VwGH 98/06/0220

VwGH98/06/022024.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 10. September 1998, Zl. I - 5/3/St.Ga/98, betreffend nachträgliche Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Gallenkirch, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Vlbg 1972 §31 Abs3 idF 1997/072;
RPG Vlbg 1996 §18 Abs5;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs3 idF 1997/072;
RPG Vlbg 1996 §18 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. März 1996 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines Lagerschuppens auf dem näher angeführten Grundstück unter Auflagen (insbesondere Vorschreibungen der Wildbach- und Lawinenverbauung) erteilt. Dieser Lagerschuppen hat ein Ausmaß von 10 x 9 m.

Mit Ansuchen des Beschwerdeführers vom 18. Juli 1996 (eingelangt bei der mitbeteiligten Partei am 19. Juni 1996) beantragte dieser die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung eines an den bewilligten Lagerschuppen angebauten weiteren Lagerschuppen im Ausmaß von 6 m x 5 m.

Der verfahrensgegenständliche Grundstücksteil ist gemäß dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als "Freifläche/Freihaltegebiet" im Sinne des § 18 Abs. 5 Vbg. Raumplanungsgesetz 1996 gewidmet. Dieser Teil des Grundstückes befindet sich zudem unbestritten zur Gänze in der Roten Zone gemäß dem vom zuständigen forsttechnischen Dienst der Wildbach- und Lawinenverbauung erstellten und der vorliegenden Flächenwidmung zugrundeliegenden Gefahrenzonenplanes im Sinne des § 11 Abs. 1 Forstgesetz. Der angeführte bereits bewilligte Lagerschuppen auf dem angeführten Grundstück liegt in der Gelben Zone des Gefahrenzonenplanes (wenn auch im Grenzbereich zur Roten Zone).

