VwGH 98/08/0126

VwGH98/08/012619.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in R, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 11a/Herrenstraße 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 30. Dezember 1997, Zl. 4/12897/Nr. 981/97-10, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezieht seit dem 9. November 1992 mit kurzen Unterbrechungen die Notstandshilfe. Der hier maßgebende Bezug der Notstandshilfe beruht auf einem Antrag vom 2. Mai 1997.

Bereits vom 10. Februar 1997 bis zum 30. April 1997 absolvierte der Beschwerdeführer (über sein Ansuchen) in der Schulungseinrichtung der Arbeiterkammer für Oberösterreich in Perg eine (mit einer Beihilfe iS der §§ 34 und 35 AMSG verbundene) Schulungsmaßnahme "Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt". Parallel dazu besuchte er vom 4. April bis zum 12. April 1997 in der Schulungseinrichtung des Berufsförderungsinstituts einen Staplerführerkurs, wofür ihm eine Beihilfe zu den Kurskosten gewährt wurde.

Am 26. August 1997 wurde mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Perg (in der Folge "AMS") eine Niederschrift über eine "Weigerung, sich einer Nach-(Um-)schulung zu unterziehen" aufgenommen. In dieser Niederschrift findet sich (zum Teil in Ergänzung des formularmäßigen Vordrucks) folgender Text:

"Dem ... (Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktservice am

6.8.97 eine Beschäftigung als Holzhilfsarbeiter beim Dienstgeber

Verein Saum Mauthausen mit einer Entlohung von ... Arbeitsantritt

am 18.8.97 zugewiesen.

Der (Beschwerdeführer) erklärt: (...)

Das Beschäftigungsverhältnis ist nicht zu Stande gekommen,

weil ich nicht gleich angestellt werde. (...)

Stellungnahme des Vermittlers:

lt. Fr. B Verein Saum würde sie (den Beschwerdeführer) sofort aufnehmen, da sie der Meinung ist, dass er ausgezeichnet passen würde, aber er will nicht vorheriges AT."

Mit Bescheid des AMS vom 2. September 1997 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für die Zeit vom 18. August bis zum 28. September 1997 verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Abgesehen von Hinweisen auf den Inhalt der §§ 10 und 38 AlVG enthält dieser Bescheid die Begründung, dass der Beschwerdeführer "das vorgeschriebene Arbeitstraining beim Verein Saum nicht eingehalten" habe.

Nachsichtsgründe lägen nicht vor.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, die er wie folgt

begründete:

"zu a) Beschäftigungsannahme, es handelt sich um eine

zweifelhafte Vorgangsweise der Frau B., von der Leiterin vom Saum Beschäftigungsprojekt Mauthausen, einmal sind 1 Monat Arbeitstraining notwendig ein anderes mal 3 Monate.

zu b) Vorgeschriebenes Arbeitstraining, es wird Ihnen sicher nicht entgangen sein, dass ich eine Landwirtschaft besitze und es mir an Arbeit nicht mangelt, somit das Arbeitstraining bereits gegeben ist."

Am 11. September 1997 richtete die belangte Behörde an das AMS folgendes Schreiben:

"Bei Aufnahme der NS am 26.8.1997 wurde das alte Formular verwendet. Es ist daher nicht ersichtlich - auch nicht aus den Eintragungen in den PST - ob (dem Beschwerdeführer) bekannt ist, dass diese Maßnahme erforderlich war, da seine Kenntnisse und Fähigkeiten für eine Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichen. Hiezu wird festgehalten, dass die neuen Formulare zwingend zu verwenden sind.

Die LGS ersucht daher um Übermittlung eines Aktenvermerkes oder ergänzenden Niederschrift aus der klar hervorgeht, dass (der Beschwerdeführer) über die Notwendigkeit der BO-Maßnahme Bescheid wusste."

Hierauf übermittelte das AMS folgenden Aktenvermerk vom 23. September 1997:

"(Der Beschwerdeführer) besuchte von 10.2. - 30.4.97 eine Berufsorientierungsmaßnahme für arbeitssuchende Personen des BFI OÖ. in Perg. Da im Laufe der Maßnahme eine Wiedereingliederung am primären Arbeitsmarkt, lt. den Trainerinnen, sowohl auf Grund der langen Arbeitslosigkeit, der fraglichen Motivation, als auch seines im Laufe des Kurses sichtbar gewordenen problematischen Sozialverhaltens (Abkapselung in der Gruppe, Skepsis gegenüber seiner Umwelt, ...) immer unwahrscheinlicher erschien, wurde (der Beschwerdeführer) darauf hingewiesen, dass sinnvollste Möglichkeit für ihn das Beschäftigungsprojekt Verein Saum in Mauthausen sei.

