VwGH 98/08/0008

VwGH98/08/00084.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Siegelgasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. November 1997, Zl. SV(SanR)-1237/4-1997-Ho/Ha, betreffend Betriebsbeiträge in der Unfallversicherung der Bauern (mitbeteiligte Partei: G in R), zu Recht erkannt:

Normen

BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern hat den Mitbeteiligten mit Bescheid vom 22. Jänner 1997 verpflichtet, für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis laufend Betriebsbeiträge zur bäuerlichen Unfallversicherung zu leisten und ausgesprochen, dass die für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 1996 bereits fälligen Betriebsbeiträge in Höhe von S 2.232,-- innerhalb von 14 Tagen zur Einzahlung zu bringen seien. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass anlässlich einer Erhebung bei der dem Mitbeteiligten als Miteigentümer gehörigen Liegenschaft "Z" festgestellt worden sei, dass die Gründe um das Haus brach lägen. Die Parzelle Nr. X im Ausmaß von 3700 m2 werde regelmäßig genutzt und gemäht. Diese Arbeiten würden von Landwirten mit Wissen und Willen sämtlicher Miteigentümer durchgeführt. Auf der Grundlage des Einheitswertes für diese bewirtschaftete Fläche sei der Mitbeteiligte als Betriebsführer dieses land(forst)wirtschaftlichen Betriebes gemäß § 30 Abs. 2 BSVG zur Leistung des Betriebsbeitrages verpflichtet.

In dem dagegen erhobenen Einspruch hat der Mitbeteiligte, vertreten durch eine weitere Miteigentümerin der Liegenschaft, P.W., insbesondere darauf hingewiesen, dass der Bauernhof samt Liegenschaften zur Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit erworben worden sei und keine Landwirtschaft betrieben werde. Die 3700 m2 würden jeweils im Sommer von Ausstellungsbesuchern als Parkplatz benützt, weshalb der Rasen dort gemäht werde. Für das Mähen würden Kosten von rund S 1.000,-- anfallen. Einer anderen Nutzung werde dieses Grundstück nicht zugeführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Einspruch statt und stellte in Abänderung des Bescheides der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt fest, dass der Mitbeteiligte nicht verpflichtet sei, für den in Rede stehenden land(forst)wirtschaftlichen Betrieb für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis laufend Betriebsbeiträge zur bäuerlichen Unfallversicherung zu leisten. In der Begründung führte der Landeshauptmann nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Darstellung der Rechtslage Folgendes aus (Unterstreichungen im Original):

"Die vier obgenannten Personen (die Miteigentümer( haben im Jahr 1994 das gegenständliche Anwesen gekauft und im Gebäude eine Keramikwerkstatt eingerichtet. In den Ermittlungsbögen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern wurde angegeben, dass das Obst (10 Bäume) nicht verwertet wird und auch das Gras nicht regelmäßig gemäht wird und großteils liegen bleibt. Nach den Erhebungen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern beträgt der Einheitswert S 8.000,-- und wurde für das Jahr 1994 Brache anerkannt. Der von der ersten Instanz durchgeführte Lokalaugenschein ergab, dass die Gründe rund um das Haus brach liegen (Unkraut, Brennnessel, alte Obstbäume). Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern berechnete den Einheitswert ab 1.1.1995 mit S 4.000,-- und ab 1.4.1996 mit S 3.000,--.

Es ist glaubhaft, dass das Obst liegen bleibt, und wurde dies auch von einem Nachbarn bestätigt. Bei dem Haus Z handelt es sich um ein altes Haus, welches offensichtlich als Keramikwerkstatt und Atelier Verwendung findet.

Die Fläche 1117 wird vielfach als Parkplatz verwendet. Die Fläche 1157 im Ausmaß von 3.700 m2 ist ein Wiesengrund, der augenscheinlich regelmäßig abgemäht wird. Frau P.W. (eine Miteigentümerin( gab in der Befragung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern an, dass dieses Grundstück ein- bis zweimal im Jahr von einem Nachbarn gemäht werde, damit es nicht ganz verwildert. Es handle sich lediglich um Landschaftspflege und nicht um landwirtschaftliche Tätigkeit. Der Grund wurde auch nicht verpachtet und er bringt somit auch keine Erträge. In einem Aktenvermerk hielt die erste Instanz auch fest, dass laut Angabe des Berufungswerbers diese Wiese als Parkplatz dient. ...

Wie amtsbekannt ist, ist das Künstleratelier W. in Fachkreisen nicht unbekannt und es erscheint durchaus glaubwürdig, dass bei dem Abmähen des in Rede stehenden Grundstückes nicht die Gewinnung der Grasfechsung im Vordergrund steht, sondern ein anderes Motiv, nämlich die Schaffung von Parkplätzen für Besucher des Künstlerateliers."