Der forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung stellte mit Schreiben vom 2. August 1996 dazu fest, dass die Parzelle auf Grund ihrer exponierten Lage einer vielfältigen Gefährdung durch Murgänge, Lawinen, Steinschlag und Felssturz ausgesetzt sei. Durch die bekannten negativen Entwicklungen im Schutzwaldbereich bergseits der Parzelle, insbesondere durch die nach wie vor ungelöste Wald-Wild-Problematik, werde sich die Gefahrensituation in Zukunft noch verschärfen. Eine Ausweitung des Siedlungsgebietes sei daher bei den gegebenen Voraussetzungen nicht zu verantworten, auch nicht mit den sonst fallweise möglichen Ausnahmegenehmigungen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. September 1997 wurde dem angeführten Bauvorhaben insbesondere unter Verweis auf den Widerspruch zum Flächenwidmungsplan und die besonders gefährdete Lage des Grundstückes in der Roten Zone die Erteilung der Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 3 Vbg. Baugesetz versagt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Im Berufungsverfahren hat der Forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung (mit Stellungnahme vom 28. August 1997) neuerlich festgestellt, dass sich der verfahrensgegenständliche Zubau im Unterschied zum bewilligten Lagerschuppen zur Gänze in der Roten Zone des Gefahrenzonenplanes befinde, es handle sich um die Rote Zone von G...tobel-L...tobel und G...lawine-L...lawine sowie um den Gefährdungsbereich von Felssturz- bzw. Steinschlagereignissen. Es wurde in gleicher Weise auf die bereits im Schreiben vom 2. August 1996 hervorgehobenen Gefahren hingewiesen. Die Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Februar 1998 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Gutachten des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung vom 28. August 1997 den an ein Gutachten zu stellenden Anforderungen in jeder Hinsicht genüge. Dieses Gutachten komme zum Schluss, dass ein positives Gutachten nicht abgegeben werden könne, weil der illegal errichtete Schuppen voll in der Roten Zone der angeführten Einzugsgebiete stehe. Demgegenüber werde in diesem Gutachten ausgeführt, dass "die Doppelgarage" (gemeint: der bewilligte Lagerschuppen) im Grenzbereich Gelbe Zone/Rote Zone von G...tobel-L...tobel und G...lawine-L...lawine sowie im Gefährdungsbereich von Felssturz- und Steinschlagereignissen liege. Auf Grund dieser Grenzbereichslage hätten für den bewilligten Lagerschuppen "relativ strenge Auflagen" vorgeschrieben werden müssen. Eben weil schon im Grenzbereich der Gelben zur Roten Zone strenge Auflagen vorgeschrieben werden müssten und der ohne Baukonsens errichtete Zubau nach dem Gutachten voll in der Roten Zone des Gefährdungsbereiches stehe, im Zusammenhang mit der Ansicht, dass "für diese zusätzliche Baumaßnahme kein positives Gutachten abgegeben werden" könne, lasse sich entnehmen, dass auf Grund der vollständigen Situierung des verfahrensgegenständlichen Zubaues in der Roten Zone die für eine Baubewilligung erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen auch durch Auflagen oder Bedingungen nicht erfüllt werden könnten. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass die Expertise sowohl hinsichtlich ihres logisch-systematischen Aufbaues als auch im sprachlichen Ausdruck Verbesserungen zugelassen hätte. Es handle sich aber um vernachlässigbare Mangelhaftigkeiten. Das eindeutige Urteil des Gutachtens habe die belangte Behörde in die Lage versetzt, eine rechtliche Schlussfolgerung dahingehend abzugeben, auf Grund welcher tatsächlichen Gegebenheiten die in § 31 Abs. 3 Vbg. BauG genannten Voraussetzungen für eine Baubewilligung nicht gegeben wären, die auch durch Auflagen oder Bedingungen nicht erfüllt werden könnten. Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer im Rahmen des baubehördlichen Verfahrens erster Instanz Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, insbesondere zu dem Gutachten des forsttechnischen Dienstes der Wildbach- und Lawinenverbauung schriftlich zu äußern, wofür ihm eine dreiwöchige Frist eingeräumt worden sei. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, es seien "Grundsätze eines ordnungsgemäßen Bauverfahrens gröblich missachtet" worden, sei somit unberechtigt. Die Berufungsbehörde habe sich zur Begründung der Versagung der Baubewilligung des gemäß dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan auf Freifläche/Freihaltegebiet errichteten Zubaues zu Recht auf die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Vbg. BauG gestützt, wonach Baugrundstücke nicht durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen udgl. gefährdet sein dürfen, sowie auf die Bestimmungen des § 31 Abs. 3 und 5 Vbg. BauG i.V.m. § 18 Abs. 5 Vbg. Raumplanungsgesetz. Im Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergebe sich zweifelsfrei, dass das Bauvorhaben zu versagen sei, wenn es einem Flächenwidmungsplan widerspreche und dieser Mangel auch nicht durch Auflagen oder Bedingungen beseitigt werden könne. Gemäß § 18 Abs. 5 Vbg. Raumplanungsgesetz seien als Freihaltegebiet Freiflächen festzulegen, die im öffentlichen Interesse, insbesondere (u.a.) wegen Lawinen, Hochwasser-, Vermurungs-, Steinschlag- und Rutschgefahr usw. von einer Bebauung freizuhalten seien. Die Gemeindeinstanzen seien auf Grund des schlüssigen Gutachtens des forsttechnischen Dienstes der Wildbach- und Lawinenverbauung nachvollziehbar zur Auffassung gelangt, dass die Bewilligung für den verfahrensgegenständlichen Zubau auf Grund der festgestellten, durch die vollständige Situierung in der Roten Zone gegebenen extremen Gefährdung, die auch nicht durch Auflagen oder Bedingungen abgewendet werden könnte, zu versagen gewesen sei, währenddessen der bewilligte Lagerschuppen infolge seiner Situierung im Grenzbereich der Gelben zur Roten Zone durch Erteilung strenger Auflagen eben (noch) bewilligungsfähig gewesen sei. Gerade wegen der in Bezug auf den Gefahrenbereich gegebenen unterschiedlichen Situierung des bewilligten Lagerschuppens einerseits und des illegalen Zubaues andererseits gehe somit der Einwand, die Situation sei für diesen zusätzlichen Lagerschuppen genau die gleiche wie für den bewilligten Teil, ins Leere.