Seitens AMS wurde dieser Vorschlag aus eben o.a. geführten Gründen befürwortet, was (dem Beschwerdeführer) auch mitgeteilt wurde. Da er aber bereits seitens Bfi zum Ausdruck brachte, dass das Beschäftigungsprojekt auf Grund der niedrigen 'Entlohnung' für ihn sowieso nicht in Frage kommt wurde er auch vom AMS nochmals, sowohl über die Konsequenzen bei Nichtannahme, als auch auf die Notwendigkeit des Projekt zum Zweck einer Wiedereingliederung für ihn, hingewiesen."

Zu diesem Aktenvermerk nahm der Beschwerdeführer am 5. Dezember 1997 wie folgt Stellung:

"Es handelte sich bei dem Kurs vom 10.2. - 30.4.1997 um eine Trainerin und einen Trainer, die Vorwürfe seitens dieser Personen gegen mich, muss ich schärfstens zurückweisen und als vorsätzlich unrichtig bezeichnen, es gab von mehreren Kursteilnehmer-innen über sehr ungerechte Behandlung die in den letzten Kurswochen immer mehr ausarteten Beschwerden.

Ich war an jedem Kurstag anwesend, habe mich mit allen Kursteilnehmer-innen sehr gut verstanden, ausgenommen mit einem sprichwörtlichen Fräulein, ich verbrachte sogar die Mittagspausen mit den Kursteilnehmern außerdem arbeite ich sehr gerne mit Leuten zusammen weil einer vom anderen lernen kann, ich habe den Frauen beim Holzschemmelbau geholfen, und einen Staplerkurs besucht.

Da der Berufungsorientierungskurs pro Person 50 000 S gekostet hat, und man im Vorhinein wusste das mit 42 Jahren schwierige Aussichten bestehen, wie Sie sicher wissen nehmen Firmen vorrangig Langzeitarbeitslose wenn diese finanzielle Unterstützung erhalten.

Das AMS Perg wusste seit 1996 das ich die 3 Monate Arbeitstraining nicht mache, und es wurde die Notstandshilfe nicht genommen, zu 1997 wurde ich nicht über die Konsequenzen bei Nichtaufnahme aufgeklärt, lediglich wurde eine Niederschrift gemacht."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Begründend führte sie aus, dem Beschwerdeführer sei vom AMS am 6. August 1997 eine "Beschäftigung als Holzhilfsarbeiter mit vorgehendem Arbeitstraining beim Beschäftigungsprojekt SAUM-Donauwerkstätten mit einem Arbeitstrainingsbeginn 18.8.1997 und mit einer mindestens kollektivvertraglichen Entlohnung" zugewiesen worden. Diese Zuweisung habe der Beschwerdeführer am 26. August 1997 mit der Begründung abgelehnt, dass er nicht gleich angestellt würde.

Auf Grund der im Laufe des Besuches der Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei der Arbeiterkammer in Perg vom 10. Februar bis 1. Mai 1997 sichtbar gewordenen Probleme (Abkapselung in der Gruppe, Skepsis gegenüber der Umwelt, niedrige Motivation) sei als für den Beschwerdeführer sinnvollste Möglichkeit ein Arbeitstraining beim Beschäftigungsprojekt Verein Saum in Mauthausen festgestellt worden. Dies sei mit dem Beschwerdeführer auch besprochen worden und er sei insbesondere auf die Notwendigkeit des Projektes hingewiesen worden, "da Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichen, am Arbeitsmarkt vermittelt zu werden."

Das dem Beschwerdeführer am 6. August 1997 zugewiesene Arbeitstraining beim Beschäftigungsprojekt Saum-Donauwerkstätten stelle eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dar. Er habe das Arbeitstraining mit der Begründung abgelehnt, dass er nicht gleich angestellt würde, und im Berufungsverfahren lediglich bestritten, über die Konsequenzen bei Nichtannahme der Wiedereingliederungsmaßnahme aufgeklärt worden zu sein. Die Notwendigkeit des Projektes, den Beschwerdeführer wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, weil seine Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichen würden, am Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, habe der Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.

