 18 Abs. 2 AVG erfolgt die Genehmigung einer Erledigung durch die Unterschrift des Genehmigenden. Davon kann jedoch abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass derjenige, der die Genehmigung erteilt hat, auf andere Weise festgestellt werden kann.

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1. entweder der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Nach § 69 Abs. 2 AVG in der hier anzuwendenen Fassung BGBl. Nr. 51/1991 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Der Beschwerdeführer vertritt im Wesentlichen die Auffassung, die Erledigung des Magistrates der Gemeinde Wien vom 30. Mai 1994 stelle keinen Bescheid dar, da die Urschrift keine Unterschrift des Genehmigenden (in seinen Anträgen auf Wiederaufnahme ist von einer "unleserlichen Fertigung" die Rede) enthalte. Die Straferkenntnisse stützten sich daher zu Unrecht auf die Feststellung, die Ersatzpflanzung nach dem Wiener Baumschutzgesetz sei mit rechtskräftigen Bescheid festgestellt worden. Dies stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG dar.

Im Beschwerdefall kann dahinstehen, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt geeignet ist, den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG zu entsprechen (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel,Verwaltungsverfahrensgesetze I2, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 69 AVG, insbesonders E 125 ff). Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Erledigung des Magistrates der Gemeinde Wien vom 30. Mai 1994 sei kein Bescheid, erweist sich nämlich aus folgenden Erwägungen als unzutreffend:

§ 18 Abs. 2 AVG ordnet an, dass die Genehmigung einer Erledigung durch die Unterschrift des Genehmigenden zu erfolgen hat. Die "Urschrift" einer Erledigung muss das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl. das Erkenntnis vom 16. Februar 1992, Zl. 91/09/0169). Eine "Unterschrift" ist dabei ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen.Eine Paraphe ist keine Unterschrift (vgl. dazu Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 7. Auflage, Rz 190 ff, mit Judikaturhinweisen).

Diesen Anforderungen genügt aber die Unterfertigung des Ersatzpflanzungsauftrages vom 30. Mai 1994 (vgl. die in den Verwaltungsakten unter der OZl. 22 erliegende Urschrift). Die belangte Behörde hat daher den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme der Verwaltungsstrafverfahren zu Recht abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs. 2 VStG ist der Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit je S 20,-- zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich S 200,-- anzurechnen.

Gemäß § 64 Abs. 6 VStG gelten hinsichtlich der Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten sinngemäß die vorhergehenden Bestimmungen, wenn einem Antrag des Bestraften auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht stattgegeben wird.

Den Ausführungen in der Beschwerde, wonach ein Wiederaufnahmeantrag zurückzuweisen wäre, wenn nach Auffassung der Behörde "kein Wiederaufnahmegrund an sich vorliegt", ist nicht zu folgen (vgl. zu dieser Frage Walter/Mayer, aaO, Rz 601). Da der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund des zur Antragstellung legitimierten Beschwerdeführers nicht vorlag, war sein Antrag abzuweisen. Die Kostenvorschreibung der belangten Behörde war daher gerechtfertigt.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde sei mit ihrem Hinweis, es wäre diesem schon früher offen gestanden, Akteneinsicht zu nehmen, davon ausgegangen, der Antrag auf Wiederaufnahme sei nicht rechtzeitig gestellt worden, so kann ihm dabei ebenfalls nicht gefolgt werden. Er übersieht nämlich, dass die belangte Behörde damit lediglich sein mangelndes Verschulden daran, dass er sein Vorbringen nicht bereits während der Strafverfahren erstattet hat, bezweifelte.

Dem weiteren Vorbringen, die belangte Behörde habe die Abweisung der Anträge auf die analoge Anwendung des Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG gestützt, kann nicht gefolgt werden, ist doch eine Anwendung dieser Bestimmung weder aus dem Spruch noch aus der Begründung der angefochtenen Bescheide ersichtlich. Auch in den Akten finden sich keinerlei Hinweise, dass die belangte Behörde diesen Wiederaufnahmetatbestand vor Augen gehabt hätte.

Wenn der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte die Anträge auch unter dem Gesichtspunkt des Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG zu prüfen gehabt, weil der Beschwerdeführer bei der Nennung des Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG diesen bloß unrichtig bezeichnet habe, so ist ihm entgegen zu halten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen Anträgen auf Wiederaufnahme dazu keinerlei Veranlassung bot.

Auf das erst in den Repliken zu den Gegenschriften vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen, dem Ersatzpflanzungsauftrag fehle der Bescheidcharakter, weil der dieser Erledigung angeschlossene Plan keinen Standort für die vorzunehmende Ersatzpflanzung enthalte, ist zu erwidern, dass es sich hiebei allenfalls um eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides handeln könnte, die im Administrativverfahren jedoch nicht geltend gemacht worden ist. Mangels eines entsprechenden Vorbringens in den Anträgen auf Wiederaufnahme war darauf von der belangten Behörde nicht einzugehen.

Die sich somit als unbegründet erweisenden Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. September 2000

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