Die Behandlung der zunächst beim Verfassungsgerichtshof dagegen eingebrachten Beschwerde wurde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG von diesem mit Beschluss vom 1. Dezember 1998, B 2002/98-3, abgelehnt und die Beschwerde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wurde die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Vbg. Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG.), müssen Baugrundstücke für Gebäude eine solche Lage, Form und Größe haben, dass auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können. Sie dürfen nicht durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen, udgl. gefährdet sein. Eine Baubewilligung (§ 31) darf nur erteilt werden, wenn solche Gefahren durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen abgewendet werden können. Gemäß § 31 Abs. 1 BauG. hat die Behörde über den Bauantrag ehestens einen schriftlichen Bescheid zu erlassen. Gemäß § 31 Abs. 3 BauG. i.d.F. LGBl. Nr. 72/1997 ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen sowie einem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder einer Verordnung gemäß §§ 31 bis 34 des Raumplanungsgesetzes nicht widerspricht und andere öffentliche Interessen, insbesondere solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs, des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes und des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen. Die Baubewilligung ist gemäß § 31 Abs. 5 leg. cit. zu versagen, wenn die im Abs. 3 für eine Bewilligung genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind und auch durch Auflagen oder Bedingungen gemäß § 32 nicht erfüllt werden können.

Entspricht das Vorhaben den Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 nicht, so ist gemäß § 32 Abs. 1 BauG durch Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass diese Voraussetzungen geschaffen werden. Durch solche Auflagen oder Bedingungen darf jedoch das Vorhaben in seinem Wesen nicht verändert werden.

Gemäß § 18 Abs. 1 Vbg. Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 39/1996 (RPG), sind alle Flächen, die nicht als Bauflächen, Bauerwartungsflächen oder Verkehrsflächen gewidmet sind, Freiflächen. Gemäß § 18 Abs. 5 RPG sind als Freihaltegebiete Freiflächen festzulegen, die im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Landschafts- und Ortsbildes oder wegen der natürlichen Verhältnisse (Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit, Lawinen-, Hochwasser-, Vermurungs-, Steinschlag- und Rutschgefahr usw.) von einer Bebauung freizuhalten sind. Alle Freiflächen, die nicht als Landwirtschaftsgebiete oder Sondergebiete gewidmet sind, sind Freihaltegebiete. Auf Waldflächen ist die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig, soweit dies für forstwirtschaftliche Zwecke notwendig ist.

Der angefochtene Bescheid erweist sich schon deshalb als rechtmäßig, weil - auch vom Beschwerdeführer unbestritten - jedenfalls der verfahrensgegenständliche Grundstücksteil im Flächenwidmungsplan als Freifläche, Freihaltegebiet gemäß § 18 Abs. 5 RPG gewidmet ist. Freihaltegebiete sind gemäß § 18 Abs. 5 RPG von einer Bebauung freizuhalten. Eine Ausnahme besteht für Waldflächen, auf denen die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig ist, soweit dies für forstwirtschaftliche Zwecke notwendig ist. Diese Ausnahme kommt für das verfahrensgegenständliche Grundstück offensichtlich nicht in Betracht und wird vom Beschwerdeführer auch nicht ins Treffen geführt. Somit ergab sich allein aus dem geltenden Flächenwidmungsplan der Versagungsgrund gemäß § 31 Abs. 3 BauG (Widerspruch zum Flächenwidmungsplan) für den verfahrensgegenständlichen Zubau. Gegen die im vorliegenden Fall maßgebliche Widmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes bestehen im Hinblick auf den vom Forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung vorbereiteten Gefahrenzonenplan gemäß § 11 Abs. 1 Forstgesetz, der der Flächenwidmung zugrundegelegt wurde, für den Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken. Im Lichte dieses zutreffenden Versagungsgrundes war auch die vom Beschwerdeführer für notwendig erachtete Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Gefährdungssituation auf dem vorliegenden Grundstück nicht erforderlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Februar 2000

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