Der Begriff "Arbeitstraining" besage bereits, dass die Gewöhnung an einen regelmäßigen Acht-Stunden-Tag, die Ausführung der übertragenen Aufgaben, selbstständiges Arbeiten und das "Verhalten zu den anderen Mitarbeitern" trainiert werden soll. Die Dauer des Arbeitstrainings richte sich daher individuell nach den jeweiligen Erfordernissen des Beschäftigten. Es könne nicht der Beurteilung des Arbeitslosen überlassen werden, ob das durchgeführte Training nach einem Monat oder erst nach drei Monaten ausreiche, um am Arbeitsmarkt vermittelt zu werden "bzw. das Arbeitstraining in einem regulären Arbeitsverhältnis endet."

Der Beschwerdeführer habe die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ohne triftigen Grund verweigert, weshalb eine Sanktion gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 AlVG für den angegebenen Zeitraum zu verhängen gewesen sei. Nachsichtsgründe gemäß § 10 Abs. 2 AlVG lägen nicht vor und seien vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im seinem Erkenntnis vom 3. April 2001, Zl. 2000/08/0076 mwN, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass es nicht im freien Belieben des Arbeitsmarktservice steht, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Diese Subsidiarität der Nach(Um)schulung gilt angesichts des Primates der Erlangung bzw. Vermittlung einer dem Arbeitslosen zumutbaren Beschäftigung durch die von ihm zu entfaltenden Bemühungen oder durch das Arbeitmarktservice in entsprechender Weise auch für die (seit der AlVG-Novelle BGBl. Nr. 502/1993 vorgesehenen) Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Dem gemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn weiters fest steht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb solcher Maßnahmen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung -

zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an der Maßnahme ablehnt.

Im Beschwerdefall kann weder den Verwaltungsakten noch den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen entnommen werden, ob der Beschwerdeführer einer Beschäftigung (möglicherweise unter der Bedingung eines vorhergehenden "Arbeitstrainings" in nicht feststehender Dauer) oder einer Wiedereingliederungsmaßnahme zugewiesen wurde. Aus der Niederschrift vom 26. August 1997 scheint sich zu ergeben, dass er zu einer Beschäftigung zugewiesen und erst dort mit dem Ansinnen, ein (in Ansehung der Entlohnung nicht näher definiertes) Arbeitstraining zu absolvieren, konfrontiert worden ist. Wäre dies der Fall, musste sich der Beschwerdeführer dazu nicht bereit finden. Der angefochtene Bescheid, der sich mit dieser Unklarheit nicht auseinander setzt, geht davon aus, der Beschwerdeführer sei einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zugewiesen worden. Selbst wenn dies zutreffen sollte, bleibt offen, welchen Inhalt die Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt haben sollte und für welche Dauer sie für erforderlich gehalten wurde. Aus dem angefochtenen Bescheid geht auch nicht hervor, weshalb die belangte Behörde den Angaben im Aktenvermerk des AMS vom 23. September 1997 ohne weiteres folgt, die dem widersprechenden Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 5. Dezember 1997 aber nicht für glaubwürdig hält. Die Feststellungen über die angeblichen Defizite des Beschwerdeführers an Kenntnissen und Fähigkeiten besitzen zudem keine hinreichende Aussagekraft, sodass - selbst wenn die Beweiswürdigung nicht rechtswidrig wäre - nicht nachvollziehbar ist, wie diesen angeblichen Defiziten durch die in Betracht gezogene Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hätte begegnet werden sollen. Da sohin weder das objektive Erfordernis für ein Arbeitstraining noch dessen Inhalt noch dessen Dauer festgestellt wurden, geschweige denn diese Umstände dem Beschwerdeführer vor seiner Weigerung, (über die Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vom 10. Februar bis zum 30. April 1997 hinaus) ab dem 18. August 1997 ein weiteres Arbeitstraining durchzuführen, zur Kenntnis gebracht worden wären, liegt eine ungerechtfertigte Weigerung des Beschwerdeführers, an der ihm zugewiesenen Maßnahme teilzunehmen, nicht vor.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2003

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