In rechtlicher Hinsicht kam der Landeshauptmann zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass eine landwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn zwar ausgeführt werde (Mähen), dies jedoch nicht zur Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion. Für den Mitbeteiligten bestehe daher keine Versicherungspflicht und in weiterer Folge keine Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; der Mitbeteiligte hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AVG können sich die Beteiligten - worunter auch die Partei eines Verfahrens zu verstehen ist - und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Nach Abs. 2 leg. cit. richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

Meint die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt eingangs ihrer Beschwerdeausführungen zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der im Verwaltungsverfahren eingebrachte Einspruch wäre zurückzuweisen gewesen, weil dieser nicht vom Mitbeteiligten, sondern von der Miteigentümerin P.W. im eigenen Namen eingebracht worden sei, so steht dem die von der belangten Behörde mit Schreiben vom 1. Oktober 1997 aufgetragene und vom Mitbeteiligten durch Nachweis der Bevollmächtigung von P.W. in der am 22. Oktober 1997 bei der belangten Behörde eingelangten Stellungnahme (ohne Datum) durchgeführte Verbesserung entgegnen. Darin verweist der Mitbeteiligte auch darauf, dass er über die Schritte seiner Lebensgefährtin P.W. zur Gänze informiert sei; schon im Einspruch hat P.W. auf den Mitbeteiligten als ihren Lebensgefährten verwiesen. Die zunächst nicht nachgewiesene Bevollmächtigung ist auf diesem Wege nachgetragen und der Mangel geheilt worden.

Die in der Sache wesentlichen Bestimmungen finden sich im Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 16. Novelle, BGBl. Nr. 678/1991:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

...

§ 3. (1) In der Unfallversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, pflichtversichert:

1. Die im § 2 Abs. 1 Z 1 bezeichneten Personen; ...

(2) Die Pflichtversicherung gemäß Abs. 1 besteht nur, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- erreicht oder übersteigt ...

§ 30. (1) ... Die gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 pflichtversicherten Betriebsführer haben als Beitrag 1,9 v.H. der Beitragsgrundlage zu leisten. ... Wenn mehrere Personen ein und denselben land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr führen, ist der Betriebsbeitrag nur von einer Person zu leisten, jedoch haften alle Beteiligten für den Betriebsbeitrag zur ungeteilten Hand.

(2) Den gemäß Abs. 1 ermittelten Betriebsbeitrag schuldet der Betriebsführer. Hiebei ist anzunehmen, dass der Eigentümer des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (der land(forst)wirtschaftlichen Fläche) diesen Betrieb (diese Fläche) auf seine Rechnung und Gefahr führt (bewirtschaftet). ..."

Die Bestimmung des Landarbeitsgesetzes 1984 (LAG), BGBl. Nr. 287/1984, auf die § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG verweist, lautet auszugsweise:

"§ 5. (1) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei."

Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist somit die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne der zuletzt wiedergegebenen Bestimmung dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein oder mit Arbeitskräften mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt. Unter einer selbstständigen land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen eines solchen Betriebes ist eine - nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verrichtete - nachhaltige land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die objektiv die Schaffung von Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt; auf die persönliche Mitarbeit kommt es hiebei nicht an, die notwendige Arbeit kann vielmehr auch durch Familienangehörige oder Dienstnehmer verrichtet werden (vgl. das die mit der zitierten Regelung wortgleiche Vorgängerbestimmung des § 5 Abs. 1 LAG, BGBl. Nr. 140/1948, betreffende Erkenntnis vom 4. Juni 1982, 81/08/0051, mwN).

Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt kommt es im Beschwerdefall nicht darauf an, ob "das gemähte Produkt als Futter oder Streu von verschiedenen Nachbarn verwendet wird", somit darauf, ob mit dem gemähten Gras in einer Art verfahren wird, die an sich - ohne dass es auf Gewinnerzielungsabsicht ankäme - auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liegt, weshalb der Sachverhalt in dieser Richtung auch keiner Ergänzung bedarf, sondern darauf, dass der Mitbeteiligte und die übrigen Miteigentümer das Gras weder selbst gemäht noch genutzt, vielmehr die Grasfechsung dritten Personen (im Beschwerdefall den Nachbarn) überlassen haben. Damit geht aber auch die Nutzung und die Gefahr auf die Dritten über, weshalb allenfalls eine landwirtschaftliche Betriebsführung durch diese (auf deren eigene Rechnung und Gefahr), nicht jedoch durch den Mitbeteiligten, vorliegt (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1980, Zlen. 2869, 2870/78). Hat der Mitbeteiligte also im beschriebenen Sinne die Grasnutzung anderen Personen überlassen (vgl. das Erkenntnis vom 11. März 1970, Zlen. 1115/69, 367/70), liegt für ihn - unabhängig von der tatsächlichen Verwendung des Grases durch die Dritten etwa als Futter oder Streu - keine landwirtschaftliche Bewirtschaftung auf eigene Rechnung und Gefahr vor, sodass der Mitbeteiligte keinen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG führt und schon deshalb nicht zum Kreis der nach § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG pflichtversicherten Personen zählt.

In Verkennung dieser Rechtslage gehen die Beschwerdeausführungen zur Nutzung des Grases ins Leere, wobei auch eine allfällige Verwechslung von Grundstücksnummern für das skizzierte Ergebnis unbeachtlich ist.

Der in der Beschwerde angenommenen Verpachtung der Wiese liegen weder entsprechende Feststellungen noch Beweisergebnisse zugrunde; die Behauptung einer Verpachtung widerspricht auch den unbekämpft gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid, der Grund sei nicht verpachtet und erbringe keine Erträge.

An der rechtlichen Beurteilung ändert auch der von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt angenommene Umstand nichts, das gemähte Gras sei Gegenleistung für die Tätigkeit des Mähens, weil es lediglich darauf ankommt, dass beides an Dritte überlassen worden ist.

Nach dem Gesagten ging die belangte Behörde zutreffend davon aus, dass die in Rede stehende Wiese keinen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG begründet, weshalb der Mitbeteiligte in der Unfallversicherung nach diesem Gesetz auch nicht pflichtversichert ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Oktober 2001

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